1 ...6 7 8 10 11 12 ...36 Einen weiteren Höhepunkt unserer Altstadtbesichtigung bildet der Besuch des Bimaristan Al Nuri von 1154. Bimarqui heisst auf Farsi ”krank” und stan ”Haus”, Bimaristan ist daher die Bezeichnung für ein Krankenhaus. Almalek Al Adel Nur al din ben Mahmood Zanki gründete hier die erste und im Mittelalter bekannteste medizinische Universität des ganzen Orients. Hier stossen wir auf viele Informationen über Avicenna und seine Lehren von Pflanzen, Kräutern, Früchten, Musik und Sängern (mehr über den auch Ibn Sina genannten Medicu s in den Kapiteln Iran und Usbekistan). Das prächtige Gebäude mit seinem herrlichen Innenhof sieht eher wie eine Medresse oder Karawanserei aus.
In der Sayyida Ruqqaya Moschee treffen wir fast nur noch auf schwarz gekleidete und völlig verschleierte iranische Pilgerinnen. Die hier beigesetzte Frau Ruqqaya, gestorben im Jahre 680, ist eine Grossenkelin des Propheten Mohammed. Ihr Vater war Hussein, der die Muslime seinerzeit in Schiiten und Sunniten gespalten hat. Dieses schiitische Mausoleum zieht deshalb natürlich vor allem Iranerinnen und Iraner an. Ich muss mich hier vollends verhüllen, obwohl Frauen und Männer getrennte Eingänge benützen. Beim Schrein im Innern des mit unzähligen Spiegeln verzierten Raumes beobachte ich die iranischen Pilgerinnen, die ununterbrochen beten und den Schrein sogar küssen. Die wunderbaren blauen Ziegel geben mir einen kleinen Vorgeschmack auf die islamische Architektur im Iran. Ich freue mich!
Ein Afghane schiebt einen Karren vor sich her, der mit einer alten Waage versehen ist, um die grünen unreifen Mandeln zu wiegen, die er verkaufen möchte. Neben der Waage hat er sie pyramidenförmig aufgeschichtet.
Zum Abendessen dürfen wir unsere Gastgeberfamilie zu einer Einladung begleiten. Wir werden von Mahmood eingeladen, einem 50-jährigen Syrer, der auch in Schweden wohnt, hier nur vorübergehend in den Ferien weilt, aber vorhat, wieder permanent nach Damaskus zurück zu ziehen. Er emigrierte vor einigen Jahren, um nicht unter die politischen Räder zu kommen, wie er sagt. Ich werde gefragt, ob ich nicht auch nach Syrien ziehen möchte, um hier ein Geschäft aufzumachen, oder mich sonstwie selbstständig zu machen, hier gäbe es viele Chancen. Doch ich kann mir nicht vorstellen, in einem Land zu leben, in dem alle Telefone abgehört werden, man in den Basaren und Teestuben nicht laut über Politik reden darf und das Porträt des Präsidenten im Geschäft aufhängen muss. Wenn jemand keine andere Wahl hat, als hier zu leben, gibt es sicher Chancen in Syrien. Suhail und Mahmood haben eine ergriffen, aber für mich könnte ich mir höchstens einen befristeten ein- oder zweijährigen Aufenthalt vorstellen.
Dann sind da noch Fatin und Ibrahim. Fatin trägt freiwillig ein Kopftuch, um ihre Haare niemand anderem als ihrer Familie zu zeigen. Sie arbeitet auf einer Bank und hat sich erst vor ein paar Jahren entschieden, ein Kopftuch zu tragen. Vergeblich versuchten seither ihr Mann und ihre Kinder sie davon abzubringen, ihre schönen Haare zu verhüllen. Auch ihre Freundinnen am Arbeitsplatz konnten es ihr nicht ausreden. Als ich das wunderschön mit gehäkelten Spitzen verzierte Kopftuch anprobieren möchte, geht sie mit mir in einen anderen Raum und zeigt sich den versammelten Männern nicht, solange ich ihr Tuch trage. Sie wartet im Nebenzimmer, bis ich es ihr wieder bringe! Die Syrer sind sehr tolerant, diskutieren offen über Religion und Tradition und ich fühle mich sehr gut aufgehoben bei diesen freundlichen und interessanten Menschen.
Nach drei Nächten bei Suhail und seiner Familie verabschieden wir uns herzlich mit Umarmungen und Küssen von all unseren neuen Freunden und ziehen um zu Mahmood, der uns auch noch unbedingt als Gäste haben möchte.
