Sie holte schnell ihre falsche ID und das Papier für ihre vermeintliche Sklavin aus dem Lederbeutel, der an ihrem Gürtel hing. Die Wache nahm die Dokumente entgegen und prüfte sie ausgiebig. Lory wurde etwas nervös. Was, wenn er merkte, dass das Bild ausgetauscht worden war? Zwar hatte Moross ihr versichert, die Karte wäre so, dass niemand etwas bemerken würde, doch wer wusste schon, wie weit man einem Alien-Fälscher trauen konnte. Sie kannte solche Typen von der Erde zur Genüge und oft konnte man ihnen nicht über den Weg trauen.
Nach einer gefühlten Ewigkeit gab der Wachmann ihr die Dokumente zurück und schenkte ihr ein sinnliches Lächeln.
„Einen angenehmen Aufenthalt, Lady Kirikyla. Ihr habt freien Zugang zum gesamten Port. Ich empfehle Euch allerdings, auf direktem Weg zum blauen Sektor zu gehen. Die Hauptstraßen sind gut bewacht, doch wenn Ihr Euch in eine der Seitenstraßen verirren solltet, könnte Euch leicht etwas zustoßen“, sagte er mit tiefer Stimme und sie nickte in einer, wie sie hoffte, hochmütigen Weise, die ihrer Rolle gerecht werden würde.
„Danke für den Hinweis. Ich habe ohnehin nicht vor, mich in irgendwelchen schmutzigen Gassen herumzutreiben.“
Ohne ihrer vermeintlichen Sklavin einen Blick zu gönnen, schritt sie an den Wachen vorbei. Sie wusste, dass Charly ihr folgen würde, so wie sie es abgemacht hatten. Um den Schein zu wahren, musste Charly als ihre Sklavin auftreten und das hieß auch, dass sie einen Schritt hinter Lory zu gehen hatte.
Als eine weitere Kontrolle hinter ihnen lag, um in den blauen Sektor zu gelangen, der den reichen Reisenden vorbehalten war, blieb Lory in einer ruhigen Seitengasse stehen und wandte sich zu Charly um.
„Wir müssen erst einmal eine Unterkunft finden und dann brauchen wir jemanden, der uns nach Hause bringen kann. Da die hier alle unseren Planeten nicht kennen werden, dürfte das etwas dauern. Wir müssen irgendwie herausfinden, wo, von hier aus gesehen, unsere Erde liegt. Sicher haben die Sternenkarten. Wenn wir unser Sonnensystem finden könnten, dann haben wir gewonnen. Immerhin wissen wir, wie weit wir zeitlich entfernt sind. Wir haben einen Monat hierher gebraucht. Mit dieser Info müsste ein Kapitän doch was anfangen können.“
„Das hoffe ich“, gab Charly zurück. „Ich bin froh, wenn ich endlich wieder in New York bin. Ich hätte nie gedacht, dass ich Großstadtmief einmal so vermissen würde.“
„Da sind wir in einem Boot. Mir geht es genauso. Ich bin froh, diesen dreckigen Wüstenplaneten endlich hinter mir zu lassen. Komm, wir suchen und erst einmal ein Hotel.“
Sie liefen durch die Straße, an teuren Geschäften vorbei, bis sie zu einem Park kamen, der über Schatten spendende Bäume verfügte. Lory war bereits verschwitzt, und so entschied sie, dass eine kurze Rast hier genau das Richtige war.
„Komm, ruhen wir uns kurz aus“, sagte sie, an Charly gewandt, und betrat die Parkanlage. Unter einem Baum, mit weit ausladender Krone setzte sie sich ins Gras. Auch Charly ließ sich auf den Boden fallen.
„Dieses verfluchte Kleid ist viel zu warm“, jammerte sie. Ich könnte so einen Ausschnitt vertragen, wie dein Kleid hat. Bei mir kommt gar keine Luft an die Haut. Ich schwitze wie ein scheiß Tier.“
„Geht mir nicht besser, glaub mir. An mir klebt bereits alles.“
Charly schaute sich um.
„Dort am anderen Ende des Parks scheinen mehrere Hotels zu sein. Wir sollten es dort versuchen“, sagte sie und Lory folgte ihrem Blick.
„Ja, das machen wir“, stimmte Lory zu. „Wir können die Allee dort entlanggehen. Da haben wir fast den ganzen Weg Schatten.“
Kapitel 3
Y-Quadrant
An Bord der Cordelia
22. Tag des Monats Jakus im Jahr 7067 Federationszeit
Kordan stand aufder Brücke und starrte in die Weite des Universums hinaus. Sie waren auf dem Weg nach Xevus3, einem Wüstenplaneten im Kanavirius System. Er hatte eine Mission zu erfüllen. Er sollte zwei junge Frauen retten, die sich irgendwo in Betzlawk, der Hauptstadt von Xevus3, befanden. Die beiden jungen Frauen waren vor Sklavenhändlern geflohen und befanden sich nun ohne Schutz und mittellos in einer ihnen unbekannten Umgebung. Kordan hoffte, dass es ihm möglich sein würde, sie zu finden, ehe ihnen etwas zustieß. Sie waren schon viel zu lange dort ganz auf sich allein gestellt und die Reise würde ihn noch einmal eine Woche kosten. Das bedeutete, dass die Frauen dann seit fast drei Wochen auf der Flucht waren. Kordans Herz sank, als ihm die Hoffnungslosigkeit seiner Mission klar wurde.
