Lory blieb mit verschränkten Armen stehen, während Keela, Charly und Amber sich setzten. Lorys Blick glitt über ihre Mitgefangenen. Das Mädchen hatte schwarze Haare, zu sechs dicken Zöpfen geflochten, und ungewöhnlich intensive türkisfarbene Augen. Sie trug eine türkisfarbene Tunika über cremefarbenen Leggings aus weichem Leder. Die anderen Frauen hatten einfach geschnittene Kleider aus bunten Stoffen. Sie unterschieden sich optisch von dem Mädchen. Ihre Hinterköpfe liefen spitz zu und sie hatten seltsam runde Ohren, die deutlich aus ihren schwarzen Haaren hervorguckten.
„Ich bin Ayakala“, stellte sich die ältere Frau vor. „Dies sind meine Töchter Jukuzala und Niminita. Und das ist Bebenile. Und die Kleine ist Solima.“
„Ich bin Charly, das sind Keela und Amber und das hier ist Lory“, nahm Charly die Vorstellung in die Hand.
Jukuzala reichte den Frauen eine Flasche mit Wasser und sie löschten dankbar ihren Durst. Erst als sie getrunken hatten, sprach die Alte.
„Wir kommen von Uluah2. Solima kommt von Karrx7. Wo kommt ihr her?“
„Wir sind vom Planeten Erde entführt worden“, antwortete Charly.
„Erde? Kenne ich nicht!“, sagte die Alte kopfschüttelnd. „Aber das muss nichts heißen. Ich kenne nicht viele Planeten.“
„Wie wird der Platz hier bewacht? Wie viele Kerle kommen, wenn sie Essen bringen? Sind sie bewaffnet?“, wollte Lory wissen. Es war gut, so viele Informationen wie möglich zu sammeln, um eine Flucht zu planen. Denn eines stand fest: Lory würde nicht warten, bis man sie an den Meistbietenden verscherbelte. Für sie stand fest, dass sie sich nicht kampflos ihrem Schicksal ergeben würde. Es musste einen Weg geben, von hier zu fliehen.
Ayakala schaute sie verständnislos an.
„Wozu willst du das wissen?“, fragte sie.
„Es muss eine Möglichkeit geben, zu fliehen“, erklärte Lory aufgeregt. „Ich kann zwei Mann locker ausschalten, ohne Waffen. Wenn ich irgendetwas bekommen könnte, was ich als Waffe benutzen kann, dann auch mehr als nur zwei.“
Ayakala und ihre Töchter schüttelten den Kopf.
„Selbst wenn du hier aus der Hütte rauskommst, so musst du noch durch das Tor und das ist gesichert. Ihr habt keine Chance“, gab die alte Frau zu bedenken.
„Als man uns brachte, waren nur zwei Wachen dort stationiert“, wandte Charly ein.
„Es sind vielleicht nur zwei Wachen, doch in der Hütte neben dem Tor sitzen noch mindestens sechs“, erklärte Ayakala. „Außerdem, wo willst du hier hin? Außerhalb von Betzlawk ist weit und breit nur Wüste. Selbst wenn ihr es wie durch ein Wunder zu einer der anderen Städte schaffen würdet, man hieße euch dort nicht willkommen. Aber es ist ohnehin Selbstmord, in die Wüste hinauszugehen. Es ist dort noch heißer, als hier und es gibt weit und breit kein Wasser. Man wird euch jagen. In der Stadt werden sie euch früher oder später finden und am Spaceport gibt es kein Rein oder Raus ohne Kontrolle und zudem kannst du ohne Geld auch keine Passage buchen. Also ist es besser, zu hoffen, dass du einen guten Herrn findest, der dich gut behandelt. Glaube mir.“
„Eher sterbe ich, als dass ich mich von irgendeinem verdammten Alien besitzen lasse“, fauchte Lory aufgebracht.
„Sie hat recht“, meinte Amber. „Wir kommen ohnehin nie wieder nach Hause. Es ist hoffnungslos. Wer weiß, wie weit wir von der Erde weg sind und wo sollen wir jemanden finden, der uns zurückbringt?“
„Darüber kann ich mir Gedanken machen, wenn ich hier raus bin“, beharrte Lory. „Alles ist besser, als von einem verdammten Alien gekauft zu werden und deren kleine Monster auszubrüten.“
Allein die Vorstellung, an einen der verschiedenen Alien, die sie hier in den Straßen von Betzlawk gesehen hatte, verkauft zu werden, ließ ihr die Galle hochkommen. Die meisten sahen nicht einmal annähernd menschlich aus. Abgesehen davon, würde sie sich gewiss keinem Typen hingeben, den sie nicht wollte. Und Lory war wählerisch, was ihre Sexpartner anging. Sie mussten Stil haben und Rückgrat. Und natürlich mussten sie damit klarkommen, dass sie ihren eigenen Kopf hatte und sich nicht die Butter vom Brot nehmen ließ. Nein! Sie würde ganz gewiss niemands Sexsklavin werden. Nicht, solange sie noch einen Funken Lebensgeist in sich hatte, und im Moment hatte sie eine Menge davon. Sie würde hier rauskommen, koste es, was es wolle.
