Steinhühner, Wachteln, Becassinen, Trappen, Lerchen, „deren Fleisch nicht minder wohlschmeckend und dieselbe, obwohl kleiner, doch nicht weniger fett, als unsere besten Leipziger Lerchen. Hinsichtlich des Genießens kleiner Vögel sind jedoch die Islennos zum Vorteil der Individuenzahl jener, aber zu großem Nachteile ihres Küchenzettels, das wahre Gegenteil der Bewohner Italiens“.
Die vogelfleischfreundlichen Islennos nutzten die Padelas – Seemöwen – „indem man die sehr feilen Jungen durch Frettchen aus den Erdlöchern, in denen sie ausgebrütet wurden, hervorholen lässt und sie fassweise einsalzt, eine in jenem Lande sehr beliebte, obwohl etwas fischig schmeckende und fast allzu fette Speise. Die Salvajes, zwischen Madera und den Canaren gelegen, sollen jährlich 30 000 Stück liefern“.
Und Bolle reiste weiter. Vom Dezember 1851 und März 1852 findet man Angaben in seinen Bemerkungen zu Teneriffa, dann auch zu Fuerteventura, Lobos und Palma. Im November 1852 ist er auf den Capverden.
Die Zeitschrift Bonplandia berichtet am 1. Februar 1853: Den letzten eingelaufenen Nachrichten zufolge ist Dr. Bolle nach einem mehrmonatlichen Aufenthalte auf den canarischen Inseln nach den Cap Verden zurückgekehrt und befand sich, seinem letzten Briefe zufolge, auf St. Vincent. Die auf seiner früheren Reise auf den Cap Verden, so wie die von ihm auf den canarischen Inseln gesammelten Pflanzen sind wohlbehalten in Paris angelangt.
In der 1. April-Nummer bringt die Bonplandia diesen letzten Brief aus St. Vincent.
St. Vincent, 1. Nov. 1852. (Auszug aus einem Briefe des Dr. C. Bolle an H. Webb.)
Eine weiße bewegliche Sandfläche, auf welcher sich elende, baufällige Häuser, Hütten gleichend, aneinander reihen, deren schwarze und in Lumpen gehüllte Bevölkerung krank oder kaum vom Fieber genesen auf Stöcke gestützt sich mühsam fortschleppen, deren bleiche Gesichter und erloschenen Augen nur zu deutlich das Übel bezeichnen, an dem sie leiden; ein Boden, bald durch Regenströme überschwemmt, bald durch tropische Sonnenhitze ausgedörrt; eine mit Miasmen geschwängerte Luft, deren Einathmen nur mit Misstrauen und Besorgnis geschieht; ein Hafen, einer der schönsten des atlantischen Oceans; Matrosen; hie und da auf nahe dem Seegestade liegenden Hügeln große Heerden egyptischer Habichte; Tamarisken-Büsche; im Hintergrunde endlich Gebirge, die das Ganze begrenzen. Hiernach mögen Sie sich ein Bild der Insel St. Vincent vorstellen, auf welcher mein Aufenthalt nun wieder einige Wochen sein wird. Am 23. October kam ich hieselbst nach einer viertägigen glücklichen Überfahrt von Teneriffa an. Melancholisch und trübe waren meine ersten Empfindungen bei diesem zweiten Landen auf St. Vincent. Es ist dieser Inselgruppe eigenthümlich, dass die Einbildungskraft sie sich unter angenehmem Farben vorstellt, als die Wirklichkeit sie darbietet. Dieses Mal jedoch fand ich sie beim ersten Anblicke einladender, als bei meiner ersten Reise. Ein zarter grüner Teppich schien sich von den Hügeln bis zum Strande hinabzuziehen, und in den Thälern ließen sich an ihrem dunklen Grün Gruppen von baumartigen Euphorbiaceen erkennen. Ein Freudenschrei erhob sich unter den Reisenden des Dampfbootes: Que bonito! Que pintoresco! Aber wie bald änderte sich die Scene. Wir waren eben gelandet, als es sich ergab, dass sich nicht einmal eine hinreichende Anzahl tauglicher Arme vorfand, um das Dampfboot mit dem nöthigen Steinkohlen-Vorrathe zu versehen; so sehr hatte das Fieber gewüthet und wüthete noch fort. – Herr Rendall, der englische Consul, war abwesend; er hatte mit Frau und Kindeskindern auf Madera eine gewissere und schnellere Genesung gesucht. Von seinen beiden Söhnen, die mich mit ausgezeichneter Güte aufnahmen und seitdem immer als alten Freund und Unglücksgefährten betrachteten, fand ich den einen vom Fieber so abgezehrt, dass ich ihn kaum wieder erkannte, der andere war wirklich noch fieberkrank. Von ihm erfuhr ich, dass seit meiner Abreise die Krankheit wahrhaft epidemisch geworden, schrecklich unter der Bevölkerung