Nochmals streifen wir durch die märchenhafte Stadt und dann laden wir unseren Gastgeber in ein Restaurant seiner Wahl ein. Er sucht sich das Abu Al’Azz aus, ein traditionelles, wunderschön eingerichtetes, zweistöckiges Lokal mit Malereien und Kronleuchtern an den Decken, Wänden aus Steinmosaiken und mit Arabesken verziert. Weil es sich so nah an der Freitagsmoschee befindet, darf kein Alkohol ausgeschenkt werden. Ein Orchester spielt Live-Musik und ein Derwisch tanzt im Kreis. Mahmood sucht etwa fünf verschiedene Vorspeisen für uns alle aus und als Hauptspeise bestellt er diverse Fleischspiesse. Wir hätten vor lauter Kofta, Kubbeh, M’tabel, Homoss, Kubaniye, Buraq, Schischta’uq, Tabuleh, Yalindschi, Fetusch, Makdous und Khobes tenur gar nicht mehr gewusst, was bestellen! Die Rechnung beläuft sich zum Schluss auf ungefähr 13 USD für drei Personen. Syrien ist viel billiger als Jordanien. Das Bild, das wir von unseren zwei Gastgebern erhalten haben, täuscht allerdings darüber hinweg, dass es den Syrern viel schlechter geht als ihren südlichen Nachbarn.
Am nächsten Tag verlassen wir Damaskus. Mahmood bringt uns noch bis zum Busbahnhof und wir versprechen beim Abschied, ihm zu schreiben. Wir nehmen einen Bus nach Homs, suchen uns ein Hotel, deponieren unsere Rucksäcke und gehen gleich wieder auf die Pirsch – mit einem Minibus 75 km zum Crac des Chevaliers , einem Kreuzritterschloss aus dem 11. Jahrhundert. Ich fühle mich ins Mittelalter zurückversetzt und glaube, jede Sekunde komme Richard Löwenherz auf seinem Pferd um die Ecke geritten!
3Palmyra war einmal eine wichtige Oasenstadt für Karawanen auf ihrem Weg vom Mittelmeer nach Mesopotamien. An der legendären Seidenstrasse gelegen, profitierte auch sie von Zolleinnahmen, die von den Karawanenhändlern erhoben wurden. Palmyras wirtschaftliche Wichtigkeit wuchs parallel zum Niedergang des Nabatäischen Reiches am Anfang des zweiten Jahrhunderts unserer Zeit und erreichte den Höhepunkt um das Jahr 270 unter der sagenumwobenen Kaiserin Zenobia. Tadmor (“Stadt der Datteln”), wie diese Oase zu frühester Zeit genannt wurde, fand bereits im 19. Jahrhundert vor Christus Erwähnung und ist später von den Römern in Palmyra – “Stadt der Palmen” – umbenannt worden.
Heute ist es nur noch ein kleines Dörfchen mit Hotels, Restaurants, ein paar Supermärkten und Souvenirläden. Die fast 2000 Jahre alten Ruinen sind auf einer Fläche von circa 50 Hektaren verstreut, ein paar Hügel im Hintergrund, sonst ist alles flach. Obschon es die Hauptattraktion Syriens ist, sehen wir wieder nur sehr wenige Touristen.
Das gespenstige ”Arabische Schloss” aus dem 16. Jahrhundert thront auf einem spitzigen kleinen Hügel. Da beginnen wir unseren Entdeckungsnachmittag. Leider ist die Burg abgeschlossen und wir können nicht hinein. Wir stolpern den steilen Hang hinunter, an den Grabtürmen mit Sarkophagen vorbei und kommen zu den Ruinen von verfallenen Tempeln, Theater und Banketthallen. Eine etwa 700 Meter lange Säulenstrasse führt durch die freistehenden zerfallenen Gebäude. Von nahem sehen wir, wie furchtbar an dieser historischen Stätte renoviert und restauriert worden ist. Mit Beton! Wahrscheinlich haben die Sowjets, lange mit den Syrern befreundet, ihre Archäologen und Wissenschaftler hierher geschickt.
Am Abend lernen wir die zwei Holländer Hani und Peter kennen, die mit ihrem Jeep nach Kenia unterwegs sind. Sie haben sich in ein Hotel einquartiert, weil es ihnen noch zu kalt ist, im Geländewagen zu übernachten. Ich träume schon lange von so einem Überland-Trip mit einem 4x4 nach Afrika, bin aber nicht neidisch, denn ich befinde mich ja auf der Seidenstrasse, meiner Traumroute. Afrika muss noch ein paar Jahre warten; es ist einfach interessant zu hören, was andere mutige und unternehmungslustige Leute so vorhaben!
Weiter geht’s mit einem dieser supermodernen Busse - die in diesem verlotterten Oasenstädtchen aussehen, als kämen sie von einem anderen Planeten - noch weiter in den Osten Richtung Irak, nach Deir-ez-Zour, einer kleinen Provinzstadt in der von Kurden bewohnten Ecke Syriens. Der Lebensmittelmarkt, der hauptsächlich auf den Gehsteigen stattfindet, ist ausserordentlich farbenfroh, weil viele bunt gekleidete Beduinen aus den umliegenden Dörfern in die Stadt gekommen sind um ihre Ware feil zu bieten oder einzukaufen. Am Nachmittag scheint diese Stadt wie ausgestorben.
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