Bevor unser Bus in den Busbahnhof einbiegt und hält, frage ich die gut aussehende Frau vor mir, ob sie meine jordanischen Dinars, die ich übrig habe, gegen syrische Pfund eintauschen möchte. Sie erklärt mir in gebrochenem Englisch, dass wir mit ihr auf ihren Mann warten sollen, der sie abholen werde, er könne uns sicher weiterhelfen. Suhail ist 40 Jahre alt und Palästinenser. Er führt ein eigenes Geschäft und spricht sehr gut Englisch. Seine bildschöne Frau Ekhlas ist Irakerin und auch schon 40, sieht aber aus wie 30. Sie kochen nicht nur Tee, sondern tischen gleich ein ganzes Mittagessen auf. Nach ein paar Stunden beisammensitzen und plaudern laden sie uns grad zum Bleiben ein.
Ihre Wohnung ist sehr modern und mit Stil eingerichtet. Drei Schlaf-, zwei Wohn- und sogar zwei Badezimmer mit allem Luxus. Eine grosse Terrasse geht über zwei Seiten des dreistöckigen Mehrfamilienhauses. Ihr ältester Sohn Ahmad ist 16 und spricht auch schon ein bisschen Englisch. Er überlässt uns sein Schlafzimmer und geht zu seiner kleinen Schwester Farah, die 10 Jahre jung ist und wie eine wahre Prinzessin aussieht, und zum 5-jährigen Bruder Ali ins Kinderzimmer. Wie in allen arabischen Ländern werden die Eltern nach dem Namen ihres ältesten Sohnes angesprochen, d.h. die Mutter dürfen auch wir ” Umm Ah mad ” (”Mutter des Ahmad”) und den Vater ” Abu Ah mad ” ( Abu steht für Vater) nennen. Nach ein paar Tagen nennen wir uns alle gegenseitig sowieso nur noch ” Habibi ”, bzw. die weibliche Anredeform ” Habibeti ”, was man mit ”Liebling” übersetzen kann.
Erst am späten Nachmittag fahren wir wieder in die Innenstadt von Damaskus. Wir sehen uns die wunderbare Altstadt an, die von der UNESCO auf die Liste des Weltkulturerbes gesetzt worden ist. Jahrhundertealte Balkone aus Lehm und Pappelholz und von Ästen gestützte Erker verzieren die Häuser der engen und sehr pittoresken Gassen. Moscheen und Koranschulen mit riesigen Innenhöfen mit Springbrunnen und üppigem Grün laden zum Verweilen ein. Immer wieder bewundern wir die dekorativen antiken Kupferlampen, Torbögen und runden Fenster. Kinder spielen in den Gassen, Katzen springen von einem Dach zum anderen. Wir schlendern zur Madrasa an-Nuri von König Nour Addeen al Shaheed, der von 1118 bis 1174 lebte und ganz Saudiarabien und Ägypten beherrschte, und besichtigen das Dar Anbar, eine Residenz einer Gouverneursfamilie, mit drei Innenhöfen, jeder mit Springbrunnen, Zitronen- und anderen Bäumen, Blumentöpfen und den in Damaskus immer wiederkehrenden Steinmosaiken aus schwarzem Basaltgestein, gelben und weissen Sandsteinblöcken. Im Beit Mirza , einer weiteren Residenz eines reichen Paschas, sind hunderte von Stühlen bereit gestellt worden, weil am Abend eine Hochzeit stattfinden wird. In den Khan Suleiman Pasha , eine Karawanserei im Basar, dürfen wir nicht hinein, weil sie gerade renoviert wird. Dasselbe im Khan As’ad Pasha , einem Khan (Karawanserei) eines Gouverneurs aus dem Jahre 1749.
Der grosse Basar ist eine richtige Stadt in der Stadt und ein malerisches Labyrinth aus Werkstätten und Läden. Parfüms, Gewürze, Süsswaren, Schmuck, Stoffe, Kleider, Antiquitäten, Holzwaren, Musikinstrumente, Textilien, Wolle, Kupferwaren, Leder, Schwerter, einfach alles wird angeboten und je länger wir durch dieses Labyrinth flanieren, desto bereitwilliger übergeben wir uns dem fliessenden Treiben.
Am allerbesten gefallen mir die Trödlerläden der Kupferschmiede. Samovars, Tee- und Kaffeekannen, grosse runde Teller aus Kupfer, Messing, Silber und anderen Metallen, die alle hervorragend mit Hämmern bearbeitet worden sind. Am liebsten würde ich alles zusammenkaufen! Stattdessen setzen wir uns aber zu den alten und jungen Männern des Al Nawfara Coffeeshops und bestellen eine Wasserpfeife mit Apfeltabak. Der Tabak mit Erdbeeraroma ist uns zu süss. Auch hier will man uns einladen - ” hospitality tea! ”, ” let me pay your bill ” - man lässt uns gar nicht bezahlen und sagt zu uns in deutlichem Schulenglisch ” always at your service ”!
