Doch als ich glaubte, dass es langsam an der Zeit sei wieder ins warme Haus zurückzugehen, meinte ich, dass uns gegenüber ein nicht allzu großer Geist sichtbar wurde, den sicher, nein bestimmt auch Wilma eigentlich sehen konnte oder müsste, wenn noch nicht alle Fäden zu uns und unserm neuen Jagdschloss abgerissen sind. Ob es nun ein weiblicher oder ein männlicher Geist und ob es schon ein älterer oder jüngerer Geist ist, das konnte man an seinem für uns sichtbaren, äußeren und geisterhaften Erscheinungsbild nicht erkennen. Ich glaubte dass ich diesen Geist, in dieser Aufmachung auch schon wo gesehen habe und wir beide damals, der Geist und ich bei den ersten Begegnungen noch kein Wort miteinander gewechselt haben, aber wo das war, wollte mir ganz und gar nicht einfallen. Sollte das etwa bei einer dieser ersten hier in Spukhausen stattfindenden Geisterwaldwanderung passiert sein, an der auch ich als der Neuling in Spukhausen teilgenommen hab, als sich da der Geist an der einen Quelle bei einer dieser doch so interessanten Waldwanderung, als die uneheliche Tochter des Grafen Wildfang und der Zofe seiner Frau ausgab, die doch recht jung habe sterben müssen, da sie für den Zeuger nicht standesgemäß war un infolgedessen für sie hier keinen Platz zum Weiterleben gab? Und da kam mir der Gedanke, dass sie in einer ähnlichen Lage wie unser Gereon in diese Welt kam, nur sie, dieser Geist hatte damals keinen Vater, der sich zu ihr hat bekennen können oder wollen und ich habe mich unwissend zu Gereon als seinem Vater bekannt. Nur als sie damals ihr Häuschen gebaut haben, wollte ich nichts von ihrer Bauerei wissen, denn scheinbar habe ich da schon geahnt, wie das einmal bei ihnen ausgeht und was dann bloß mit dem Häuschen passieren wird; da wollte ich nicht mit hineingezogen werden. Als die beiden dann geschieden wurden, wurde auch bald ihr Häuschen versteigert, denn die Kasse, die damals auch teilweise ihren Bau finanziert hat, wollte auch ihr ihnen geliehenes Geld bald und möglichst auch vollzählig zurückhaben, bevor es sich in weitere Schulden auflösen würde und die Sparkasse das große Nachsehen hat. Im Nachhinein habe ich immer wieder gefragt, inwieweit hat Gereon schon damals diesen Hausbau mit in der Bank geraubten Geld oder als Bankräuber finanziert, das jetzt die Bank vielleicht wieder zurückbekommt?
Aber zurück zu der geisterhaften Erscheinung! Was will sie mir bloß durch ihr Erscheinen jetzt hier sagen? Dass Gereon doch noch im Gegensatz zu ihr einen Vater hatte, der sich trotzdem zu ihm bekannt hat, obwohl er doch nichts mit ihm zu tun hatte und ich, die Tochter einen Vater hatte, der sich trotzdem, wahrscheinlich nicht zu mir bekennen wollte und weiter mir damals bei der Wanderung sagte, dass ihre Mutter auch sie bald als nicht gewollter Ballast hat heimlich, auf unerklärliche Weise sterben lassen, das hat sie uns bei einer späteren Waldwanderung auch erzählt. Doch heute, wenn sie das ist, hat sie nichts gesagt nur uns beide traurig angeschaut. Meine Fragen, egal wonach ich sie auch in Gedanken habe fragen mögen, wie ich ihr auch heute noch helfen könnte, hat sie keine beantwortet, nur traurig hat sie bei all meinen gedanklichen Fragen dreingeschaut. Ob sie schon etwas weiß, was wir noch nicht wissen, etwas ganz Trauriges, was sie als Geist schon hatte schauen können und wir vielleich auch bald erfahren werden oder müssen, was da wieder außerhalb Spukhauen passiert sein kann oder schon vielleicht gar passiert ist? Doch da wurde ich plötzlich aus meinen Träumen geweckt, denn Jürgen kam irgendwie anders als sonst zu uns und sagte, dass ich da in Frieders Heim anrufen soll, es wär sehr wichtig. Natürlich habe ich sofort gefragt worum es da gehen soll, der wird doch nicht etwa wieder etwas sehr Unvernünftiges angestellt haben, etwa ausgebüxt, wieder