Bernhard W. Rahe - Alles auf ex

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Nach erfolgreichen fetten Jahren auf der Leitungsebene einer renommierten Firma – freut sich der skrupellose leitende Angestellte, Rouven Bendt, auf eine Beförderung. Er hat ein Meeting mit dem Chef.
Der arrogante Ökonom wähnt sich im Glück, denn neue Leitungsbefugnisse, mehr Anerkennung, mehr Bargeld warten auf ihn.
Ein Leben auf der Überholspur kostet jede Menge Geld und dieses schätzt der Zeitgenosse, neben sexuellen Ausschweifungen, teuren Autos und Kurztrips in den Süden, mit ungeliebten Freundinnen.
Nach einer knappen halben Stunde steht der Mann auf der Strasse, ohne Vertragsverlängerung, ohne Job.
Für Rouven Bendt beginnt eine skurril wirkende stetige Talfahrt in das Abseits unserer modernen Gesellschaft.
Eine quälende alkoholisierte Odyssee zum Bodensatz vermeintlicher Loser und schließlich zum Ursprung seiner eigenen Person.
Man sollte das Buch schon lesen, um zu erfahren, ob der Protagonist untergeht oder wie Phönix aus der Asche steigt.
Alles auf ex – ein schonungsloser sehnsüchtiger und sinnsuchender Trip durch die großstädtische Nachtwelt – ein Exkurs in die Gehirnwindungen von Rouven Bendt.

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Bernhard W. Rahe

Alles auf ex

Der Prokurist

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Inhaltsverzeichnis Titel Bernhard W Rahe Alles auf ex Der Prokurist Dieses - фото 1

Inhaltsverzeichnis

Titel Bernhard W. Rahe Alles auf ex Der Prokurist Dieses ebook wurde erstellt bei

Die Entlassung

Auf der Straße

Im Apartment

Die Nacht

Der späte Gast

Der Unfall

Kater

Tennisfreunde

In der Agentur

Seltener Kneipengast

Autowerkstatt

Der Freund

Restaurant

Wintergedanken

Suff

Das Gespräch

Neuer Morgen

Der Traum

Das Erwachen

Das Ende – ein Anfang

Epilog

Impressum neobooks

Die Entlassung

Es war zehn Uhr fünfzehn Die Minuten krochen träge dahin die Gedanken drehten - фото 2

Es war zehn Uhr fünfzehn.

Die Minuten krochen träge dahin, die Gedanken drehten sich im Kreis. Sein Blick huschte flüchtig über die straff gespannte Bluse der Sekretärin. Dann tasteten sich seine nervös umherirrenden Augen zum Computerbildschirm, schließlich hinab zu den schlanken, leicht gebräunten Beinen, die sie vermutlich am Morgen rasiert hatte. Kein Härchen, kein weicher Flaum, glatte braune lange Beine. Seine Aufmerksamkeit glitt in die Aktenordner, und wieder hinauf zum roten Mund mit dem eingeübten Vorzimmergrinsen, welches ihm nicht privat galt, sondern nur eine Leihgabe für die Wartenden war. Die Mittdreißigerin wälzte irgendwelche Akten, wartete auf einen Ausdruck, den der eigenwillige Drucker zurückhielt und nicht ausspucken wollte. Sie schaute für einen Moment zu ihm hinüber und begann mit einem höllischen Tempo auf die Tastatur einzuhacken. Von Zeit zu Zeit klingelte das Telefon. Sie nahm ab, gab höflich Auskünfte und verleugnete mehrere Male mit Bravour den Chef, der im Nebenzimmer mit offenbar wichtigeren Dingen beschäftigt war. Ihre Stimme hatte einen rauchigen Unterton.

Der Prokurist griff in die linke Jackettasche und zog seinen altmodischen aber geliebten Moleskine Planer hervor. Er schlug die Seite des 27. Oktober auf. Dort erinnerte ein roter Punkt an den Termin, der durch die lähmende Warterei schon fast keiner mehr war. Genau um zehn Uhr am heutigen Tage würde sein Arbeitsvertrag ablaufen, das wusste er. Im Oktober vor vier Jahren hatte seine vertraglich fixierte Karriere in diesem Unternehmen begonnen. Zuvor hatte er es bei der Konkurrenz geschafft, den Verkauf um 7,4 Prozent zu steigern, und das war für einen mittelgroßen Betrieb sicher keine Kleinigkeit. Dann kam das Angebot von seinem jetzigen Chef, bei ihm in der Firma einzusteigen. Es fing schließlich traumhaft an. Verkaufssteigerungen und beste Bilanzen – Gehaltserhöhungen, Einladungen, neue wichtige Kontakte, bedingte Entscheidungsgewalt und schließlich Prokura.

Nun saß er hier in diesem Büro, kam sich vor wie ein Mitarbeiter aus der Produktion, den man beim Klauen erwischt hatte. Er wartete, wurde immer unruhiger, schwitzte sich in diesen Minuten sein Selbstvertrauen aus den Knochen. Das schien wohl die Taktik in dieser Seelensauna zu sein, derer sich ein Chef bediente, wenn er in den psychologisch orientierten Seminaren für Mitarbeiter und Menschenführung aufgepasst hatte.

Das Tastaturengeklapper und die Verleumdungen hörten endlich auf. Die Dame am Schreibtisch drehte sich schwungvoll zu ihm herüber. Sie sah aus wie ein Model aus einer Modezeitschrift.

