Sergio Vesely - Mit Möwenzungen in der Mehrzweckhalle

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Mit Möwenzungen in der Mehrzweckhalle: краткое содержание, описание и аннотация

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Zwei Künstler, zwei Kontinente und über 40 Jahre gemeinsame Kultur- und Menschenrechtsarbeit: Der Erzählband Mit Möwenzungen in der Mehrzweckhalle gibt einen Einblick in die Lebensgeschichten der Autoren Urs M. Fiechtner und Sergio Vesely, der zugleich ein Einblick in die deutsch-chilenische Zeitgeschichte ist. Fiechtner und Vesely sind in Chile aufgewachsen und seit Jahrzehnten als Künstler in Deutschland aktiv. Sie beleuchten mit Witz und Humor Aspekte des deutschen Kulturbetriebs. Ergänzt wird der vorliegende Band durch einen Beitrag von Dr. Cornelia Gräbner (University of Lancaster) über die von Fiechtner und Vesely geschaffene Kunstform der Konzertlesung.

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Immerhin, wir besaßen ein Auto und konnten in den Ferien ans Meer fahren. Ein Luxus! Einen Arzt konnten wir uns leisten, wenn es nötig war, was auch eine Art von Luxus ist, weil man bei uns aus Mangel an Alternativen lieber stirbt, als sich die Kosten für medizinische Versorgung aufzuhalsen. Ein toter Kranker ist beides auf einen Schlag los: die Krankheit und den teuren Arzt. Wir konnten uns die Verschwendung leisten, lieber gesund zu werden, als zu sterben. Mein Bruder und ich konnten eine der besten Schulen des Landes besuchen und hatten gute Aussichten auf einen Platz an der Universität.

Das war der große Traum unserer Mutter: Ihre Kinder sollten es besser haben als sie, ihre Kinder sollten eine gute Ausbildung haben wie der Vater und „jemand sein“, ihre Kinder sollten mit einem Startkapital schwimmen lernen und unversehrt durch die Tücken des Lebens kommen, am besten mit einem akademischen Titel — denn nur mit einem Titel war man ein Jemand in unserer rauen Welt. Sie wollte uns mitgeben, was man ihr einst nicht mitgeben konnte.

Aber der Traum ließ sich nur zu Hälfte realisieren. Mein älterer Bruder erfüllte reibungslos alle Erwartungen und wurde Ingenieur in Rekordzeit. Aber ich, das Nesthäkchen, kam auf ganz andere Ideen. Meine Mutter konnte nie verstehen, warum ich die Dinge anders sah, der Universität den Rücken kehrte und mich einer halblegalen revolutionären Gruppe anschloss, die von mir verlangte, mein Zuhause zu verlassen und in eine konspirative Wohnung umzuziehen.

Im Gegensatz zu ihr kannte ich die soziale Ungerechtigkeit in unserem Land nur aus Büchern — und, versteht sich, wie alle anderen Chilenen meiner sozialen Schicht, als scheinbar unbeteiligter Beobachter. Überall wo wir gingen und standen, kamen barfüßige Kinder und bettelten um ein Brot. Ich fühlte mich schlecht dabei und habe mich nie damit abfinden können. Meine Mutter konnte es.

Als ich begann, mich für die politischen Probleme meines Landes zu interessieren, wählte ich als meine Vorbilder nicht sanfte Wohltäter wie Albert Schweitzer oder Mutter Teresa und schon gar nicht irgendwelche ruhmbedeckten Nationalhelden aus der Oberschicht, sondern konsequente Revolutionäre wie Ernesto „Che“ Guevara oder Fidel Castro, die den Aufstand der Entrechteten proklamierten und die Eroberung einer besseren Zukunft für alle. Ich interessierte mich nicht für die Frage, ob es mir gelingen würde, ein paar Sprossen auf der sozialen Leiter emporzusteigen — ich wollte die soziale Leiter umstoßen.

Meiner Mutter war dieser Gedanke fremd. Sie hatte gelernt, dass die sozialen Verhältnisse eine von Gott gewollte Tatsache sind. Gottgewollte Verhältnisse kann man nicht ändern, aber man kann lernen, sich in ihnen zu bewegen und seinen Vorteil zu suchen. Ich hingegen fand, dass die Verhältnisse eine von Menschen angerichtete Schweinerei waren und dass sich niemals etwas ändern würde, wenn jeder nur seinen eigenen Vorteil suchte.

Wir begannen, verschiedene Sprachen zu sprechen. Wenn meine Mutter „Zukunft“ sagte, meinte sie damit die Zukunft unserer Familie, das Auskommen der Kinder und Enkel, das Häuschen, das tägliche Brot; wenn ich dasselbe Wort benutzte, meinte ich damit eine andere Gesellschaftsordnung, ein besseres Dasein für alle Familien im ganzen Land.

Wenn Sie von „Gerechtigkeit“ sprach, hatte das immer mit Belohnung oder Strafe zu tun und meinte, soweit es über ihren Wirkungskreis hinausging, meist jene Dinge, die der liebe Gott nach eigenem Ermessen entweder heute und hier oder einst und im Jenseits regeln würde. Hingegen dachte ich bei diesem Wort an einen Rechtsstaat, in dem alle Menschen vor dem Gesetz gleich waren und an eine faire Chance für alle, ein friedliches, geschütztes und menschenwürdiges Leben zu führen.