jemanden total und sehr schmerzhaft zusammengeschlagen oder gar eine Erhöhung seines monatlichen Taschengeldes warum auch immer verlangen, denn alles ist ja inzwischen auch wieder teurer geworden und von ihm haben wir anundfürsich schon lange nichts mehr gehört. So rutschten wir, Wilma und ich von unserer Fundamentmauerkrone herab und gingen, uns beide festhaltend wieder ins Haus und ich wählte alsbald die Nummer des Heimes, um zu erfahren, was Frieder wieder angestellt hat oder gar sich wieder auf der für uns unbekannten Wanderschaft ins Schlaraffenland befindet, weil er sicher glaubt, wieder einen neuen Weg dahin ins gelobte Land entdeckt zu haben, in dem es die Wörter Zucht, Ordnung und Arbeit nicht gibt den er auch alsbald erwandern will, denn warum soll er sich da auf der Erde abrackern, wenn man es drüben im Schlaraffenland auch anders kann? Ich habe wieder fest geglaubt, dass er sicher wieder ausgebüxt ist und sie mich vor seinem eventuellen, unangemeldeten Besuch warnen wollen, um nicht ganz unwissend in eine gar lebensbedrohliche Gefahr mit schlimmen Folgen zu laufen, wenn er bei uns das nicht bekommen kann, was ihm gerade wieder so vorschweben mag, wie meine Rente zum Beispiel, die ja, wie er immer wieder meinte, zu ihm viel besser passen würde als zu mir, dem alten …. !
Doch diesmal wollten sie mich nicht vor einem Besuch von ihm wieder warnen, denn diesmal kann er von da, wohin er ausgebüxt ist, nicht mehr zu uns zurück oder keinen Schaden mehr anrichten, denn diesmal hat er sich eigenmächtig auf den Weg ins weite Jenseits begeben, und aus diesen Breiten gibt es kein Zurückmehr in unser Leben, denn er hat selbst seinem Leben ein Ende gesetzt. Er hat sich im Heim, während der unbeaufsichtigten Mittagspause seine Pulsadern aufgeschnitten. Und als er dann später, nach der kurzen Mittagspause zu den Nachmittagsbeschäftigungen nicht erschien, hat man ihn dann tod in einer großen, seiner eigenen Blutlache am Boden liegend aufgefunden, ohne ein kleines, schriftliches Warum uns zu hinterlassen. Sicher waren wir alle in seinen Augen es nicht würdig, so ein schriftliches Warum von ihm, dem supergroßen Nichtstuer noch vorzufinden. Wilma hat sicher einiges von diesem Gespräch mitbekommen, worum es hier bei diesem Telefongespräch wohl geht und auch mich gefragt, ob da etwas mit Frieder wieder passiert ist und ich ihr, auch auf die Gefahr hin, dass da wieder etwas mit ihr passieren kann, denn da ist wieder etwas verschwunden, was sie sicher glaubte nur ihr, ohne mein Zutun zu gehören, dass Frieder nicht mehr lebt, dass er heute Nachmittag gestorben ist; nur wie er gestorben ist? Scheinbar hat er keinen Sinn mehr in diesem, seinem weiteren nur Soleben müssen gesehen und er so ein Leben, wie er es sich vorgestellt hat, auch nicht für ihn auf Erden nicht geben kann, und er seinem Leben nach dem Motto ein Ende gesetzt, das da heißt: „Lieber ein Ende mit Schrecken, als ein Schrecken ohne Ende!“, das jeden Tag früh morgens aufs Neue für ihn recht lautstark begann, dass so ganz nicht seinen Lebensvorstellungen entsprechen wollte. Und da fragte die Dame aus dem Heim, ob wir ihn noch einmal, bevor er eingeäschert wird sehen wollen. Ich habe auch diese Frage bei uns in den Raum gestellt und schaute beide, Oma Wilma und Jürgen recht lange an und fragte dann, ob es nicht besser ist, wenn wir Frieder so in Erinnerung behalten, wie wir ihn damals zu Weihnachten bei uns als freies Kind haben erleben dürfen, als auch er kurz das eigentliche, das Bethlehemer Weihnachtsfest hat pur sehen können, wie es etwa vor zweitausend Jahren in Bethlehem passiert ist oder das er tatsächlich, kurz in Natura erleben durfte, als jetzt den toten, verstümmelten und sicher auch schon entstellten Frieder, an dem es jetzt sicher nicht mehr viel Liebes zu sehen sein wird. „Wenn ich ja wüsste, liebe Wilma, dass du beim Anblick des toten Frieders nicht wieder einen Totalzusammenbruch bekommst, dann deinen zweiten, den du vielleich nicht mehr überleben könntest, denn hier in Spukhausen brauchen wir beide dich noch so dringend, würde ich ja morgen früh mit euch dahinfahren, ja wenn?