Im berühmten Bakdach Ice Cream Parlour probieren wir eine wunderbare Eiscrèmesorte namens Donderma aus Milch, Mandeln und Pistazien. Donderma ist das türkische Wort für diese Art von geklopftem Eis.
Viele Golfaraber machen im billigen Syrien Urlaub und besuchen Bordelle, die in Saudi-Arabien verboten sind. Zum erstem Mal sehe ich Frauen, die von Kopf bis Fuss in den schwarzen Tschador eingehüllt sind und nur Augen und Nase unbedeckt halten. Diese ”schwarzen Geister” stehen vor einem Schaufenster mit Spitzenunterwäsche, darum hat die ganze Situation auch etwas Komisches. Suhail erklärt mir, dass es sich bei ihnen um iranische Pilgerinnen handelt.
Damaskus gilt nach Mekka, Medina und Jerusalem zusammen mit Kairouan (im heutigen Tunesien) in der sunnitischen Überlieferung als viertheiligste Stadt des Islam. Hier soll angeblich Abraham geboren und Moses begraben, sowie der Erzengel Gabriel erschienen sein. Die heilige Maria hat in einer Höhle Zuflucht gefunden auf dem Dschebel Qassyun, dem Hausberg, auf den wir am Abend fahren, um auf die Lichter der Grossstadt hinunterzuschauen. Damaskus hat sechs Millionen Einwohner, das ist fast ein Drittel Syriens, dessen Fläche etwa vier Mal so gross ist wie die Schweiz und doppelt so gross wie Jordanien.
Wie schon in Amman gibt es sehr viele Schmuckläden; die Araberinnen lieben Schmuck, vor allem Gold. Die Araber des Mittelalters haben noch gemeint, Gold wachse auf Bäumen oder wie Karotten knapp unter der Erde und werde bei Sonnenaufgang gepflückt, oder von Ameisen gezüchtet. Der Historiker al-Umari setzte anfangs des 14. Jahrhunderts die Theorie in Umlauf, Gold beginne im August zu wachsen, wenn die Sonne am mächtigsten sei und der Nil anschwelle. Gehe das Wasser dann zurück, könne man auf dem überschwemmten Land Büsche finden, deren Wurzeln aus Gold seien. Die Araber wussten lange nicht, dass jener Teil ihres Goldes, der nicht von der eingeschmolzenen Beute aus geplünderten syrischen Kirchen, ägyptischen Gräbern oder persischen Schatzkammern stammte, aus Westafrika kam. Was ihnen aber bekannt war, ist der Ursprung ihres Silbers, das sie aus Transoxanien, Chorassan und Europa bezogen. Schon die Römer und die Griechen kompensierten Massenlieferungen von Myrrhe und Weihrauch aus Südarabien mit Silber. Heute ist die ”Weihrauchstrasse” von Jemen nach Rom, wie die Seidenstrasse, nur noch Geschichte. Die Erzeugung und der Verkauf von Edelmetallen galten unter strenggläubigen Moslems lange als für die Seele verderblich. Darum übten früher armenische Christen den Beruf der Gold- oder Silberschmiede in Syrien aus. Ihnen haftete der Makel des Okkulten an. Auf zwar unerklärliche, doch irgendwie Furcht erregende Weise standen sie, so glaubte man, mit dunklen Mächten, mit der Magie, der Alchimie und der Heilkunst in Verbindung. Heutzutage wollen die Araberinnen mit viel Schmuck nur noch eine ästhetische Wirkung erzielen und den Reichtum ihrer Familie signalisieren.
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Allahu akbar
Allah ist gross
Aschhadu an la ilaha illa llah
Ich bezeuge, dass es keinen Gott gibt ausser Allah
Asch hadu ann Muhammadan rasulu llah
Ich bezeuge, dass Muhammad der Gesandte Gottes ist
Haiya ‘ala s-salah
Herbei zum Gebet
Haiya ‘ala l-falah
Herbei zum Heil
Allahu akbar
Allah ist gross
La ilaha illa llah
Es gibt keinen Gott ausser Allah
Der Gebetsruf des Muezzins von einem Minarett ertönt täglich vor Sonnenaufgang, zu Mittag, in der Mitte des Nachmittags, bei Sonnenuntergang und eineinhalb Stunden danach.
Wir machen mit Suhail in seinem Auto einen Tagesausflug ins 100 km entfernten Bosra im Süden, nahe der jordanischen Grenze. Diese Stadt war einst wegen ihrer Lage an einer Kreuzung der verschiedenen Karawanenwege von grosser Wichtigkeit, verlor dann aber langsam an Bedeutung. Das verbliebene Städtchen und seine alten Ruinen sind wundervoll; alles ist aus schwarzem Basaltgestein.
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