***
Stunden vergingen undniemand kam. Die Unterhaltung zwischen den Frauen war lange verebbt. Lory hatte sich ohnehin nicht daran beteiligt. Sie lief wie ein Tiger im Käfig auf und ab und grübelte über ihre Situation nach. Sie konnte einfach nicht still sitzen, wenn sie wusste, dass man sie an irgendein Monster verkaufen wollte.
„Kannst du dich nicht endlich mal setzen?“, sagte Keela genervt. „Du machst mich ganz schwindelig mit deinem Gekreisel.“
„Ich verstehe euch nicht“, platzte Lory ärgerlich heraus. „Wie könnt ihr hier seelenruhig sitzen und abwarten, dass man euch an den meistbietenden, schleimigen oder haarigen Alien verschachert? Ich habe jedenfalls nicht vor, kampflos aufzugeben.“
„Vielleicht ist es leichter zu entkommen, wenn wir verkauft wurden“, warf Keela ein. „Wenn wir uns schwach und hilflos zeigen, wird derjenige, der uns kauft, vielleicht weniger wachsam sein und wenn der richtige Augenblick ...“
„Wenn, wenn, wenn!“, unterbrach Lory Keelas Rede. „Wenn ihr wartet, bis man euch ein Ticket für die Rückreise zur Erde auf einem goldenen Teller serviert, werdet ihr es nie schaffen.“
Lory gehörte nicht zu den Leuten, die darauf warteten, dass vielleicht alles noch gut wurde. Sie war es gewohnt, Dinge in die Hand zu nehmen. Sie würde lieber sterben bei dem Versuch, zu fliehen, als zuzulassen, dass andere über sie verfügten.
„Es kommt jemand“, warnte Amber eindringlich.
Die Frauen verstummten und tatsächlich waren Schritte zu hören, die sich der Baracke näherten. Die Tür wurde aufgeschlossen und zwei Männer erschienen in Begleitung einer Frau, die ein Tablett mit Essen trug. Die Männer waren weitgehend humanoid, wenn man über ihre grüne Haut und die kleinen warzenähnlichen Pocken an Stirn und Schläfen hinwegsah. Sie waren groß und kräftig gebaut, doch sie trugen keinerlei Waffen bei sich. Das war gut. Lory hatte keine Bedenken, es mit den beiden aufnehmen zu können. Sie beobachtete die Situation und machte sich bereit, im geeigneten Augenblick zuzuschlagen.
Als die Frau das Tablett in die Mitte des Raumes gestellt hatte, sah Lory ihre Zeit gekommen. Sie schnappte sich den Mann, der ihr am nächsten stand, und schmetterte seinen Schädel dreimal gegen den Türrahmen, bis der Kerl schlapp in ihrem Griff wurde und sie den bewusstlosen Mann einfach zu Boden fallen ließ. Die andere Wache warf sich auf sie und sie tauschten ein paar harte Schläge und Tritte aus. Da der Überraschungseffekt vorbei war, hatte Lory mit dem gut trainierten Kerl kein leichtes Spiel, obwohl sie intensiv in Nahkampf ausgebildet war. Der Alien war ein ebenbürtiger Kämpfer und machte es ihr nicht leicht, doch sie liebte den Kampf. Es war besser, als dazusitzen und abzuwarten. Sie teilten beide kräftig aus und steckten ebenso kräftig ein. Ihr Gegner blutete bereits aus Mund und Nase und atmete schwer, doch ihr erging es nicht besser. Mit Gebrüll stürzten sich plötzlich auch Keela, Charly und Amber auf die Wache. Charly klammerte sich von hinten an ihn, während Amber und Keela Lory dabei unterstützten, ihn mit Tritten und Schlägen zu bearbeiten, bis er zu Boden ging.
Als beide Wachen bewusstlos dalagen, wandte Lory sich an die anderen Frauen. Die Frau, die das Tablett gebracht hatte, stand mit offenem Mund und weit aufgerissenen Augen in der Mitte des Raumes und schien unfähig, etwas zu sagen oder zu tun.
„Wir müssen schnell machen, ehe man bemerkt, was geschehen ist“, sagte Lory und die Frauen, inklusive Ayakala, ihren Töchtern und dem Mädchen, folgten Lory nach draußen. Nur Bebenile und die Frau mit dem Tablett blieben zurück.
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