ANTON ROTZETTER
Alles auf den Kopf stellen – neue Wurzeln schlagen
Mit Franz von Assisi Schöpfung gestalten
Franziskanische Akzente
Für ein gottverbundenes und engagiertes Leben
Herausgegeben von Mirjam Schambeck sf und
Helmut Schlegel ofm
Band 10
Die Suche der Menschen nach Sinn und Glück ernst nehmen und Impulse geben für ein geistliches, schöpfungsfreundliches und sozial engagiertes Leben – das ist das Anliegen der Reihe „Franziskanische Akzente“ .
In ihr zeigen Autorinnen und Autoren, wie Leben heute gelingen kann. Auf der Basis des Evangeliums und mit Blick auf die Fragen der Gegenwart legen sie Wert auf die typisch franziskanischen Akzente:
Achtung der Menschenwürde,
Bewahrung der Schöpfung,
Reform der Kirche und
gerechte Strukturen in der Gesellschaft.
In lebensnaher und zeitgerechter Sprache geben sie auf Fragen von heute ehrliche Antworten und sprechen darin Gläubige wie Andersdenkende, Skeptiker wie Fragende an.
Anton Rotzetter
Alles auf den Kopf stellen – neue Wurzeln schlagen
Mit Franz von Assisi Schöpfung gestalten
echter
Herzlicher Dank geht an Simone Müller für die Zuarbeit bei den Korrekturen sowie an die Franziskanerinnen von Reute für die finanzielle Unterstützung.
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über ‹ http://dnb.d-nb.de› abrufbar.
1. Auflage 2016
© 2016 Echter Verlag GmbH, Würzburg
www.echter.de
Umschlag: wunderlichundweigand.de
(Foto: © Pakhnyushchy/ shutterstock.com)
Satz: Hain-Team ( www.hain-team.de)
ISBN
978-3-429-03932-5 (Print)
978-3-429-04843-3 (PDF)
978-3-429-06262-0 (ePub)
eBook-Herstellung und Auslieferung:
Brockhaus Commission, Kornwestheim
www.brocom.de
Inhalt
Vorwort
1. Der verkehrt gepflanzte Wirsingoder Von der notwendigkeit, anders zu denken
Man hat es immer so gemacht
Paradigmenwechsel
Verwurzelung in Gott
Projektionen?
Gott, der mich und das All erfüllt
Die andere Wirklichkeit
2. Gehorsamoder Von der An- und Aufrufbarkeit der Geschöpfe
Das Geschöpf – ein Subjekt
Die entscheidenden Begriffe: Gottesdienst, Gotteserkenntnis und Gehorsam
Schöpfung als Kommunikationsereignis
Der Ruf Gottes und die Kultfähigkeit
Die universale Familie Gottes
Gegenseitige Aufrufbarkeit
Missbrauch und Bewahrung
3. Eins mit der erdeoder Der geerdete Gott und die göttliche erde
Missbrauchte Schöpfung
Erdgebundenheit
„Pazifistische“ Ernährungsweise
Theologische Begründung der erdnahen Existenz
Vollzüge des wahren Menschseins
Die doppelte Ebenbildlichkeit Gottes
Die Erdnähe und Selbstenteignung Gottes als Weg der Erlösung
4. Hoffnungoder Die neuen zeichen des Himmels und der Erde
Die „unauslöschliche Prägung“ der Schöpfung
Die „digitale“ Veranschaulichung des Universums
Der Tanz der Schöpfung
Eucharistie der Tiere
Tiere segnen?
Anmerkungen
zum Weiterlesen
Abkürzungsverzeichnis
Vorwort
Meinen
franziskanischen Schwestern und Brüdern
und den Verantwortlichen
in den Kirchen und christlichen Gemeinschaften
mit der dringenden Bitte
um Gehör
Dass ökologische Perspektiven und Postulate nicht einfach zum Glauben hinzukommen, sondern ganz wesentlich zum Glauben selbst gehören, wird sich hoffentlich aus diesem Buch heraushören lassen. Eine erste Redaktion habe ich bereits lange vor der Enzyklika „Laudato si“ 1des Papstes Franziskus fertiggestellt. Diese bestätigt in vielfacher Hinsicht, was ich auf diesen Seiten darlege. Selbstverständlich musste ich an eine zweite Redaktion gehen und da und dort Bezüge zu diesem großartigen Schreiben herstellen. Ich kennzeichne solche Hinweise und Zitate mit dem Zeichen *, gefolgt von der Nummer des betreffenden Paragraphen.
