Hauptkommissar Joseph Travniczek war lange Zeit Leiter der Mordkommission München. Er kommt in gleicher Position nach Heidelberg und wird zusammen mit seinen Mitarbeitern Michael Brombach und Martina Lange Heidelberg diffizile Mordfälle aufklären müssen. Das Team wird bei seinen Ermittlungen dabei auch immer wieder zu den markanten Plätzen in Heidelberg geführt.
Dabei sind die Texte so konzipiert, dass sie nicht nur für Heidelberger, sondern gerade auch für Menschen interessant sind, die Heidelberg gar nicht oder nur wenig kennen. Hauptkommissar Travniczek war vor seinem Dienstantritt bei der Heidelberger Kripo noch nie in dieser Stadt. Kommissar Brombach ist Hobbyfremdenführer und gibt seinem neuen Chef unterwegs immer wieder umfassende Informationen über die Stadt und ihre Sehenswürdigkeiten. Weitere Details erfährt der Leser in zahlreichen Anmerkungen. Auf der Internetseite www.heidelbergkrimi.de finden Sie umfangreiches Bildmaterial zu den Schauplätzen der Geschichte. Diese Krimiserie soll ausdrücklich auch Lust auf Heidelberg machen.
Schlag auf Schlag
Christoph Wagner
Published by epubli GmbH, Berlin, www.epubli.de
Copyright©2012 Christoph Wagner
ISBN 978-3-8442-4108-2
Cover-Foto: Pulverturm, Schloss Heidelberg
Copyright©2012 Christoph Wagner
Geboren 1953 in Norddeutschland, lebte ich von 1959 bis 1983 in Heidelberg, besuchte dort die Grundschule, von 1964 bis 1972 das Kurfürst-Friedrich-Gymnasium und studierte danach Musik und Mathematik. Seit 1983 arbeite ich als Musik- und Mathematiklehrer in Frankfurt am Main. Der enge Kontakt zu Heidelberg blieb über die Jahre weiterbestehen.
Nach nun bald abgeschlossenem Berufsleben als Lehrer will ich in der Reihe „Heidelbergkrimis“ meine Liebe zur Stadt Heidelberg, die ich für eine der schönsten und interessantesten Städte überhaupt halte, verbinden mit der Frage nach der Psychologie des Bösen. In dem vorliegenden ersten Roman habe ich meine Grundfrage Hauptkommissar Joseph Travniczek in den Mund gelegt. Dort sagt er angesichts eines brutal erschlagenen Mannes: “Wie unendlich viel muss in der Seele eines Menschen zerstört worden sein, damit er zu so einer Tat fähig wird? … Kein Kind wird als Mörder geboren.”
Christoph Wagner
Das eben ist der Fluch der bösen Tat,
daß sie, fortzeugend, immer Böses muß gebären.
Friedrich Schiller, „Wallenstein“
1. Teil: die Piccolomini: 5. Akt, 1.Auftritt
Er muss sterben – unbedingt sterben – schweigen muss er für immer – denn wenn er redet – ist alles verloren – gescheitert der Kampf – gegen Dämonen der Kindheit –
die Menschen – denen das Kind vertraute – gedemütigt – erniedrigt – und um das eigene Leben betrogen – zerstörten sie seine kindliche Seele – aber sie merkten es nicht –
lange ist das jetzt her …
Zwar konnte ich vieles erreichen – um die Dämonen zu bannen – doch noch ist der Kampf nicht entschieden –
Dämonen der Kindheit – sie zwingen mich immer wieder – zu handeln, wie ich nicht will – und bleibe im Ekel zurück – vor meinen ruchlosen Taten –
Dämonen der Kindheit – sie will ich für immer besiegen –
es wird mir gelingen – doch vorher darf niemand erfahren – wozu sie mich immer noch zwingen …
***
Es war kurz vor Mitternacht an einem Sonntag im Oktober. Dichte Nebelschleier hatten die Stadt eingehüllt. Es war vollkommen windstill. Da hastete ein stattlicher Mann mit langem, braunem, leicht gelocktem Haar und klassisch ebenmäßigen Zügen auf der Hauptstraße 1an Heiliggeistkirche 2, Rathaus 3, Kornmarkt 4und Karlsplatz 5vorbei und bog mit schnellen, hämmernden Schritten in den Friesenberg ein, um noch rechtzeitig den Schlosspark zu erreichen. Seinen Blick starr auf die feucht glänzenden Pflastersteine geheftet, nahm er seine Umgebung kaum wahr und hielt krampfhaft mit der linken Hand den Griff eines kleinen schwarzen Aktenkoffers umfasst. Der Schein der wenigen Straßenlaternen an einigen Hauswänden drang kaum durch den milchigen Nebel und ließ die Häuser und hohen Stützmauern an den Seiten nur wie verschwommene, dunkle Schatten erscheinen, gleich Spiegelbildern seiner düsteren Gedanken. In den menschenleeren Straßen war der Lärm des Tages erstorben. Nur seine hämmernden Schritte hallten durch die neblige Nacht.
