Am nächsten Tag wandern wir nochmals Kilometer um Kilometer auf den Spuren von längst vergangenen Kulturen und klettern nochmals keuchend zum Kloster hinauf, um mit Qassan und Ismail Tee zu trinken. Beim Sextus Florentinus Grab, das um 130 n. Chr. für den römischen Gouverneur der Provinz Arabien von seinem Sohn gebaut wurde, bestaunen wir die Kombination von römischen und nabatäischen Architekturmotiven. Ich will hier nicht alle Monumente aufzählen, kann aber mit Sicherheit behaupten, dass wir auch nach zwei ganzen Tagen in Petra noch nicht alles gesehen haben.
Weil ich gestern Abend so lange mit Ataf, dem Hotelinhaber, geplaudert und Arrak (Anisschnaps) getrunken habe, fror ich nicht so entsetzlich in meinem Schlafsack. Ich konnte auch gleich einschlafen. In meinem Kopf drehte sich alles. Beim Frühstück wimmelt es von Holländern, Franzosen, Deutschen, Japanern und Taiwanerinnen in der Hotelhalle und ich bin froh um plaudernde Gesellschaft.
Marilyn hat uns gestern verlassen. Thomas und ich fahren mit einem Schulbus bis nach Shobak, stellen uns auf die Strasse und halten den Daumen raus. Das dritte Fahrzeug hält an. Der Fahrer des Minibusses vergewissert sich drei Mal, ob wir auch wirklich keine Juden seien und lässt uns schlussendlich einsteigen. Es handelt sich um einen Palästinenser und das erklärt wohl, wieso das für ihn so wichtig ist. Wir diskutieren wie so oft in Jordanien über Politik und er erzählt uns seine Theorie des Golfkrieges von 1990: George Bush habe sich mit Saddam Hussein verbündet und zusammen hätten sie abgemacht, dass Saddam Kuwait annektieren solle. Danach kämen die ach so hilfsbereiten Weltpolizisten aus den USA und retteten Kuwait, zögen damit auch den grossen Nachbarn Saudi-Arabien auf ihre Seite und bekämen für den Wiederaufbau aller zerstörten Städte nachher natürlich die Aufträge. Und liessen sich dabei wohlverstanden auch ihre Hilfe von Japan, Deutschland, England & Co. finanzieren. Gutes Geschäft! Das ist, wie gesagt, die Theorie unseres dabei recht laut gestikulierenden Fahrers.
Wir sind auf dem Old Kings Highway , der alten Hauptstrasse, die den Süden mit dem Norden verbindet. Im Zickzackkurs geht es über Hügel, durch kleine Dörfchen und an Beduinensiedlungen vorbei. Die Landschaft ist viel interessanter als die baumlose flache Wüste, durch die der moderne Desert Highway verläuft, auf dem wir nach Aqaba gefahren sind.
In Tafila bringt uns unser Fahrer zu einem Freund in einen Kleiderladen, weil er in diesem Städtchen ein paar Geschäfte erledigen muss. Sein Freund offeriert uns Tee und setzt sich zu uns. In einem anderen kleinen Dorf muss unser Fahrer wieder ein paar Geschäfte aufsuchen und lässt uns aussteigen. Wir setzen uns an den Strassenrand, knacken Pistazien und schauen einfach dem Treiben auf dem Dorfplatz zu. Ein paar alte Männer gesellen sich zu uns und fragen, woher wir kommen. Da halten zwei Autos an, um uns zu fragen, ob sie uns irgendwohin mitnehmen können! Das ist mir noch nie passiert, dass mich - ohne Autostopp gemacht zu haben - einer mitnehmen will!
Später erklärt uns unser Fahrer, dass er im Falle einer Autopanne in Jordanien sogar noch zu später Stunde einfach an die nächste Haustüre klopfen könne und die Bewohner dieses Hauses würden ihn wie einen Gast behandeln, ihm zu essen geben und ein Bett zum Schlafen herrichten. Das sei islamische Gastfreundschaft. Ich denke an die Schweiz und schäme mich… Dann fragt er uns schmunzelnd, ob wir eigentlich keine Angst gehabt hätten, dass er uns nicht mehr abholen würde? Unsere Rucksäcke waren ja in seinem Wageninnern zwischen den Kisten mit T-Shirts, Hemden und Blusen verstaut, die er verkaufen muss. Nein, wir haben ihm einfach vertraut.
Vier Stunden fahren wir mit ihm und er macht sogar noch einen Umweg, um uns nach Kerak zu bringen und uns vor einem Hotel abzusetzen. Als ich ihm ein Trinkgeld geben will, winkt er ab. Als ich es ihm mit den Worten «fürs Benzin» abermals hinhalte, wird er fast wütend.
3Das Kreuzritterschloss von Kerak hat Kreuzritter Balduin I. im Jahre 1136 bauen lassen. Es ist eine stattliche Bauruine. Vom vergangenen Glanz ist leider nicht viel übrig geblieben. Die ganze Burg ist etwa 300 Meter lang. Vor allem die unterirdischen Gänge und eine 150 m lange Halle sind interessant.
