CHRISTOPH ACKERMANN
Auf der Suche nach dem Gleichgewicht
im Sinne einer ehrlichen Reiterei
Haftungsausschluss
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Copyright © 2021 by Crystal Verlag, Wentorf
Gestaltung und Satz: Johanna Böhm, Dassendorf
Titelfoto: Christoph Schaffa
Fotos im Innenteil: Christoph Schaffa, Autorenfoto U2: Kirsten Fleiser,
S. 52: www.pferdemagazin.info, S. 56
, 72: Rainer Dill
Zeichnungen: Renate Blanck
Deutsche Nationalbibliothek – CIP-Einheitsaufnahme
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eISBN: 973-3-95847-724-7
Vorwort Vorwort
Ein Schüler erinnert sich
Einleitung
Nehmen wir die Sache der ehrlichen Reiterei ernst!
KAPITEL 1
Gleichgewicht und Leistungsfähigkeit: der Balancesitz
Aus der Balance – der Trendreiter und sein Vorbild – oder wie man durch „Tipps und Tricks“ das Zuhören ersetzt
KAPITEL 2
Die mentale Balance des Pferdes
Was verstehen wir denn unter dem Begriff Losgelassenheit?
Was sind die äußeren Merkmale der Losgelassenheit?
Aus der Balance – stimmt die Nomenklatur noch?
Ein Pferd muss sich anfassen lassen können
KAPITEL 3
Das horizontale Gleichgewicht
Wie bringen wir nun die Rückenwirbelsäule in die Horizontale?
Welcher Ausbildungsweg eignet sich dazu am besten?
Das richtige Vorwärts in der Balance
Balance und relative Aufrichtung
KAPITEL 4
Das vertikale Gleichgewicht
Genick, Maul und Längsbiegung
Das Maximum der Längsbiegung
Biegung und Stellung
Schwungdurchflutung und Durchlässigkeit
KAPITEL 5
Aus der Balance – all die schönen Pferde! Sehenden Auges auf dem Turnier
Richter, Reiter und Trainer oder: Do ut des (Ich gebe, damit du gebest)
Doch es gibt sie noch! Die unabhängigen Turnierrichter
Schlussbemerkung
Behalten wir den Blick fürs Wesentliche
Literaturangaben
Das Pferd stolz und voller Kraft, der Reiter aufrecht und lässig: die sagenumwobene Reiterstatue Mark Aurels in den kapitolinischen Museen in Rom - Reitkunst seit fast 2000 Jahren .
„Nichts hat solch eine Macht, den Geist zu erweitern, als die Fähigkeit, systematisch und aufrichtig zu forschen über alles, was dir im Leben zur Beobachtung begegnet.
Mark Aurel
Vorwort
Ein Schüler erinnert sich
Die Adresse ist noch immer dieselbe wie vor vielen Jahren: Egon von Neindorff, Nancystraße 1, Karlsruhe. Und es hängt noch immer ein großes Schild an der Reithalle: „Hochschule für Reiter und Pferd“.
Neindorff war mein Lehrer, und später wurde auch Christoph Ackermann von ihm in die Reitkunst eingeweiht - über drei Jahrzehnte hinweg. Der Buchtitel, den Christoph hier ausgewählt hat, heißt: „Auf der Suche nach dem Gleichgewicht“. Damit hat er den Kern dessen getroffen, was wir bei Neindorff gelernt haben.
Ich werde Ihnen eine kleine Anekdote über das Erlernen und Lehren der perfekten Balance erzählen - und darüber, wie viel Freude man aus dieser Arbeit ziehen kann.
Für einen Artikel der „Norddeutschen Zeitung“ vom September 1953 hat der Wiener Hofbereiter a. D. Ludwig Zeiner aus seinem Leben berichtet:
Es begann 1898 im Sattel eines Fahrrads. Eines dieser neumodischen „Niederräder“, die, mit Vollgummireifen ausgerüstet, die staksigen Hochräder zügig überholten. Im Wiener Park Schönbrunn klettert der damals 13-jährige Ludwig, Sohn eines Wagenbauers, aufs Rad und steht nach einer Stunde freihändig auf dem Sattel. Dass ihn Oberhofstallmeister Fürst Liechtenstein beobachtet, ist einer der ersten grandiosen Zufälle in Zeiners Leben .
Der Fürst ist beeindruckt von Ludwigs Balance: Wer seinen Körper so im Griff hat, taugt zum guten Reiter. Bereits zwei Tage später tritt der 13-Jährige in die Spanische Hofreitschule ein, wo Hans Meixner Oberbereiter ist. „Mein Lehrmeister“ schreibt Zeiner mit schwungvoller Schrift und blauem Kopierstift auf die Rückseite eines Fotos .
Bei Meixner, dessen perfekte Levaden schon Anfang des Jahrhunderts Postkarten zieren, lernt Zeiner in den nächsten Jahren vor allem korrekten Sitz und Handarbeit. Zeiners Spezialitäten: die berühmten Schulen über der Erde. Bei einer Levade bleibt sein Hengst einmal sogar 14 Sekunden mit den Vorderbeinen in der Luft. Dafür applaudiert ihm eines Tages sogar Zar Nikolas II. An der Kavallerieschule der Wehrmacht in Berlin-Krampnitz zeigte Zeiner einen kleinen Lipizzanerhengst namens Pluto, das war während der wöchentlichen Vorführungen unter Felix Bürkner. Zeiner schreibt: „Mein Pluto machte acht wunderschöne Courbetten an der langen Seite an der Hand.“ Sogar einen Trakehnerhengst führte er auf dem offenen Reitplatz der Kavallerieschule in einer meisterhaften Kapriole vor .
„Wer seinen Körper so im Griff hat, taugt zum guten Reiter.
„Herr Hofbereiter a. D. Ludwig Zeiner war in der Handarbeit unübertroffener Meistererinnert sich auch Major a. D. Paul Stecken, der 35 Jahre lang die Westfälische Reit- und Fahrschule in Münster leitete .
Die ersten Jahre des 20. Jahrhunderts waren für den Eleven Zeiner freilich eher Lehr- als Herrenjahre. Nach einem Jahr Stalldienst, Putzen und Füttern in der Hofreitschule fragte er den berühmten britischen Löwendompteur Tate nach dem Geheimnis seiner Tierdressur. Der erklärte ihm: „Man muss die Regungen der Tiere mitfühlen und sie leiten. Kein Zwang, keine Gewalt!“
Zeiner wird sich zeitlebens an diesen Rat halten. Aber wie kann man ihn umsetzen? Dieses Geheimnis hat er nicht etwa mit ins Grab genommen, denn er wurde selbst zum Lehrer. Reitern, Richtern und allen, die es gern werden wollten, hat er vor seinem Tod 1960 seine Lebensgeschichte erzählt und sein Wissen weitergegeben. Er schrieb auch Bücher, um überleben zu können. Über die Reitkunst und die Balance hat er allerdings nichts aufgeschrieben. Kein Wort. Aber glücklicherweise gehörte Egon von Neindorff zu den Schülern, die er persönlich in die Geheimnisse der Reitkunst eingewiesen hat. „Von Neindorff war Meister der Handarbeit...“, das kann man mit Fug und Recht ebenfalls behaupten - und diese sehr besonderen Kenntnisse hat Hofbereiter a.D. Ludwig Zeiner ihm übermittelt. Der „Chef“, so nannten wir unseren Lehrer Neindorff, hat wiederum den ernsthaften Versuch gemacht, diese Geheimnisse der Reitkunst, die sehr oft die körperliche und seelische Balance des Pferdes betreffen, auf uns zu übertragen.
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