Harald Fiori
Schlag doch zu! Autobiografie
Pubertätserscheinungen
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Inhaltsverzeichnis
Titel Harald Fiori Schlag doch zu! Autobiografie Pubertätserscheinungen Dieses ebook wurde erstellt bei
Schlag doch zu! Schlag doch zu! Pubertätserscheinungen Harald W. Fiori Roman
Prolog
Lehrer werden geboren
Geschichtliches und Wichtiges
Schöner Lehreralltag
Die Wurzeln eines Lehrers
Katholisches Oberlyzeum zu Dortmund.
Neu an der Schule
Das zweite Lebensjahr im Jahre 1942
Erste eigene Erinnerungen
In Bad Godesberg
Arme Schülergeneration
Besatzungszeit in Godesberg
Kinder im Schullandheim
Kindheit im Wirtschaftswunderland
1949
1950
1951
1952
1953
„Ein schöner Garten“
1954 / 1955
Endlich Lehrer mit Anstellung
Lehrerprüfung
Impressum neobooks
Schlag doch zu!
Pubertätserscheinungen
Harald W. Fiori
Roman
Als Lehrer, besonders als Idealist unter den Lehrern, habe ich das unbestimmte, sehr stark drängende Gefühl, mich innerlich und äußerlich pausenlos und ständig für meinen Beruf und meine Tätigkeiten entschuldigen zu müssen.
Kaum treffe ich nachmittags jemanden aus der Nachbarschaft, höre ich schon die besorgte, hämische bis sensationslüsterne Frage: „Wie geht’s denn Herr Fiori? Alles in Ordnung? Ist ja nicht einfach in Ihrem Beruf. Haben Sie schon frei? Ach ja, es ist ja schon Nachmittag. Da sind Sie bestimmt froh, dass Sie sich jetzt entspannen können. Mein Mann kommt heute Abend wieder später nach Hause, muss ständig Überstunden machen.“
Und da ist es dann, das lächerliche Minderwertigkeitsgefühl, das absolut schlechte Gewissen, der Wunsch zu erklären, dass ich keineswegs frei habe nun, dass ich eigentlich nur deshalb so unverschämt bin, schon nachmittags einkaufen zu gehen, weil ich blöderweise ausgerechnet heute Nachmittag neue Tinte brauche.
Natürlich brauche ich nicht immer neue Tinte. Dann käme die Entschuldigung leichter und flüssiger über die Lippen. Es kann nämlich sein, dass ich wirklich Lebensmittel einkaufe, weil meine Frau, aus welchen Gründen auch immer, gerade dazu nicht gekommen ist. Ja, es ist sogar möglich, dass ich darum gebeten habe, einkaufen zu gehen, weil ich einfach mal etwas anderes tun möchte, als meinem Beruf nachzugehen. Leider kann ich eine Antwort nicht runterschlucken, und schon ist sie da, die Entschuldigung, die Rechtfertigung:
„Leider habe ich auch noch keinen Feierabend, zweiunddreißig Aufsätze liegen zu Hause und warten auf Korrektur.“ Si tacuisses, Philosophus mansisses, ‚Wenn du doch geschwiegen hättest, wärest du ein kluger Mann geblieben’. Hätte ich doch nur geschwiegen.
„Ach ja, meine Tochter wartet oft mehrere Monate lang darauf, dass eine Arbeit benotet und zurückgegeben wird. Der Lehrer hat immer andere Gründe, warum er mit der Korrektur noch nicht fertig geworden ist. Aber nun muss ich weiter, soviel Zeit habe ich nicht, auch wenn ich nur Hausfrau bin.“
War das schon wieder eine Spitze?
Noch schlimmer ist es aber, als Lehrer vormittags schon beim Einkauf erwischt zu werden, weil der Stundenplan einmal in der Woche ausnahmsweise erst um 11.00 Uhr beginnt. Dann begegne ich mit absoluter Sicherheit nicht nur einer Nachbarin, meistens treffe ich alle, die ich kenne, als hätten sie sich verabredet. Und dann wird’s so richtig nett.
Die Stimmen der Damen triefen geradezu vor Freundlichkeit: „Sind Sie krank, Herr Fiori? Ist irgendetwas nicht in Ordnung? Wie geht’s Ihrer Frau? Haben Sie schon frei?“
Das „Kümmern Sie sich doch um Ihren eigenen Scheiß!“ schluckte ich tapfer hinunter, um zum wievielten Male heraus zu trompeten, dass ich ausnahmsweise an diesem Morgen erst um 11.00 Uhr zur Schule muss. Und wieder der Drang zur Rechtfertigung: „Dafür habe ich aber auch heute Nachmittag noch Unterricht bis 16.00 Uhr“. Warum nur ist mir das nun wieder rausgerutscht? Hätte ich doch nur geschwiegen, fühlte ich mich weniger vorgeführt.
