Ich kann wirklich vom Glück sprechen, mich nicht auf einem Küstenfahrer eingeschifft zu haben, der vor drei Tagen von hier nach Brava absegelte. Die Heftigkeit des Windes verhinderte mich an Bord zu gehen, wie ich es beabsichtigte. Fünf oder sechs Stunden später scheiterte das Schiff auf den Felsen der östlichen Küste von St. Vincent und nur mit Mühe rettete die Schiffsmannschaft das Leben.
Und weiter aus der Bonplandia vom 15. April 1853: Als letzthin Bolle das traurige Bild der Fieberverheerungen entwarf, welches sich ihm bei seiner Ankunft auf den Cap Verdischen Inseln darstellte, glaubte er wol nicht, wie bald auch er dieses schreckliche Loos theilen würde. Laut seinem letzten Briefe von der Insel Brava vom 24. Januar war er wol jeglicher Gefahr glücklich entronnen; aber die Folgen der Krankheit dauern leider, besonders wenn keine Veränderung des Klima eintritt, lange fort. „Seit 4 Wochen“ sagt er, „schreitet meine Genesung kaum merklich vor. Eine außerordentliche Schwäche lähmt jede meiner Bewegungen. Auf einen Stock gestützt, einem Greise gleich, schleppe ich mich mühsam daher; ein viertelstündiger Spaziergang ist für mich ein weiter und mühevoller Ausflug.“ Er will jedoch noch einige Wochen abwarten und dann erst, wenn ihm seine zu langsame Genesung nicht gestatten sollte, der Wissenschaft, der auch er beinahe als Opfer fiel, weitere Dienste zu leisten, nach Europa zurückkehren.
Bonplandia vom 15. April 1853 ; Paris, 2. April 1853. Ein folgender Brief von Dr. Bolle von St. Vincent (Cap Verd) vom 12. März lässt uns seine glückliche Rückkehr daselbst wissen. Seine Genesung schreitet ihren langsamen, jedoch sichern Gang vor. In dem milden und reinen Klima der canarischen Inseln hofft er seine Gesundheit vollkommen herzustellen und dann nach Europa zurückzukehren. Eine neue Sendung Cap Verdischer Pflanzen ist wohlbehalten in Paris angelangt.
Bonplandia, 1. Juni 1853 ; Paris, 21. Mai 1853. Von Dr. Bolle, der leider seine Rückreise nach Europa hat antreten müssen, werden Sie nun wol in Hannover nähere Nachrichten haben, als wir in Paris. Von London schrieb er den 22. April, dass er hoffe, in 3 oder 4 Tagen in Berlin zu sein, und dass seine Gesundheit so ziemlich hergestellt sei.
Bonplandia, 15. Juni 1853 . Hr. Dr. Bolle von Berlin wird auf nächstens in Paris erwartet, um seine Cap-Verdischen Sammlungen zu bearbeiten.
Bonplandia, 1. August 1853 . Der vor kurzer Zeit von dem Cap Verden zurückgekehrte Dr. C. Bolle geht Mitte Juli über Halle, Leipzig und Heidelberg nach Paris, um seine dorthin gesandte Ausbeute mit Webb gemeinschaftlich zu ordnen, was, wie er hofft, in zwei Monaten abgethan sein wird.
Bonplandia, 15. August. Die Herren Dr. Bolle aus Berlin und Dr. Giurao aus Murcien befinden sich in Paris.
Bonplandia, 15. Dezember . Herr Dr. Bolle ist von Paris zurückgekehrt und hofft im Verlaufe des Winters das Verzeichniss der von ihm auf den Cap Verdischen Inseln gesammelten Pflanzen zu publiciren.
Die Bonplandia vom 1. Dezember 1854 veröffentlicht Bolles Die Palmen auf den canarischen Inseln .
Aus dem Frühjahr und Sommer 1854 gibt es Nachrichten von Bolle aus Teneriffa und vom Mai auch aus Lobos.
Am 31. August 1854 stirbt in Paris sein Freund und Kollege Philip Barker Webb. In der Leopoldina – am 15. Oktober 1855 wurde Carl Bolle in die Kaiserlich Leopoldinisch-Carolinische Deutsche Akademie der Naturwissenschaftler aufgenommen – trägt Bolle seinen Namen als Beinamen. Barker Webb vermachte sein Herbarium dem Großherzog von Toscana testamentarisch und Prof. Parlatore packte die Sammlung ein.
Bonplandia, 15. Januar 1855 . Prof. Parlatore gedenkt Webb’s durch den Tod unterbrochenes Werk Synopsis fl. Canar . fortzusetzen und zu vollenden. Er hat Dr. Bolle in Berlin deswegen gebeten, seine Sammlungen canarischer Pflanzen, die sich in Webb’s Hause befinden, für’s Erste behalten und mit nach Italien nehmen zu dürfen, wozu ihm auch Dr. Bolle bereitwillig seine Zustimmung ausgedrückt hat.
Ob Bolle im Jahre 1855 auf den Kanarischen oder Kapverischen Inseln war, konnte ich nicht feststellen. Erst ab Februar 1856 gibt es Nachrichten aus Madeira und danach aus Teneriffa, Gran Canaria und Gomera. Später veröffentlicht die Bonplandia solche persönlichen Einzelheiten nicht mehr.