Unter „Fortschritt“ verstand meine Mutter ein neues Auto, einen besseren Fernseher, den Flug zum Mond, ein erstaunliches Gerät in der Praxis ihres Arztes. Ich verstand darunter, an die Stelle des alten Faustrechts des Stärkeren eine solidarische Gesellschaftsordnung zu setzen, in der die Menschen sich gegenseitig stützen. Und wenn sie das Wort „Leben“ in den Mund nahm, meinte sie damit meist die Anstrengung, die eigenen Schäfchen ins Trockene zu bringen, sich für die nächste Generation der Familie zu schinden und mit den privaten Mühsalen und Anfeindungen des Tages fertig zu werden.

Ich aber meinte mit „Leben“ das ganze Leben, meines und das aller Bewohner unseres verwirrten Planeten, ich meinte die Freiheit, unser Dasein so zu gestalten wie wir es für richtig halten und nicht, wie es andere zu ihrem Vorteil uns vorschreiben wollen. Und ich fand dass wir nichts vernünftigeres tun können, als es erstens in vollen Zügen zu genießen und es zweitens in einem besseren Zustand zu verlassen, als wir es vorgefunden haben.

Kurzum — die Wörter unserer gemeinsamen Sprache waren einander so fremd geworden, als stammten sie aus den Lexika verschiedener Völker. Ich war schon ein Ausländer, bevor ich mein Land verließ.

Als ich wegen meiner Mitarbeit im Widerstand gegen die Militärdiktatur verhaftet und nach einem langen Weg durch Gefängnisse, Konzentrationslager und Verhörzentren von einem Militärtribunal förmlich zur Verbannung verurteilt und damit zur Ausreise nach Deutschland gezwungen wurde, muss das für meine Mutter ein furchtbarer Schock gewesen sein. Ein mehrfacher. Erst die Angst um mein physisches Überleben; die Garde der Generäle ging gern über Leichen und war auch noch stolz darauf. Dann die Angst um meine Zukunft. Der Sohn wurde abgeschoben in ein fernes, fremdes Land, einfach so — und das auch noch ohne akademischen Titel. Vor ihrem inneren Auge muss sie mich damals erst tot und dann als einen in Lumpen gehüllten Bettler auf den Straßen eines fernen Landes gesehen haben.

Damals war ich zu sehr mit mir selbst beschäftigt, um darüber nachzudenken. Heute weiß ich, dass es sie vielleicht getröstet hätte, zu wissen, dass ich trotz aller Sprachprobleme unzweifelhaft ihr Sohn bin und folglich einige ihrer Gene mit mir herumtrage. Ihre Zähigkeit. Ihren Stolz. Ich bin zwar kein Schwan und bin auch keinem Architekten begegnet, den ich heiraten würde, aber ich kann auch ganz gut wieder aufstehen, wenn ich auf der Nase liege.

In Deutschland kam ich gewissermaßen auf der Nase liegend an, aber ich richtete mich ganz schnell auf, weil ich sie zum Schnuppern brauchte. Die fremde Kultur, die andere Sprache, die Demokratie, die solidarische Gesellschaftsordnung, der freie Zugang zu Bildung und Information, die an die Menschenrechte angelehnte Verfassung, das ganz und gar exotische Gebaren der Ureinwohner — all das erregte meine Neugier und meinen Wunsch, dazuzulernen. Übrigens so sehr, dass ich Jahre später selbst ein Deutscher wurde, jedenfalls dem Pass nach. Ich hatte viele Gründe dafür. Einer davon war, dass ich zum ersten Mal in meinem Leben an einer allgemeinen, freien und geheimen Wahl teilnehmen wollte.

Dass ich nicht lange mit der Nase auf dem Boden schrammen musste, lag aber auch daran, dass mich die Deutschen sehr freundlich aufgenommen haben. Manche sogar neugierig. Ich durfte Bücher schreiben und Platten aufnehmen und die Deutschen waren höflich genug, sich damit zu beschäftigen. In den Augen meiner Mutter war ich damit noch längst kein Jemand, denn ich konnte mir kein Diplom und keinen Meisterbrief an die Wand hängen, die mich amtlich als Dipl. Schriftsteller und als Dr. Musikmeister ausgewiesen hätten, aber ich war auch kein Kandidat für jenen Fall in den Abgrund, der ihr immer vor Augen gestanden hatte.

Trotzdem brauchen wir einen Dolmetscher, um uns wieder gut zu verstehen. Er stand eines Tages in der Tür, machte eine nonchalante Verbeugung und stellte sich als Tango vor.

Ich Trottel hätte früher darauf kommen sollen, dass die Musik neue Sprachen schafft und Brücken zwischen den alten Sprachen baut, schließlich sieht man mich selten ohne eine Gitarre. Aber andererseits kommen Söhne, die über ihre Mütter nachdenken, nicht unbedingt als Erstes auf den Tango.

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