Im Hashem Restaurant, rund um die Uhr geöffnet, ist Hochbetrieb. Auch an den kleinen Fruchsaftbars steht immer eine Traube von durstigen Leuten. Kebab-Buden und andere Schnellimbiss-Stände, Souvenirshops, Kleider-, Schmuck- und sehr viele Süssigkeitenläden prägen das Strassenbild. Die Süsspeisen haben in den arabischen Ländern eine grosse Tradition. Baklawa, Harisse, Karabidsch, Ghoraybiyeh, Muhallabiyeh und wie sie sonst noch alle heissen, sind mit Rosen- und Orangenblütenwasser parfümierte, meist sirupgetränkte Teigtäschchen, Puddings, Kekse, Konfekt und öltriefendes Spritzgebäck. Kunafeh wird eine Mehlspeise aus extrem dünnem und vielschichtigem Blätterteig genannt, die in heissem Öl gebacken, mit allerlei Nüssen gefüllt und mit gerösteten Teigfäden bestreut wird.
Mit « what is your country, my friend? » oder « welcome to Jordan! » werden wir immer wieder angesprochen. Die Jordanier sind ausserordentlich freundliche Menschen, lächeln uns an und wollen immer wieder wissen, woher wir kommen. Die erste Begegnung mit der arabisch-orientalischen Welt beeindruckt mich sehr. Ich weiss nicht, wie die Syrer sind, aber die Jordanier sind mir heute schon sympathisch.
Weil es ununterbrochen regnet und noch recht kalt ist, beschliessen Thomas und ich am zweiten Tag, mit dem nächsten Bus in den Süden zu fahren. Mit einem «super-deluxe» Bus bringen wir die trostlosen, langweiligen 340 km durch die Wüste hinter uns und kommen zum Badeort Aqaba, am Golf von Aqaba, am Roten Meer.
Von unserem kleinen Hotel sind es nur hundert Meter bis zum Strand, wo man Glasbodenboote und Schnorchelausrüstung mieten kann. Die ganze Stadt strahlt eine sehr friedliche und ruhige Atmosphäre aus. Breite schöne Boulevards, von Palmen gesäumt, und Promenadenwege führen dem Sandstrand entlang. Ein paar alte Männer sitzen auf Korbstühlen in einem Strandcafé und saugen an den Nargileh, den Wasserpfeifen mit den gläsernen, wunderschön gearbeiteten Rümpfen, auf die sie die Tabakröllchen samt der glühenden Holzkohle legen. Sie sind mit kunstvoll geschmiedeten Aufsätzen aus Messing versehen und einem Mundstück, das meistens aus Meerschaum ist und aus Eskisehir in Westanatolien stammt.
Als Tabak um das Jahr 1600 im Orient aufkam, erklärten orthodoxe Korangelehrte seinen Genuss zum rituell unreinen Akt. Tabak wurde hauptsächlich von Mystikern konsumiert. Unter Sultan Murat IV., der von 1623 bis 1640 regierte, wurde sogar mit dem Tode bestraft, wer ihn dennoch rauchte. Angebaut wurde Tabak vor allem in Mazedonien, Nordgriechenland und Anatolien.
Wir gehen in das kleine Beduinen-Dörfchen und trinken mit diesen stolzen und schönen Leuten Tee. Die Verkäufer in den Souvenirläden sind nicht aufdringlich und wir lernen Elias kennen, der verschiedenfarbigen Sand in kleine Flaschen abfüllt. Auch er lädt uns zum Tee ein. Wir diskutieren lange mit ihm auf dem Trottoir und finden heraus, dass die Jordanier nach dem Motto «leben und leben lassen» in den Tag hinein leben. Man muss beim Einkaufen schon feilschen, aber hier habe ich nicht das Gefühl, über den Tisch gezogen zu werden; das Ganze findet immer mit einem Lächeln statt.
Viele kleine Restaurants servieren herrliche arabische Speisen und zum ersten Mal probiere ich Baba K hanudsch , Auberginenpüree, und H omoss, Kichererbsenpaste, mit Fladenbroten. Ich liebe die arabische Küche!