“ sagte ich. Als ich das eben sagte, meinte ich, dass ich Gereon mir gegenüber über dem Erdboden schweben sah, und er mir zustimmend zunickte. Andernfalls ist es ja besser wir vergrößern von diesen, letzten vielen Weihnachtsbildern einige und hängen sie hier bei uns an einen Ehrenplatz und wir ihn immer wieder sehen können wie er nie geworden ist; er es aber hätte werden können. Ich konnte richtig sehen, wie Wilma mit sich kämpfte, da hinzufahren oder doch lieber daheimzubleiben, wie ich es vorgeschlagen habe. Und Jürgen meinte, dass er ihm sein Weiterleben zu verdanken habe und durch ein nochmaliges Auftauchen an seinem Leichnam wird er sicher nicht lebendig, denn letzten Endes hat er das getan, was er eigentlich gewollt hat. Für seinen Frieden kann ich auch hier und auch an seiner Urne beten und ich mich dankbar von ihm, meinem Lebensretter verabschieden. Und da hat Wilma, sicher schweren Herzens gesagt, dass sie sich Jürgens Vorhaben auch hier anschließen werde. Und so sagte ich der Dame am andern Ende, dass wir alle hier ihn so in Erinnerung behalten wollen, wie wir ihn damals zu Weihnachten bei uns mit seiner ganzen Familie als den noch braven Enkelsohn erleben durften, als er noch für uns alle einigermaßen friedlich war und sie uns dann die oder seine volle Urne zur Bestattung zukommen lassen möchten, die wir dann hier im Kreis seiner hier schon ruhenden Angehörigen bei seinem Vater beisetzen werden, der auch hier bei uns in Spukhausen nach seiner Irrfahrt durchs Leben seinen letzten Ruheplatz hier gefunden hat. Nachdem ich das Telefon wieder aufgelegt habe, ging ich zu Wilma, nahm ihre beiden Hände in meine Hände, schaute ich ihr eine recht lange Weile in die Augen und sagte dann: „Tja, liebe Wilma, ein Unglück und mag e snoch so groß oder klein sein, kommt selten allein. In der Regel hat es noch einen kleinen Beipack im Gefolge, um seinem Vorausgeher Gesellschaft zu leisten, ohne auf die Betroffenen und all die vielen zurückgebliebene Rücksicht zu nehmen, die dann das Nachschauen auf lange Sicht haben oder die es wieder betrifft. Und da musste ich unwillkürlich an meine letzte Geistererscheinung draußen im Garten denken, die da recht traurig aber ganz stumm über dem Erdboden schwebte, ohne auch nur mir das Geringste auf meine vielen, gedanklichen Fragen, wenn auch nur gedanklich zu antworten, warum sie hier und jetzt mir gegenüber so traurig über dem Erdboden schwebt. Vielleicht wollte sie mich schon auf diese eben gehörte, schmerzhafte Botschaft einstimmen oder indirekt ein kleines bisschen vorbereiten, dass hier wieder einer sterben will oder gar glaubt es wieder zu müssen, da sein Leben nicht so verlaufen wollte, wie er es sich immer wieder vorgestellt hat der mit seinem Leben nicht zurechtgekommen ist, weil der Verlauf ganz anders verlaufen ist; der eigentlich dazu noch viel zu jung sein müsste und dazu auch noch durch einen Selbstmord, weil er nicht begreifen wollte, wie schön doch ein Leben auch sein kann, wenn man die alte, immer noch gültige Lebensweisheit doch beherzigen wollte, dass es ohne Fleiß eben keinen Preis gibt, den man dann siegessicher, mit wem auch immer, besonders mit einem lieben Menschen genießen kann, nein mit vollen Zügen auch freudig und teilend genießen kann, egal ob es dazu eine liebe Frau oder der liebe Mann ist, mit dem man sein Leben gerne teilt, denn geteilte Freuden sind in der Regel doppelte Freuden, die man wann immer genießen sollte.
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