"Also, es tut mir wirklich leid, dass der Chef Sie so lange warten lässt; aber er hat mir aufgetragen, jeden warten zu lassen, auch wenn es einer der Auftraggeber sei."

Der Prokurist sagte nichts, erhob sich, schaute irritiert auf seine Rolex GMT Master II mit Edelstahlgehäuse. Es war zehn Uhr dreißig. Darüber konnte selbst der hohe Preis dieses Zeitmessers nicht hinwegtäuschen. Die Zeit ging ihren Gang und war kostbarer als die Uhr. Von Minute zu Minute wurde ihm unbehaglicher; er war es nicht gewohnt, auf der "Wartebank" zu sitzen.

"Bitte, läuten Sie doch mal kurz durch, vielleicht hat der Chef den Termin mit mir vergessen."

"Das ist nicht möglich, ich selbst habe ihn noch an diesem Morgen daran erinnert. Er hat sehr wichtige Geschäfte zu erledigen; gedulden Sie sich bitte noch ein paar Minuten, er wird sicher gleich für Sie da sein."

Der Prokurist erwiderte nichts auf diese Worte, die im Grunde genommen nur vorgefertigte Redewendungen und alltägliche Phrasen der Beruhigung waren. Auch er selbst handelte dauernd mit diesen tröstenden, charakterlosen und barmherzigen Lügen. Alles nur Worte. Er schaute sich ein wenig im Vorzimmer des Chefs um. Die ganze Einrichtung, die Büromöbel waren funktional und in lässigem Schwarz, Weiß und Grau gehalten. An einer Wand hing ein Druck von Andy Warhol, die schöne Marilyn mit ihren gebleichten Haaren, Wasserstoffsuperoxyd. Ihre tiefe Schwermut verbergend, diese nur für Insider erkennbar.

Die Sekretärin war die linke Hand des Chefs, sie verbrachte hier zwischen neun und zehn Stunden am Tag und passte in diese synthetische Bürolandschaft. Schlank, emanzipiert – ein wenig unreflektiert, die Motorik eher in Abendkursen angeeignet – resolut, modisch gekleidet und geschminkt. Sie erinnerte ihn an eine Figur aus Bronze. Sie musste einen eigenen Maskenbildner haben, dachte er. Sicher war sie keine Mutter von drei oder gar vier Kindern, die am Abend auch noch im Dunst von Kohl und Braten, eingepfercht in ihrer kleinen Mietwohnung, schuftete, um ihren lebenshungrigen Ehemann mit kulinarischen Genüssen vollzustopfen. Damit er ruhiger, träge und fett wurde und ja nicht fremdging. Liebe geht schließlich durch den Magen. Sie aber gehörte zu jenen Damen, die gern einmal ein oder zwei Überstunden machten, um dann später mit dem Chef zusammen – mit halb geöffneter Bluse und seitenverkehrt angezogenem Slip – die Büroetage verließen. Wie dem auch sei, es ging ihn, den Prokuristen, nichts an, schließlich hatte jeder ein Recht auf die kleinen Freuden des Lebens. Er trat an das Fenster heran, schaute verträumt und abwesend in den Himmel, der völlig klar war, klarer als die Gedanken, die ihm im Kopf herumgingen. Unter dem Himmel waren die vielen Dächer der Häuser zu sehen. Immerhin befand er sich in der achtzehnten Etage eines architektonisch nicht unspektakulären Bürokomplexes. Von dort aus schaute er in den fortgeschrittenen Morgen hinein. Einer jener Morgen in der Stadt, ein alltäglicher Großstadtmorgen, den keiner der emsigen Ameisen wirklich zur Kenntnis nahm. Wer Glück hatte, war in einem Arbeitsprozess eingebunden und noch behaglicher konnte sich jener schätzen, dessen lebenserhaltende Verdrängungsmechanismen reibungslos und ohne Verwerfungen funktionierten.

Endlich öffnete sich die schalldichte, mit dickem Leder verkleidete Tür des Chefzimmers. Der Boss persönlich trat heraus. Ein kleiner, untersetzter Mann, so um die fünfzig, mit grauen Schläfen, dünnem Haupthaar und schuppiger Haut auf der Glatze. Ein Typ wie Danny DeVito. Sein Anzug war maßgeschneidert, sicher aus zwei Gründen: einmal aus Statusgründen und zum Zweiten wegen der unförmigen, vom Wohlstand gebrandmarkten Figur, die er nur unzulänglich verbergen konnte. Die Erscheinung des Chefs war absurd.

Der Prokurist dagegen war schlank, sportlich, jung, leistungsfähig, Tennis spielend und innerhalb von einigen wenigen verlogenen Minuten auf die Straße gesetzt, zum Arbeitslosen degradiert – und Punkt. Noch wusste er es nicht, nein, er ging eher einer weiteren Vertragsverlängerung entgegen. Wähnte sich im Glück. Vielleicht ein wenig entnervt von den endlos langen Minuten des Wartens, aber die Gehaltserhöhung würde dieses momentane Gefühl schnell verwischen und Geschichte werden. So war es ihm bislang immer in seinem erfreulichen Leben ergangen. Viel Arbeit, eine gehörige Portion Gespür und obendrauf das Glück eines vom Geschäftsleben entfremdeten Hans Dampf in allen Gassen . Mit sechs Tausendern im Monat konnte man viel Stress und Verantwortung kompensieren.

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