Eine Legende besagt, dass im 16. Jahrhundert in Mokha am Roten Meer ein gewisser Ali ibn Omar al-Schadhili, Scheich des kleinen Hafens, vorbeisegelnden Kaufleuten aus Portugal ein seltsames schwarzes Gebräu auftischte, das er aus gerösteten, zerstampften und in Wasser aufgekochten Bohnen zubereitet hatte. Die Kaufleute waren begeistert vom Aroma und der kräftigenden Wirkung des Getränks und nahmen angeblich sofort mehrere Säcke der grünen Bohnen an Bord ihrer Handelsschiffe. Historiker bezweifeln, dass der Kaffee tatsächlich über Portugal nach Europa gelangte. Vielmehr sollen südarabische Derwische den stimulierenden Effekt des ursprünglich aus der äthiopischen Provinz Kaffa importierten Samens als erste erkannt und dazu genutzt haben, die Ekstasen während ihrer religiösen Übungen zu verlängern. Die Derwische propagierten ihn dann im gesamten Osmanischen Reich. Erst im 17. Jahrhundert erfasste die Koffeinsucht Europa. Der Kaffee stammte damals fast ausschliesslich aus dem Hochland des Jemen auf der Arabischen Halbinsel. Und der mit Abstand wichtigste Ausfuhrhafen war Mokha. In der Zwischenzeit ist der südarabische Kaffee längst von anderen Sorten aus dem Weltmarkt verdrängt worden. Die Jordanier servieren uns arabischen Kaffee mit gemahlenem Kardamom, um ihm seine Bitterkeit zu nehmen. Ausserdem soll der Kardamom bei der Verdauung der fettigen Speisen helfen.
Das Wetter ist wunderbar warm und der blaue Himmel fast wolkenlos. Gorbatschow, den wir gestern bei Elias kennengelernt haben, holt uns ab. Er ist Taxifahrer und nennt uns keinen anderen Namen. Wir fahren dem Strand entlang nach Süden bis an die saudiarabische Grenze. Schöne Sandstrände wechseln sich ab mit grässlichen Hafenanlagen, wo irakische Tanker zum Teil seit fünf Jahren - seit dem UN-Embargo gegen den Irak - arbeitslos herumliegen. Die UNO führt einen Wirtschaftskrieg gegen das irakische Volk. Hat sie das Recht, das irakische Volk verhungern zu lassen? Gleichzeitig sagt die UNO nichts zu den UNO-Resolutionen, die Israel verletzt hat. In unserem Hotel in Amman war eine Weltkarte an die Wand geklebt, worauf das Wort «Israel» unleserlich gestrichen worden war. Kein Jordanier, mit dem wir über Politik gesprochen haben, hat sich je positiv über den Diktator Saddam Hussein geäussert, aber wir stellen eine grosse Solidarität mit dem unterdrückten irakischen Volk fest. Die Wirtschaftssanktionen der Vereinigten Nationen treffen etwa 20 Millionen unschuldige Zivilisten, während sich die Elite davon sowieso nicht beirren lässt…
Vor den Stränden befinden sich wunderbare Korallenriffe. Ich habe allerdings keine Lust, zu schnorcheln; das Wasser ist mir zu kalt. Mehr als 140 verschiedene Korallen wurden hier schon identifiziert und in der Unterwasserwelt des Roten Meeres leben dutzende Korallenarten und Fische, die nirgendwo anders auf der Welt vorkommen.
Zwischen hässlichen Phosphatfabriken und parkierten Lastwagen sehen wir den Passagierterminal für die Fähren nach Ägypten. Zu unserer Linken beginnt Saudi-Arabien, wir stehen auf jordanischem Boden, vis-à-vis ist die Sinai-Halbinsel von Ägypten und dazwischen befindet sich die moderne israelische Stadt Eilat. Nachts ist sie hell erleuchtet. Wir können uns keinen israelischen Stempel im Pass erlauben, sonst lassen uns später die Iraner nicht mehr einreisen!
Nach unserem kleinen Ausflug an die Saudi-Grenze holen wir mit Gorbatschow Barbara und Hubert ab, zwei Deutsche, die wir gestern in einem der zahlreichen kleinen Strandcafés kennengelernt haben. Wir fahren zusammen in die Wüste zum Wadi Rum, dem spektakulären und geschichtsträchtigen Tal. Thomas Edward Lawrence, der von 1888 bis 1935 gelebt hat und als Entdeckungsreisender und Archäologe besser bekannt war unter dem Namen Lawrence of Arabia, «ungekrönter König von Arabien», marschierte auf seinem Feldzug gegen die Türken durch dieses Gebiet.
Leider ist diese grandiose Landschaft sehr touristisch, die Beduinen haben hier das Monopol und nützen das schamlos aus, indem sie für eine zwei- bis dreistündige Geländewagenfahrt durch diese herrliche Gegend sehr hohe Preise verlangen. Unser Fahrer ist ein 13jähriger Rowdie. So muss eine Camel-Trophy sein! Wir besichtigen 2000 Jahre alte Felsmalereien und ungewöhnliche Gesteinsformationen. Der Sonnenuntergang taucht schliesslich die ganze Landschaft und die Felsen in immer andere Farbschattierungen, bis der rote Feuerball hinter dem Horizont versinkt.
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