gewüthet habe und erst seit Kurzem im Abnehmen sei. Von einer nicht sehr starken Bevölkerung, die schwebende der Handelsschiffe mit eingeschlossen, starben an 600 Personen in diesem unheilvollen Jahre. Bald getraute ich mich nicht mehr nach Freunden und Bekannten zu fragen; denn stets hieß es: todt, oder am sterben. – Die Unterhaltungen, die sich nur auf solch traurige Gegenstände, als Krankheit, Sterbefälle und Begräbnisse beschränkten, haben meine Anfangs sehr reizbaren Nerven jetzt abgehärtet; ich fühle mich jedoch immer traurig gestimmt, wenn ich auf meinen botanischen Wanderungen diese ausgestorbenen Hütten erblicke, deren ganze Familien das Fieber weggerafft, und die nun traurig und verödet, dem Verfalle nahe, dastehen. – Meine Lage hier ist unsicher und gefahrvoll; glauben Sie jedoch nicht, dass ich als Feigling zittere und verzage, und seien Sie in dieser Hinsicht meinetwegen ohne Sorgen. Meine gute Gesundheit soll Sie über mein Schicksal und den Erfolg meiner Unternehmungen beruhigen, und ich glaube, die Organisation meines Körpers ist besonders dazu geeignet, den bösartigen Einflüssen dieses Klima’s Trotz zu bieten. Ich werde keine Gelegenheit entschlüpfen lassen, Ihnen Nachrichten von meinen Wanderungen und deren Erfolg zukommen zu lassen; da aber mehrere der Inseln, die ich zu durchforschen gedenke, nur seltenen Verkehr unter sich und mit Europa haben, so möge Sie ein vielleicht etwas langes Stillschweigen keineswegs beunruhigen.
Nach langem Suchen habe ich endlich eine anständige Wohnung beim Consul der Vereinigten Staaten gefunden. Ich habe daselbst ein kleines Schlafzimmer mit einem guten Bett und den Genuss eines großen, allen Bewohnern des Hauses gemeinschaftlichen Salons, der mir zum Trocknen der Pflanzen äußerst wichtig und bequem ist. So sehe ich mich also nicht mehr gezwungen, um einen eben so hohen Preis eine jener afrikanischen Hütten zu bewohnen, deren Besitzer vor Kurzem dem Fieber erlegen sind. Was das Leben anbelangt, das ich so wie fast ohne Ausnahme Jedermann hier führt, so gleicht dies ziemlich dem eines „Backwoodsman“, wohlverstanden ohne „Woods“. Die dienstfähigen Leute, die Knaben sogar, sind, in Folge der zahlreichen Sterbefälle so selten und zu den Haus- und Feldarbeiten so unentbehrlich geworden, dass ich auf einen Führer gänzlich verzichten muss. Leicht geschürzt, wie das Klima es gestattet, mache ich also allein meine Ausflüge ins Innere der Insel, zwei oder drei Orangen als Vorrath in der Tasche.
Die Vegetation ist in gutem Zustande und verspricht eine ziemlich ergiebige Erndte; auf der Küste ist sie jedoch, da es im September wenig regnete, etwas spärlich. Die jetzt täglich herunterströmenden Regengüsse aber, die mich manchmal in meinen Ausflügen hemmen, werden das Verspätete nachholen. Ich habe letzthin den Monte Verde besucht, welcher mir nichts Neues darbot; ein anderer entfernterer Berg, der Maderal, scheint bis daher den Nachforschungen der Botaniker entgangen zu sein, obschon er durch seine Höhe, seinen Überfluss an Wasser und seine isolirte Lage die Aufmerksamkeit hätte auf sich ziehen sollen. Ich verspreche mir viel Gutes und Schönes von ihm. Ich bin erst bis zu seinem Fuße vorgedrungen, wo kleine von Sykamoren beschattete und gut bewässerte Schluchten, reizende und pflanzenreiche Landschaften sich darbieten. Der ihn umgebenden Ebene verdanke ich eine mir unbekannte kleine Composite (Habitus einer Conyza oder Solidago) und eine andere mir völlig unbekannte, vielleicht neue Pflanze. Morgen gedenke ich den Maderal zu ersteigen.
Ich werde vermuthlich nur bis zum 10. November auf St. Vincent bleiben. Ein kleines portugiesisches Kriegsschiff soll an besagtem Tage von daselbst nach Brava abgehen und auf Sal und Boavista anlegen. Brava und Fugo sind zwei sehr nahe gelegene Inseln. Das Klima von Santiago ist berüchtigt, während der einen Hälfte des Jahres eben so tödtlich zu sein, als das von Angola oder Sierra Leone. Ich gedenke Ende Dezember, also in der gesundesten Jahreszeit, dahin abzureisen.
Читать дальше