Am Nachmittag machen wir einen Busausflug ans Tote Meer. Dieser See befindet sich am tiefsten Ort der Erde, 400 Meter unter dem Meeresspiegel. In einer Wüstenlandschaft mit Beduinenzelten, Schafherden, Bauernhöfen und bebauten Gemüsefeldern. Die Ufer des Binnenmeeres kann man nicht als schöne Strände bezeichnen. Da es keine Duschen gibt, um sich nachher das extrem salzige Wasser abzuwaschen, halten wir nur die Füsse ins Wasser. Es ist so salzig, dass ein Fisch nur eine Minute darin überleben würde. Und schmeckt scheusslich.
Mohammad und Ibrahim, zwei Brüder, die des Weges gekommen sind, machen mit herumliegendem Holz ein Feuer und wir setzen uns zu ihnen ans Lagerfeuer. Es ist so idyllisch hier, dass ich meine Schweizer Freunde von zu Hause sehr vermisse! Wie viel schöner wäre es, mit einer Freundin hier zu sitzen! Ich habe kein Heimweh nach der Schweiz, aber nach guten alten Freunden, mit denen ich mich unterhalten könnte.
Am Abend gehen wir in ein kleines Lokal mit einer gewölbten Kuppel. Der Inhaber spricht kein Englisch, öffnet aber seinen Kühlschrank und wir zeigen einfach auf die Speisen, die er für uns aufwärmen soll. Das Essen in Jordanien besteht meistens aus Poulet- oder Schaffleisch mit Reis. Die Vorspeisen sind abwechslungsreicher: Auberginen, Kichererbsen, Sesampaste, Joghurt, Knoblauch, Salate, Kräuter und Gewürze. Immer gibt es ofenwarmes frisches Fladenbrot dazu. Und zum Dessert natürlich honigsüsses Baklava.
Als wir ins Hotel zurückkommen, spielt ein junger Mann auf einer Lut , einer Art Gitarre mit elf Saiten. Mit acht anderen Touristen lauschen wir seinen wunderschönen traditionellen Liedern und tauschen Reiseerlebnisse aus.
Der irakische Kellner Ja’ad versteht kein Englisch - ich leider kein Arabisch -, aber beim Frühstück in seinem gemütlich eingerichteten Café ahme ich heute morgen ein Huhn nach, worauf sich sein Gesicht mit einem breiten Lachen überzieht und er mir prompt ein Omelett aus zwei Eiern serviert!
Die Busverbindungen auf der alten Königsstrasse sind nicht sehr gut. So chartern wir einen Minibus nach Mount Nebo bei Madaba. Von diesem Berg schaute Moses zum ersten Mal auf das heilige Land hinunter. Die alte Kirche, die auf dem Berg steht, wäre sehr schön ohne Wellblechdach. In ihrem Innern auf dem Boden sind Mosaike aus dem 5. Jahrhundert erhalten geblieben. Auch in Madaba selbst ist in einer christlichen Kirche ein uraltes Mosaik zu bestaunen. Mit einer Landkarte des Nahen Ostens, dem Staat Palästina und Jerusalem als Hauptstadt. Schön wärs! Israel ist natürlich nicht drauf, es wurde erst 1948 gegründet.
30 km weiter kommen wir nach Hammamet Ma’in. In dieser wilden Schlucht mit heissen Quellen und Wasserfällen haben die Jordanier ein Wasserplanschzentrum mit römischen Bädern, Saunas, Swimming Pools, Liegewiesen, etc. gebaut. Da heute Samstag ist, wimmelt es von einheimischen Touristen. Im Alpamare Jordaniens plantschen die Männer in Badehosen während die Frauen in langen Kleidern mit Kopftüchern daneben stehen. Die moderneren Frauen ohne Kopftuch gehen mit Jeans und T-Shirts ins Wasser. Irgendwie stimmt es mich nachdenklich und fast ein wenig traurig.
4Jerasch ist das beste Beispiel einer römischen Provinzstadt, die sehr gut erhalten geblieben ist, weil sie lange unter Sand versteckt war. Sie wurde in der Zeit von Alexander dem Grossen, im Jahre 332 vor Christus erbaut. Erst 1806 wurde sie vom Deutschen Ulrich Seetzen wiederentdeckt.
Im Jahre 63 v. Chr. nahm der römische Feldherr Pompejus diese Region ein und Jerasch wurde Teil der römischen Provinz Syrien. Die nächsten 200 Jahre wurde mit den Nabatäern Handel geführt und Jerash sehr wohlhabend. Erst nach dem 5. Jahrhundert wurde das Christentum Hauptreligion. Es folgte eine persische Invasion im Jahre 614; die Moslem fielen 636 ein. Nach einer Serie von Erdbeben um 747 wurde Jerasch unbedeutend. Im 12. Jahrhundert wüteten die Kreuzritter.
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