„Verdammt!“, knurrte er und schlug mit der Faust auf die Reling ein.
„General“, sagte Bardo, ein Crewmitglied, neben ihm.
„Ich will, dass dieses Baby so schnell fliegt, wie wir riskieren können. Lass die Maschinen auf Trank drei hochfahren und reduzier dafür die Versorgung der nicht benötigten Decks.“
„Aye. Ich werde das Kommando sofort weiterleiten“, sagte Bardo und salutierte, ehe er verschwand.
„Verdammt“, murmelte Kordan erneut, den Blick fest auf die Unendlichkeit vor sich gerichtet.
Kanavirius System, Xevus3
Blauer Sektor, Spaceport, Betzlawk
27. Tag des Monats Jakus im Jahr 7067 Federationszeit
„Wenn wir nichtbald jemanden finden, der uns nach Hause bringen kann, dreh ich durch“, sagte Lory gereizt und tigerte durch die geräumige Hotelsuite, die sie angemietet hatten.
Charly lümmelte sich auf der Couch und lutschte an einem Stück Konfekt, das sie am Morgen in einem der zahlreichen Shops in der Lobby gekauft hatte.
„Du hast echt die Ruhe weg“, knurrte Lory gereizt. „Interessiert es dich überhaupt, dass wir hier schon bald drei Wochen festsitzen?“
„Was können wir tun? Wir müssen auf die passende Gelegenheit warten und in der Zwischenzeit haben wir zumindest ein Dach über dem Kopf und etwas zu essen. Besser könnte es uns doch gar nicht gehen.“
„Ich will aber von diesem verdammten Planeten weg“, sagte Lory gereizt. „Ich habe die Schnauze voll davon, dass Tussis mir mein Essen servieren, die sechs Arme haben, oder Typen mir den Lift öffnen, deren Augen zwanzig Zentimeter über ihren Köpfen auf Fühlern herum wackeln, wie bei einer verdammten Schnecke!“
Charly kicherte.
„Ich finde es nur schade, dass wir zu Hause niemandem davon erzählen können. Die würden uns gleich in eine Geschlossene stecken. Wenn ich nur mein iPhone dabeihätte, würde ich Bilder machen.“
Lory schnaubte.
„Ich gehe jetzt erst einmal in die Bar und genehmige mir ein paar Drinks, dann fühl ich mich vielleicht besser. Kommst du mit?“
Charly sah sie an und zog eine Augenbraue in die Höhe.
„Als deine Sklavin?“
„O! Ich vergaß. Okay, soll ich dir irgendetwas mitbringen?“
„Wenn du noch was von dem Konfekt bekommen kannst. Das Zeug ist himmlisch.“
„Ich werde sehen, was sich machen lässt. Bis später.“
Sie verließ die Suite und fuhr mit dem Lift zur dritten Etage hinab, wo sich die Bar und das Restaurant befanden. Es war noch früh am Abend, und so saßen nur zwei Männer an einem Tisch in der Ecke, die Bar war komplett frei. Lory setzte sich und bestellte einen Drink bei der Bedienung, die mit ihrer gelben Haut und den grünblauen Haaren ein wenig aussah, wie ein Mitglied der Simpson-Familie.
Der Cocktail, der aus einer Art Rum mit einem Schuss süßen Likörs und Fruchtsaft bestand, war ziemlich potent. Nach dem ersten Glas spürte sie bereits deutlich die Wirkung des Alkohols. Das war auch der Grund, warum sie hier war. Sie wollte ihre Nervosität mit Alkohol betäuben. Aber sie musste aufpassen. Sie hatte schon einmal eine Zeit durchgemacht, wo sie ihre Sorgen in Alkohol ertränkt, und sie dem Alkohol seither eigentlich abgeschworen hatte, doch dieses Warten hier ohne Ergebnisse brachte sie um. Sie war nicht für das Luxusleben gemacht und ihre Rolle als Sklavenhalterin fiel ihr von Tag zu Tag schwerer. Sie hatte mit Charly eine Art Waffenstillstand erreicht und sie waren fast Freundinnen geworden. Auch wenn sie sehr unterschiedlich waren, kamen sie erstaunlich gut miteinander aus. Doch es machte sie verrückt, dass sie nur untätig rumsitzen konnte und sich nichts bewegte. Sie hatten verschiedene Piloten aufgesucht und niemand schien daran interessiert, die beiden Frauen zur Erde zu fliegen. Nur einer hatte sich ihnen angeboten, aber nur, wenn sie dafür während des Fluges seine Kabine mit ihm teilen würden. Lory und Charly hatten dankend abgelehnt. Für beide kam es nicht infrage, dass sie ihren Körper als Zahlungsmittel hergaben, und erst recht nicht für einen Mann, der ein Gesicht hatte wie ein Schwein und behaart war wie ein Gorilla. Allein bei dem Gedanken daran schüttelte es Lory erneut.
Читать дальше