»Wie Ken Börder selbst auch«, stellte Patrick fest.
»So könnte man es sagen«, bestätige Lars.
»Was ist über Komplizen von Ken Börder bekannt, oder war er Einzeltäter?«, fragte Thomas.
»Ganz und gar nicht«, sagte Lars. »Es gibt eine ganze Liste von Komplizen.«
»Hast du Namen?«
»Selbstverständlich! Söhnke Robrak, 43 Jahre alt, Thomas Abichner, 39 Jahre alt, Winfried Stollenbach, 57 Jahre alt, Ingo Bayer, 26 Jahre alt und Rainer Eckermann, 36 Jahre alt.«
»Und, sind das nur Namen oder hast du auch Hintergründe?«, fragte Thomas.
»Ein paar Hintergründe, aber nichts Detailliertes«, erklärte Lars. »Dazu müsstet ihr mir mehr Zeit geben.«
»Gut, lass trotzdem hören was du über die anderen Jungs weißt.«
»Kein Problem. Söhnke Robrak ist zwischen 2003 und 2009 mehrfach zusammen mit Ken Börder polizeilich aufgefallen. Er wurde mit unserem Kenny für den versuchten schweren Einbruch verurteilt. Ihm wurde allerdings eine zwölfmonatige Haftstrafe aufgebrummt, weil er eindeutig der Haupttäter war. Der Mann ist allerdings nach 2009, nach Verbüßen der Haftstrafe nicht mehr aktenkundig geworden.«
»Was macht dieser Robrak heute?«, fragte Patrick.
»Keine Ahnung«, musste Lars einräumen. »Ich habe nur die polizeilichen Unterlagen gesichtet und da herrschte bei Söhnke Robrak nach 2009 Funkstille.«
»2009«, wiederholte Thomas. »Dann scheidet der Mann für unseren aktuellen Fall wohl eher aus. Wer kommt dann?«
»Thomas Abichner«, fuhr Lars fort. »Abichner verbüßt derzeit eine achtzehnmonatige Haftstrafe wegen Einbruchs in eine Apotheke. Er wird allerdings bereits nächsten Monat entlassen.«
»Und hat die letzten siebzehn Monate im Gefängnis gesessen?«, fragte Patrick.
»Richtig, und zwar in der JVA Cottbus-Dissenchen«, bestätigte Lars und zögerte kurz. »Der nächste ist Winfried Stollenbach, der allerdings im Jahre 2011 an einem Herzinfarkt verstorben ist.«
»Einer ist nicht mehr kriminell, einer hat zum voraussichtlichen Todeszeitpunkt von Ken Börder im Gefängnis gesessen und der Dritte weilt schon seit Jahren selbst nicht mehr unter den Lebenden.«
»Aber wir haben ja noch zwei Leutchen«, sagte Lars. »Ingo Bayer wurde bei zwei Delikten aus den Jahren 2014 zusammen mit Ken Börder verhaftet, man konnte ihm aber keine Tatbeteiligung nachweisen. Er kam wieder auf freien Fuß. Der letzte Name ist da schon interessanter. Rainer Eckermann. Er war besonders dicht an Ken Börder dran. Es ging um eine Kneipenschlägerei im Oktober 2014. Hier ist auch noch einmal Ingo Bayers Name gefallen ...«
»Moment, Oktober 2014«, sagte Patrick. »Dann hat Ken Börder im Oktober letzten Jahres noch gelebt.«
»Gut, neun Monate sind zwar kein ganzes Jahr«, stellte Thomas fest, »aber dann hat Dr. Pohlmann den Todeszeitpunkt doch schon recht gut eingegrenzt.«
»Es war der 3. Oktober 2014, Tag der deutschen Einheit, ein Freitag«, bestätigte Lars. »Rainer Eckermann wurde an diesem Abend beschuldigt, die Theke und das Mobiliar der Kneipe beschädigt zu haben. Der Name der Kneipe lautet Zum Kalows und taucht in den Akten häufiger auf. Angeblich hat dieses Etablissement einmal Ken Börder gehört.«
»Zum Kalows? Wo liegt das?«, fragte Thomas.
»In der Gert-Kalow-Straße in Charlottenburg. Das ist ganz in der Nähe der Bunger Allee.«
»Rainer Eckermann«, wiederholte Patrick. »Das könnte ein Treffer sein.«
»Oder Ingo Bayer.« Thomas kritzelte nachdenklich auf seinem Block.