Die Antworten gleichen sich irgendwie alle: „Mein Mann kommt immer erst um 19.00 Uhr, er geht auch jeden Morgen um 7.30 Uhr aus dem Haus.“ Ich sollte mich wirklich schämen, ich Nichtstuer!
Schließlich ist doch jedem bekannt, dass Lehrer geboren werden, zur Schule gehen und eine gute Pension oder Rente erhalten, unmittelbar nach dem Schulbesuch, versteht sich.
Etwas weniger bekannt ist die Rechnung, dass Lehrer so gut wie gar nicht arbeiten, also nur frei haben im Laufe eines Jahres:„ Ein Jahr hat bekanntlich 365 Tage, alle vier Jahre 366. Mit 366 lässt sich besser rechnen. Denn Lehrer arbeiten, das ist wirklich jedem geläufig, nur halbe Tage, also arbeiten sie im Jahr nur 183 Tage. Im Durchschnitt eines jeden Jahres haben Lehrer 53 Tage Ferien, so dass noch 130 Arbeitstage bleiben, aber es gibt natürlich noch 52 Wochenenden, an denen keine Schule ist, so dass noch einmal 104 Tage abgezogen werden müssen, bleiben 26 Arbeitstage, von denen selbstverständlich noch die Feiertage abgezogen werden müssen, das sind pro Jahr durchschnittlich 10, es bleiben ganze 16 Arbeitstage, von denen der Tag für den Kollegiumsausflug abzuziehen wäre, und schließlich feiert jede Lehrperson im Durchschnitt etwa 15 Tage krank im Jahr. Eigentlich hat man es immer schon gewusst: Lehrer arbeiten absolut nicht einen einzigen Tag im Jahr, was zu beweisen war.“
Bei soviel Bestätigung für die offensichtlich angeborene Faulheit von Lehrern sollte man nun annehmen, dass Lehrer wenigstens untereinander sich sehr kollegial verhalten und natürlich wissen, wie fleißig sie in Wirklichkeit sind. Wieder weit gefehlt. Der einzigewirklich fleißige Lehrer bin nur immer ich ganz allein. Und das behauptet schlichtweg jedeLehrerin und jederLehrer von sich. Die Kolleginnen und Kollegen, na ja, sprechen wir lieber nicht darüber. Man schaue sich nur den Stundenplan genau an: „Herr Fiori, aus welchem Grunde haben Sie eigentlich nur drei Springstunden in Ihrem Plan? Müssten Sie nicht wegen Ihrer Sonderstunde als Beratungslehrer noch eine Stunde mehr im Schulgebäude sein? Sie haben doch für diese Tätigkeit schon zwei Stunden weniger zu unterrichten!?!“ Und wieder, selbst hier im vertrauten Kollegenkreis überkommt mich das gewohnte, nicht mehr aus meinem Leben wegzudenkende Gefühl, mich rechtfertigen zu müssen. Oder sollte ich lieber antworten: „Ach, liebe Kollegin, Sie können ja gerne die Ausbildung zum Beratungslehrer absolvieren und mich danach ablösen!“ Was sage ich aber tatsächlich: „Ach, wissen Sie, Frau Kollegin, im Augenblick habe ich soviel mit Beratung zu tun, dass ich schon weit mehr Stunden damit verbringe als ich an Ermäßigung erhalte. Allein die Schülerin ..... .“ Lerne ich es denn nie? Schweigen ist Gold! „Ja, ja, damit haben wir doch alle unser Kratzen, oder meinen Sie, ich würde meine Schülerinnen und Schüler nicht beraten!?!“ Das hat wieder mal gesessen. Soll ich etwas erklären, mich rechtfertigen? Ich glaube ich resigniere einfach und erzähle, wie ein fauler Lehrer auf die Welt kommt und eben ein wirklich fauler Lehrer wird. Beinahe hätte ich die Hauptpersonen vergessen im Leben eines Lehrers, oder die, die Hauptpersonen sein sollten, wenigsten meiner Meinung nach: „Die lieben oder nicht immer lieben Schülerinnen und Schüler.“ Solange ich als Lehrer tätig war, war ich bei den Schülerinnen und Schülern immer sehr beliebt, was bedeutet, dass ich eigentlich mit meiner Berufstätigkeit sehr zufrieden sein könnte, da ich meiner Meinung nach diese Beliebtheit erworben habe durch besonderen Fleiß ( wie bereits oben angemerkt!) und besonderen Einsatz für die Belange der Schülerinnen und Schüler.
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