Die Widmung, die ich dem Buch vorausschicke, mag etwas ungewöhnlich sein. Sie geht aber von der Erfahrung aus, dass wir uns in den franziskanischen und kirchlichen Gemeinschaften schwertun mit einer naturnahen und schöpfungstheologisch, ja franziskanisch begründeten Spiritualität. Zwar nehmen wir diesbezügliche Äußerungen gerne entgegen, wenn sie von Papst Franziskus stammen. Aber begreifen wir sie, und vor allem: Setzen wir sie konkret um?
Der Papst beklagt zum Beispiel, dass die Erde immer mehr zur „Mülldeponie“ (* 21) werde. Aber immer noch gibt es kirchliche Bildungshäuser, die Unmengen Abfall produzieren: viermal täglich papierene Tischsets, in Plastik portionierte Butter, Konfitüre, Honig, Käse … Immer noch werden bei großen Anlässen Wegwerfbesteck, Plastikteller und -becher ausgegeben. Die Klöster und kirchlichen Einrichtungen, die in Italien den Espresso in abwaschbaren Tassen servieren, sind selten. Und immer noch schenken Hilfswerke, die um Spenden nachsuchen, unbrauchbare Dinge, die den direkten Weg in den Papierkorb finden. Und wenn wir Besuche machen oder von Assisi zurückkommen, unterliegen wir dem Zwang, unnütze Mitbringsel einzupacken. Immer noch gibt es franziskanische Institutionen, ja Klöster, die mehrmals täglich Fleisch auftischen, und das jeden Tag, obwohl wir wissen, dass gerade dies einer der größten Faktoren des Klimawandels darstellt. Immer noch fliegen wir von Frankfurt oder Zürich nach Rom. Und immer noch leben wir auf zu großem Fuß – auf Kosten der Armen, der Tiere und der Schöpfung insgesamt. Erst wer handelt, hat begriffen, was Franziskus und jetzt der Papst sagen.
So hoffe ich auf eine fruchtbare Auseinandersetzung mit der päpstlichen Enzyklika und mit Intention und Inhalt dieses Buches.
Freiburg in der Schweiz,
am Fest des hl. Franz von Assisi, 4. Oktober 2015
Anton Rotzetter
1. Der verkehrt gepflanzte Wirsingoder Von der notwendigkeit, anders zu denken
„Wer den eigenen Willen durchsetzen will, den wollte Franziskus nicht zum Orden zulassen. Eines Tages kamen zwei junge Männer zu Franziskus und baten, in den Orden aufgenommen zu werden. Der selige Franziskus aber wollte prüfen, ob sie gehorsam seien und bereit, dem eigenen Willen abzuschwören. Er ging mit ihnen in den Garten und sagte: Kommt, lasst uns Wirsing pflanzen und schaut mir zu, wie ich ihn pflanze, und tut es dann ebenso. Franziskus nun pflanzte den Wirsing auf die folgende Weise. Er setzte ihn mit den Wurzeln gegen den Himmel und mit den Blättern nach unten und bedeckte diese mit Erde. Der eine Mann machte es dann genau so wie Franziskus, der andere aber nicht. Dieser sagte zu Franziskus: So werden Wirsings nicht gepflanzt, lieber Vater, sondern umgekehrt – mit den Wurzeln nach unten! Franziskus entgegnete ihm: Mein Sohn, ich will aber, dass du es so machst wie ich. Das aber wollte der junge Mann nicht, weil er der Überzeugung war, dass das falsch sei. Und so sagte Franziskus zu ihm: Bruder, ich sehe, du bist ein großer Lehrer (Magister), geh deine Wege, denn du bist nicht geeignet für meinen Orden. Den anderen aber nahm er auf, während er diesen ablehnte.“ 2
Wie können wir begreifen, was Franz von Assisi eigentlich wollte? Aufwelche Weise können wir Zugang bekommen zu der völlig anderen Weltanschauung, die hinter seiner Lebensform steht? Wie kommt es zu einer totalen Umkehr, zu einem Denken, das nicht einfach auf der Linie des Bisherigen liegt, zur Abwendung von den geltenden Wertvorstellungen Assisis, die er als „Auszug aus der Welt“ (vgl. Test 3, FQ 59) definiert? Wie also kommt es zu einem völlig neuen Ansatz auch in der Schöpfungsspiritualität?
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