„Schwein gehabt,“ sagte der Bootsmann zufrieden. “Wir haben Schwein gehabt. Ich geh jetzt in meine Kammer und mach eine Flasche auf. Ihr räumt das hier alles fein säuberlich auf. Und schöpft das Wasser aus dem Wohndeck. Bevor unsere Kakerlaken ersaufen.“
In Bernds Freiwache lief der Dampfer Tage später in die Tokio Bucht ein und erreichte zur Mittagszeit den Hafen von Kawasaki, wo auf der Binnenreede Anker geworfen wurde. Das Paradies aller Seefahrer war erreicht. Unzählige kleine Fischerkutter tuckerten auf der Binnenreede umher und füllten diese bis in die Winkel aus. Geschäftiges Treiben, das sich rasch auf die Solveig ausdehnte. Rund um das Schiff legten sie an der Aussenhaut an, gestikulierten und riefen. Sie wollten alles kaufen und alles bezahlen. Die Mannschaft verkaufte alles und der Bootsmann kassierte alles.
„Das wird nachher alles gleichmäßig aufgeteilt,“ sagte er aufgekratzt. „Der Bootsmann kriegt den größten Anteil. Der Bootsmann bin ich. Dann kriegen die Matrosen den zweitgrößten Anteil. Zum Schluß kriegen die überbezahlten Decksjungen den kleinsten Anteil. Wir verkaufen alles. Aber wir verkaufen alles so, dass die Mittschiffs, die Offiziere, das nicht mitkriegen. Also, kommt einer von denen nach achtern, herrscht hier Handelsruhe. Alles, was wir verhökern geht ganz achtern über die Reling in die Boote. Die Manilaleinen aus dem Kabelgatt lasst ihr unauffällig durch die Ankerklüsen laufen. Anker verkaufen wir nicht. Oder erst, wenn wir an der Pier liegen. Die Rettungsboote verkaufen wir auch nicht. Das würde dem Alten auffallen, wenn sie nicht mehr da wären. Aber alle Hutzen und auch etliche Blöcke, Teil vom Ladegeschirr. Wenn wir das Eisenerz gelöscht haben, laufen wir nach Osaka, wo der Kahn verschrottet wird. Alles kann verschwinden, was wir da nicht zum Festmachen und zum Hinkommen brauchen.
Also los, fangt an zu schrauben und zu demontieren. Ich handel derweil die Preise aus.“
Sie schwärmten aus und schleppten alles auf das Achterdeck, was nicht angenietet und angeschweißt war. Achtern entwickelte sich ein reger Güterverkehr über die Reling in die unten schaukelnden Boote. Gezahlt wurde in japanischen Yen, die in den Hafenbars versoffen und verhurt werden sollten. Die Taschen des Bootsmanns begannen sich zu füllen. Harry kam aus seiner Messe und wollte wissen, ob die Japaner auch von ihm etwas kaufen würden. „Wollen die auch was von mir kaufen?“ fragte er den Bootsmann, der gewichtig hinter dem Deckshaus an der Reling stand und Geldscheine zählte. „Was würden die wohl von dir kaufen wollen. Du hast doch nichts.“
„Ich hab Verbindungen in die Maschine. Gute Verbindungen.“
„Und? Wollt ihr denen den Schornstein verkaufen?“ Der Bootsmann lachte. „Mein Gewährsmann meint, dass im Maschinenraum eine Menge Zeug steht, das wir nicht unbedingt für die letzte Reise nach Osaka brauchen werden.“ „Dein Gewährsmann? Der Maschinenassi? Was wollt ihr den Japsen aufschwatzen. Die Lenzpumpe?“
„Würden die eine Lenzpumpe haben wollen?“
„Woher soll ich das wissen. Die können alles gebrauchen.“
„Ich habe schöne Teller. Kaufen die Teller?“
„Woher soll ich das wissen. Bring mir ein Musterexemplar. Wir machen Hälfte Hälfte. Sag der Decksmannschaft davon nichts.“
„Klar.“ Harry brachte ein Musterexemplar und die Japaner fanden Gefallen.
