Auch Lina Brammer schlief nicht gleich ein. Sie vernahm nach einiger Zeit das ruhige Atmen ihres Mannes in der Dunkelheit des Zimmers und schloss daraus, dass er eingeschlafen war. Sie wusste, dass er sie über alles liebte, dass er sich jedoch schwer tat, ihr das zu sagen. Aber im Grunde zeigte er ihr das tagtäglich durch die freundliche, manchmal allerdings auch knurrige Art seines Umgangs mit ihr. Sie war überzeugt davon, dass er ihre Empfehlung hinsichtlich seines Verhaltens gegenüber den Gefangenen in Zukunft befolgen würde.
Dann dachte sie an ihre Tochter Anna, die nun schon fast ein Jahr verheiratet war und von ihrem Mann getrennt lebte, von wenigen Urlaubstagen abgesehen, und die solche Glücksmomente, wie sie selbst sie soeben erlebt hatte, bisher nur selten hatte erfahren können, weil ihr Mann im fernen Ostpreußen Soldat war, wenn Anna sie denn überhaupt schon erlebt hatte. Wie sollte ihre Tochter unter diesen Umständen zu einer sexuellen Harmonie mit ihrem Mann finden? Lina erinnerte sich, dass es Monate gedauert hatte, bis sie und ihr Mann eine solche Harmonie gefunden hatten, die - so meinte sie jedenfalls -größer nicht sein konnte. Karl und sie waren nach ihrer Heirat nach und nach immer freier und unbekümmerter mit Sexualität umgegangen. In der Zeit davor waren ihre sexuellen Beziehungen dagegen ziemlich verkrampft gewesen, und Lina hatte sich nicht selten nur als ein Objekt für eine Befriedigung ihres Mannes gesehen. Gespräche mit ihren Eltern über Sexualität hatte es nie gegeben, nicht einmal mit ihrer Mutter, der sie im Übrigen jedoch vieles hatte anvertrauen können. Sie und ihr Mann hatten selbst ihren Weg auf diesem Gebiet finden müssen, und sie hatten ihn gefunden, zur vollen Zufriedenheit beider. Für eine blutjunge Frau wie Anna musste es dagegen schlimm sein, Monate von ihrem Mann getrennt zu leben. Lina Brammer fühlte sich hilflos und empfand eine tiefe Traurigkeit. Sie hatte schon einige Male erwogen, mit ihrer Tochter darüber zu reden; sie hatte sich jedoch nicht getraut. Sexualität war zu ihrem Bedauern immer noch ein Tabuthema. Abgesehen davon wollte sie Anna auch nicht in Verlegenheit bringen. Wer würde schon zugeben wollen, dass ihm sexuell etwas fehle? Nein, dieses Thema wollte sie mit Anna nicht erörtern, zumal sie ihr sowieso nicht würde helfen können.
In einer Mischung aus Trauer und Hilflosigkeit glitt Lina Brammer ganz allmählich in einen tiefen Schlaf.
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