Eine Hügellandschaft tat sich auf nicht weit von der Stadt entfernt. Über kilometerlange Strecken lagen sie und türmten Schädel und Beine. Einige standen wie am Stecken erstarrt, ihre Gesichter waren fahl and matt. Es wurde geraubt, geschossen und gestochen. Schon von weither wurde der Tod gerochen.
Der Anblick nahm selbst den Engeln ihre Stärke, so unfassbar waren des Menschen Werke, dass auch sie in Ohnmacht fielen und ihnen das Engelsein verging.
An breiten Ufern schäumten die Meere, auf den Seiten drängten sich die Heere. Mächtig drückte es von hinten nach vorn, dazu setzte der Stiefelmann den Sporn. Es wurde gestoßen auf Teufel komm raus, ganze Ladungen kippten aus dem Haus. Weggespült wurde in grimmigen Fluten, dass es die Wasser kaum schafften.
Es schlugen die Ruten, und von den Ufern kam das Gaffen. Fragen kamen nach stärkeren Waffen, die Atmung der Massen zu erschlaffen. So kam das Gas, so kam das Feuer zu Preisen ganz ohne Steuer.
Gemeine Schieber genossen den Schmaus, von den Genossen machte sich keiner was draus.
Wer das Nachsehen und den Schaden hatte, der brauchte für den Spott nicht zu sorgen. So lebe die Kultur, so lebe der Morgen!
Dann kam der andere, der neue Morgen, mit ihm kamen gleich die neuen Sorgen. Die Frage knallte hart gegen die Wände: Wer wollte einem das Vertrauen noch borgen? Der Gerichtshof hatte noch einmal gewütet, fürchterlich wurden die Urteile vollstreckt. Als es schließlich nichts mehr zu vollstrecken gab,
kam die Ruhe ins Land der Ruinen.
Plötzlich war das Blut- und Kreuzspiel aus, Füße schritten durchs Scherbenmeer, dass man sich besser nicht sehen ließ und blieb im Haus. Den Vorhang ließ man zugezogen und wackelte an ihm gar nicht herum. Versteckt musste werden, was geschehen war, so betete man die Heiligen alphabetisch ab.
Es wurde gesucht und nichts gefunden. Wo waren die Täter mit den Masken? Sie waren über Nacht vom Erdboden verschwunden, und keiner hatte es bedacht.
Man griff auf alte Rezepte zurück und verbrannte Menschen in vollgestopften Scheunen. Schnell wurde die Angst vor dem Kragengriff der Meister. Da boten sich gleich genügend Denunzianten an, dass das Angebot die Nachfrage überstieg und die Verwunderung nicht minder.
Die Sache kam ins Rollen und brachte manchem noch den Tod. Unschuldige gerieten wieder als erste in Not. Hetzjagden liefen auf hohen Touren, dass Frauen ihre Männer versteckten hinter den Fluren. Doch Hinweise auf Versteckte gingen ein. Viele waren dabei gewesen, standen stramm und mäulig am Tresen und klopften spinnköpfige Sprüche. Da kamen Männer mit Bärten zum Vorschein, die durchs System rasiert marschierten. Andere mit Stoppelbart und Glatze, die hatten schon damals ‘ne fiese Fratze.
Man war nicht zimperlich und spannte manche auf die Folter. Dabei gerieten vor allem jene in Not, die es nicht waren. Sie fanden schuldlos den Tod. So wurde gedrosselt und geschlagen, ohne groß zu fragen, ob es wahr war oder nicht, nur weil Menschen ins unschuldige Stottern kamen.
Angst und Not durch Drosselung und Prügel nahmen kein Ende. Vergebens hofften viele auf die lang ersehnte Wende. Bald schlugen ihnen Andersblicke ins Gesicht, und Andersschläge gab es vor Gericht. Wie es auch war, es gab den roten Zunder nach all den Terrorjahren, wen sollte es da noch wundern. Das Karussell drehte sich nach links und mal nach rechts, doch immer mit brüllendem Bumbum. Fasane und Kommissare glichen einander, sie hatten beide blutrot geschwollene Kämme. Es fließen Systeme und stürzen an ihren Dämmen, aber an den Kamm der Verantwortung ließ sich keiner fassen.
Da lernt man doch das Fluchen, das Fürchten und das Hassen.
Professor.Da sitz ich hier mit all dem Krempel und weiß nicht ein und weiß nicht aus. Es ist ein verstaubt verdammter Wissenstempel, ich nenne ihn mein Tüftelhaus mit dem Tisch und seinem ausgesessenen Stuhl. Mit den Stiften zieh ich Linien, lese, unterstreiche, greif heraus die und jene Schriften, auf dass ich das Ergebnis noch erreiche. Ich türme Blätter, Zettel, teils beschriftet immer höher, ziehe das und jenes Blatt heraus. Alles hängt wie angegiftet mir längst aus dem Hals heraus.