„Aus der Schüssel?“ Brüllte des abends die Stimme eines Heizers aus der Maschinenmesse nebenan. „Aus der Schüssel? Ich freß doch nicht mit all den anderen aus einer Schüssel.“
„Wo sind die Teller !“ Brüllte ein anderer, den Tumult, der entstanden war, zu übertönen, „Hatten wir nicht Teller gehabt?“
„Es ist schwierig,“ raunte Harry am nächsten Tag dem Bootsmann, der wie eine Säule nicht von der Reling des Achterdecks wich, seine Handelsbeziehungen mit Weinbrand pflegte und seine Warenströme argwöhnisch im Auge behielt, zu,“ ich habe schöne Tassen.“
„Bring mir ein Exemplar.“
„Hör mal Erich,“ räusperte sich der Assi, der den Bootsmann dutzte, weil beide beinahe den gleichen Rang bekleideten, “ich habe schöne Werkzeuge. Fragst du deine Geschäftspartner, ob sie schöne Werkzeuge kaufen wollen? Du kriegst die Hälfte ab.“
„Bring mir ein Muster.“
„Bootsmann, wollen die Japsen Keramikteller ?“ flüsterte Tom Have mit abwesender Miene, als er sich unauffällig von hinten an den Bootsmann herangepirscht hatte, der herumwirbelte und aus Leibeskräften brüllte :“Wen glaubst du hast du vor dir, du Arschloch. Wenn auch nur ein Löffel fehlt, wirst du gekielholt.“
„Ich dachte nur. Man kann ja mal fragen.“ sagte Tom Have mickrig und zog sich zurück in seine Mannschaftsmesse.
„Ich hab auch noch Matratzen,“ sagte Harry als er mit der Mustertasse zurückkam.
„Sehen ganz so aus, wie die Tassen in unserer Messe,“ sagte der Bootsmann argwöhnisch, „bist du sicher, dass das deine sind?“
„Absolut.“
„Bring mir ein Muster von deiner Matratze. Aber eins ohne Piß und Kotzflecken. Meine Kundschaft will erstklassige Ware. Und schüttel die Kakerlaken und die Wanzen raus. Meine Kunden zahlen schlechte Preise.“ „Dieter,“ rief der Bootsmann anschließend, als er sich umdrehte und Dieter an der Reling hinter sich stehend bemerkte,“ lunger da nicht rum. Komm mal näher heran und lehn dein Ohr an mich.“
„Du bist doch ein smarter Leichtmatrose nicht wahr? Also überleg dir, wie wir ein Rettungsboot verschwinden lassen können, ohne dass die Lücke auffällt. Für Rettungsboote zahlt meine Kundschaft recht ordentlich.“
„Bootsmann,“ rief der Dritte, der das Deckshaus umrundete und den Bootsmann, den er suchte, an der Reling entdeckte, “Bootsmann, was ist hier los. Der Erste schickt mich. Der Erste meint, ich solle erkunden, wieso das Deck so kahl aussieht.“
„Das ist mir auch schon aufgefallen,“ sagte der Bootsmann, „ich habe den Eindruck, dass hier geklaut wird. Was fällt ihnen denn auf, was fehlen könnte?“
„Wo sind die ganzen Windhutzen abgeblieben. Hatten wir nicht immer sehr viele Windhutzen?“
„Ich glaube schon. Ich glaube hier wird geklaut.“
„Ich hab vorhin mit dem Assi gesprochen. Der sagt, der Maschinenjunge sagt, dass ihm die Teller abhanden gekommen sind.“
„Das mag angehen. Ich hab das Gebrüll aus der Heizermesse gehört, als sie alle aus einem Topf fressen mussten.“
„Sie werden mir kräftig einen ausgeben,“ sagte der Dritte versonnen und schaute auf das Treiben hinunter, „eine Nutte für die Nacht muß drin sein. Wenn ich mir was Passendes für den Ersten ausdenken möchte.“
„Würde ein verschwundenes Rettungsboot arg auffallen?“
„Wollen Sie die Mannschaft absaufen lassen wenn wir in Seenot geraten?“
„Wo. Hier?“
Harry bekam dann doch Bedenken, die Matratzen der Heizer und der Öler zu verkaufen und meinte, “ich werde mir eine billigere Nutte nehmen. Die haben ja verschiedene Preisklassen.“ Es war aber doch wohl eher so, dass niemand die durchgelegenen und gefleckten Unterlagen haben wollte.
Der Bootsmann verkaufte das Schiff leer und sagte in der Messe :“Wir haben genug. Wenn wir mehr verkaufen wollen, müssen wir das Schiff auseinanderschweißen.“ Er verteilte das Geld gerecht nach seinem Verteilerschlüssel, nach dem er ein Drittel nahm und die anderen sich um den Rest balgen ließ.„Ich muß auch noch den Dritten bewirten. Der hat was spitz gekriegt. Der besteht auf einer Edelnutte. Bernd, geh an Deck und stülp Eimer über die Löcher, wo jetzt die Windhutzen fehlen. Gibt überall und immer Idioten die über alles stolpern und in jedes Loch fallen.“
„Wir werden nicht genug Eimer haben,“ sagte Bernd.
„Stülp was anderes drüber. Irgendwas. Wir haben noch Zinkeimer? Die Japsen werden sicherlich Zinkeimer haben wollen.“
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