Bonplandia, 15. März 1856 . Am 1. Febr. verließ Dr. Bolle England, um sich nach Teneriffa zu begeben; das Schiff, auf dem er sich befand, bekam jedoch einen starken Leck und war genöthigt, wieder nach Plymouth zurückzukehren. Die Pumpen waren 5 Tage beständig in Bewegung; glücklicher Weise war das Wetter gut, sonst wäre das Schiff höchst wahrscheinlich untergegangen.
Bonplandia, 1. Mai 1856 ; London, 17. April. Einem Privatbriefe Carl Bolle’s an Berthold Seemann, datiert St. Cruz de Tenerife, den 15. März 1856, entnehmen wir folgende Stellen:
Meine Reise hieher, nachdem wir England endlich definitiv verlassen, ist eben so schnell als glücklich von Statten gegangen. Ein frischer Nordostwind, mit kurzen Ausnahmen ununterbrochen wehend, trieb uns mit vollen Segeln Madeira zu, welches wir nach einer Fahrt von 6 Tagen erreichten, und wo in heiterer Gesellschaft ein höchst iteressanter Rasttag gemacht wurde. Das reizende Funchal hat sich ja auch wol Deinem Gedächtnisse unverlöschlich eingeprägt. Du kennst die wilden, lustigen Ritte zwischen den hohen Mauern, die die Palme überragt und die Rosenguirlanden krönen, die stiergezogenen Schlitten, die seltsamen Mützen, die Landhäuser und Drachenbäume, den südlich-blauen Himmel, das blaue Meer, kurz alle die Vorzüge und Seltsamkeiten, welche die einst den Gottheiten des Weins geweihte Insel so verführerisch erscheinen lassen. Jetzt herrscht leider großes Elend unter den Einwohnern. Seit 4 – 5 Jahren hat es keine Weinlese gegeben; nicht nur die Trauben verdarben, nein, an vielen Orten starben sogar die Stöcke bis zur Wurzel. Cochenille und Zuckerrohr, die man jetzt vorzugsweise baut, liefern für den Verlust der Reben nur einen unvollkommenen Ersatz; doch gab das frische Frühlingsgrün der Rohrplantagen der Landschaft schon von Weitem einen überaus heitern Anstrich. Es wird kein Zucker bereitet, nur Branntwein aus der Caña gewonnen. Die Noth lehrt nicht nur beten; auch arbeiten. So suchen denn die Madeirenser durch Betriebsamkeit zu ersetzen, was die sonst so gütige Natur ihnen jetzt stiefmütterlich versagt. Sie bieten dem Fremden tausend kleine Arbeiten zum Verkauf an: Körbchen, aus Rohr geflochtene Stühle und Vogelbauer, Kästchen aus einheimischen Lorbeerholze, Schnitzwerk, gemachte Blumen, – ja sogar, – um auch die Botanik nicht leer ausgehen zu lassen, kleine Farrn-Herbarien, in denen die Filicin-Flora des Eilands ziemlich vollständig repräsentirt ist. – Bald ging es weiter; der nicht zu versäumende Kanonenschuss rief uns an Bord des „Retrievers“ zurück, nachdem ich vergeblich das Meinige gethan, mir an Bananen – deren erste ich einst hier genossen – eine Indigestion zuzuziehen. Nach 36 Stunden Wellengeschaukel, bei dem man in enger Koje die Theorie der Pendelschwingungen an sich selbst studiren konnte und die Gipfel der Canaren brachen durch Regen und Wolken. Vergessen war die Seekrankheit, vergessen war due „Biscay’s sleeples bay“ und alle kleinen und großen Leiden der Überfahrt. Noch ein Händedruck den freundlichen Gefährten, mit denen ich in Plymouth 14 vergnügte Tage verlebte – und ein Boot trug mich an’s Land; ich sprang die Treppe des Molo hinauf, „Buenos dias Dr. D. Carlos!“ riefen ein paar bekannte Stimmem; das Ziel meiner Reise war erreicht.
Dieser Winter ist für die Canarischen Inseln ein ungemein rauher gewesen; noch in den letzten 14 Tagen, den ersten meines hiesigen Aufenthalts, ist der Regen oft in Strömen geflossen. Dies und die im Gebirge rollenden Steine haben bis jetzt jede weitere Ausflucht unmöglich gemacht. Mein alter, verehrter Freund Berthelot (1848 kunsularischer Vertreter, 1867 – 1874 Konsul für Frankreich) hat mit gewohnter Liebenswürdigkeit alles Mögliche gethan, mir den Aufenthalt hieselbst angenehm zu machen. Ich bewohne in einer spanischen Fonda ein großes, sehr einfaches Zimmer, das schon anfängt sich mit botanischen und anderen Trophäen zu decorien, sporne mein Maulthier durch die Barrancos und erleichtere mein Herz durch kräftige Caramba’s, wenn einmal der Puchero zu Mittag weniger gut gekocht auf den Tisch erscheint oder der catalonische Wein allzu sauer schmeckt. Denn auch hier sind seit 3 Jahren die Trauben gänzlich missrathen und man trinkt fremde Sorten auf canarischen Boden, der bereits Shakespeare in Hinsicht auf den Wein ein classischer war.
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