Der Appetit ist längst vergangen vom vielen Lesen und dem Schreiben. Es ergraut und trocknet das Verlangen bei der Frage, was wird da noch bleiben.
Es ist ein Wust von Zahlen, Zeilen, was da rumwirrt und mir den Fensterblick verwehrt. Wen kann ich fragen, länger zu verweilen in diesem Tempel, den ich einst hab so verehrt? Das Grau der Wände dunkelt grauer, der Stuck der Decke fällt mir auf den Kopf. Muff und Bücher stapeln sich zur Mauer mit dem kalten Kaffee im verbeulten Topf. Es ist Winter, im Ofen glüht die letzte Kohle nieder, zur neuen Kohle fehlt das Geld. So wiederholt’s sich jährlich wieder, als sei mit der Kälte das Trostlose herbestellt, die beide pünktlich auf der Stelle sind, sich einnisten und auf Dauer bleiben. Wie soll ich lehren dem gehorsamen Kind, Zahlen und Zeilen ordentlich zu schreiben?
In die höhere Mathematik will ich nicht gehn, dafür pfeift der Wind zu laut durch Tür- und Fensterritzen,
dass sich Staub und Blätter auf dem Tisch verwehn, während draußen dunkle Wetter blitzen, die der Gemütlichkeit nicht dienen, die zum differentialen Denken da sein soll. Da hilft auch nicht der Fleiß der Bienen, wenn es bricht und donnert, und der Tisch ist voll. Was tun? Die große ungeheuerliche Frage,
sie stellt sich lange mir an jedem Tag.
Die Antwort, die ich in und mit mir trage, die sich in mir bäumt und krümmt, o Klage, die mir eine fremde, feste Stimme gab, sie sagt: Forsche, lehre oder schaufle dir das Grab, wozu sonst hast du gedacht, gelesen und gelernt, das Ziel, das große, ist nicht weit entfernt. So frag ich euch, ihr lieben Leute, ihr seid und lebt im selben Tag von heute, was ist mit dem Plunder solch ein Forscherleben im Dämmerschein die Jahre durch zu streben, dem einen und andern ein Stück Wissen zu geben, gegen dürftige Bezahlung sie in den Geist zu heben, von dem ich nicht mal weiß, ob er der rechte ist, ob nicht vor dem Denkziel die Säule doch in Stücke bricht.
Ich sage euch, Texte sind genug gelesen, täglich kommen neue noch hinzu. Da drängt es mich zum harten Besen, auszufegen bis zur letzten Klarheit und zur ersten Ruh, die nicht anders zu erreichen sind als durch die radikale Kur. Das Auge stelle sich beim Fegen nur nicht blind, es ist die Antwort auf die zu kurze Wissensschnur.
Die Stile und Denkleitern mögen variieren, die Frage nach dem Kern der Sache bleibt dieselbe, täglich mag man anders konstruieren. Dresden und Hamburg, durch sie fließt die Elbe, die Wahrheit, die wir greifen, bleibt bescheiden, vom Ganzen fassen wir nur einen Teil. Wir können es schwarzweiß oder farbig kleiden, in den Spalt stecken wir nur einen Keil, um das Deckgestein auseinander zu drücken.
Wegsprengen lässt es sich nicht, mit unserm Wissen müssen wir uns bücken vor der Wahrheit mit dem aufkommenden Licht, das sich in der Ganzheit vor unseren Augen verbirgt, ob es uns passt oder nicht.
Wir müssen uns mit den Brocken quälen, bis es würgt, wir klettern die Leitern, bis die erste Sprosse bricht.
Auch als Forscher kennen wir die Pflichten, den Dingen auf den Grund zu gehn, soweit es geht. Tiefer als tief geht’s nicht, wenn wir nicht vernichten, was über Generationen gebaut noch steht, das erhalten bleiben soll für Mensch und Nachwelt, die noch kommen, denn die Städte sind schon übervoll, da quillt und drückt es unbenommen, doch nicht mehr lang. Die Menschen atmen schon mit Sorgen, dass die Luft knapp wird schon am frühen Morgen, wenn im Wahnsinnsverkehr der ersten Stunden der ätzende Gestank steigt in weiten Runden von den Erdgeschossen hoch bis unters Dach. Dazu kommt der fürchterliche Krach, dass Tücher über Mund und Nasen hängen, die Ohren zugestopft sind bei all den Straßengängen.
Читать дальше