Patrick schüttelte den Kopf. »Eckermann und Börder sind im gleichen Alter, können also Kumpels gewesen sein. Wie alt ist dieser Ingo Bayer?«
»Sechsundzwanzig«, antwortete Lars sofort.
»Also zehn Jahre jünger als die anderen beiden. Rainer Eckermann, ich tippe auf Rainer Eckermann.«
»Soll ich weitere Informationen zu dem Mann recherchieren?«, fragte Lars.
»Das ist noch nicht notwendig«, sagte Patrick. »Wir müssen die Fakten zunächst mit unserem Chef durchsprechen.«
»Kein Problem. Dann meldet ihr euch wieder?«
»Ja, machen wir. Lars, danke erst einmal«, rief Thomas ins Telefon.
»Danke!«, schloss sich Patrick an.
Thomas legte auf. Patrick hatte gleich sein eigenes Telefon zur Hand und wählte.
*
Thomas las noch einmal Lars Meiers Bericht. Er konnte sich allerdings nicht auf den Inhalt konzentrieren. Patrick Arnold hatte am Telefon das Wir betont, aber KHK Werner Tremmel ließ nicht davon ab. Es gab in diesen Minuten eine Besprechung, an der Thomas nicht teilnehmen sollte. Ein Zeichen oder nur Ressourcenschonung. Thomas verstand es mehr als Zeichen. Er war der ungeliebte Sohn. Es war nicht das erste Mal, dass Werner Tremmel Thomas bei einer Ermittlungsarbeit ausgegrenzt hatte. Handlangertätigkeiten waren in Ordnung. Thomas durfte Patrick zuarbeiten, den Dreck aufräumen. An Patrick lag es nicht, aber Patrick wollte offensichtlich auch nichts riskieren, wollte Werner Tremmel nicht verärgern. Dieser sture tremmelsche Charakter. Jürgen Kowalski war da anders, und Thomas wusste auch noch, dass sich Kowalski und Tremmel nicht riechen konnten. Thomas war nicht Kowalski, aber da machte Werner Tremmel anscheinend keinen Unterschied. Es gab Gerüchte, dass Werner Tremmel Thomas’ Versetzung zunächst abgelehnt hatte. Tremmel wollte keinen von Kowalskis Leuten, auch wenn Arbeit genug da war.
Thomas atmete tief durch, als plötzlich die Bürotür aufflog. Patrick stürmte in den Raum, griff sich Jacke und war schon fast wieder zur Tür hinaus. Er stoppte.
»Ich habe ihm gesagt, dass du die Infos rangeholt hast.«
»Und?«
Patrick zuckte mit den Schultern. »Du kannst jetzt wenigstens in Ruhe Mittag machen. Wir fahren in die Bunger Allee. Der Alte will sich ein Bild machen, Zeugen finden und verhören.«
»Na dann viel Erfolg.«
Patrick nickte, zögerte noch kurz, verließ dann aber das Büro. Er schloss die Tür leise hinter sich. Die ersten Schritte ging er noch langsam den Flur entlang, dann begann er zu laufen, die Treppe hinunter und nach hinten hinaus auf Parkplatz des Präsidiums. Werner Tremmel stand mit dem Dienstwagen bereits an der Torausfahrt. Patrick öffnete die Beifahrertür und ließ sich in den Sitz fallen. Werner Tremmel gab sofort Gas. Die Fahrt nach Charlottenburg in die Bunger Allee 17 dauerte nur zwanzig Minuten. Werner Tremmel parkte auf dem Gelände einer Tankstelle gegenüber dem Appartementgebäude. Sie gingen über die belebte Straße und standen vor den Klingelschildern.
»Wie viele sind das?«, fragte Werner Tremmel. »Hundert, zweihundert?«
Patrick zuckte mit den Schultern, beugte sich vor und versuchte die Namen auf den Klingelschildern zu entziffern. Werner Tremmel überlegte nicht lange und drückte einen Knopf in der obersten Reihe.
»Der Hausmeister heißt Böhmer oder so, ist ein bisschen schlecht zu lesen.« Werner Tremmel drückte die Klingel gleich ein zweites Mal.
Der Hausmeister hieß Werner Blöhmer, hatte aber ansonsten nichts mit Werner Tremmel gemein. Er war zehn Zentimeter kleiner und bestimmt zwanzig Kilogramm schwerer, dafür aber etwa im selben Alter.
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