***
Er muss sterben – unbedingt sterben – schweigen muss er für immer –
doch wer muss sterben? – wer muss schweigen? – wer hat herausgefunden – dass es mich doppelt gibt? – zwei Namen – zwei Personen – die nichts miteinander gemein haben – die sich hassen und die sich niemals begegnen dürfen – einer hat es durchschaut – was niemand durchschauen durfte – der Plan war perfekt – an alles gedacht – Entdeckung unmöglich – wo lag mein Fehler? – verstellt die Stimme am Telefon – ich müsste sie kennen – kommt das von den Russen? – wollen die noch mehr? – das glaube ich nicht – denn sie verdienen fantastisch durch meine schändliche Arbeit – oder haben die einen gefunden, der ihnen noch mehr bringt? – doch wenn nicht die Russen, wer dann? – kenne ich ihn überhaupt? – woher kennt er mich? – warum bestellt er mich an den Brunnen im Schlosspark? – weiß er, was dort geschah? – was mich in den siebenten Himmel erhob – was später den Riss durch mein Ich noch unerträglicher machte? – vielleicht weiß er nur das – aber er will 100.000 – dann weiß er alles – es macht keinen Sinn, ihm das Geld zu geben – denn ich kann ja nicht wissen, ob er nicht immer mehr fordert – ihm zu vertrauen ist Wahnsinn – also gibt es nur eines: Er muss sterben – unbedingt sterben – schweigen muss er für immer …
***
Der Mann durchschritt das Tor zum Schlossgarten. Hier leuchteten die Laternen heller als am Friesenberg, und so konnte er seine Schritte weiter beschleunigen. Der schmale und steile Anstieg durch das tief eingeschnittene Tal zwischen Scheffelterrasse 6und Ostseite des Schlosses führte ihn zwischen großen Bäumen hindurch, die im neblig fahlweißen Licht der Laternen am Wegrand Gespenstern glichen. Kurz leuchteten linker Hand im feurigen Orange der Scheinwerfer einige Bögen der Scheffelterrasse schemenhaft auf. Über enge Serpentinen eilte der Mann weiter, während hoch oben die hell erleuchtete Ostfassade des Schlosses mit Glockenturm 7, Ottheinrichsbau 8und Apothekerturm 9immer deutlicher aus dem Nebel hervortrat. Er ließ genau in dem Augenblick den Nebel unter sich und trat in die klare Nachtluft, als er den ersten Bau des Schlosses erreichte, den Karlsturm 10, der wie von der Faust eines Riesen zerschlagen sein dunkles Inneres nach außen kehrte und wie der drohende Rachen eines mächtigen Ungeheuers erschien, das gnadenlos alles verschlingt, was sich ihm nähert. Unter dem schwarzen, sternenübersäten Himmel führte ihn der jetzt schnurgerade Weg weiter an den vollständig restaurierten unteren Befestigungsanlagen entlang auf die wuchtige Spitzkasematte zu, vor der sich der Weg nach links wendete und kurz den Blick freigab auf den vor mehr als dreihundert Jahren geborstenen Pulverturm 11, einem Mahnmal gleich für alles, was unwiederbringlich zerstört ist. Durch eine letzte, steil ansteigende Biegung des Weges erreichte er die Scheffelterrasse.
***
Er muss sterben – unbedingt sterben – schweigen muss er für immer – ich will ihn töten – er hat keine Chance – trifft ihn die Kugel nicht gleich – dann wird ihn der Sender im Koffer verraten – der wird mich zu ihm führen – wohin er auch geht – damit rechnet er nicht – das ist sein Fehler – ich will triumphieren – die heutige Nacht – nur eine Episode – denn ich will weiterkämpfen - gegen Dämonen der Kindheit – ich will sie vernichten – mit ihnen mein dunkles Ich – meine Seele heilen – und trotz meiner heutigen Taten – wird, wie einstmals für Faust, – auch für mich dann der „Chor der seligen Knaben“ singen:
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