Bosra wurde in ägyptischen Aufzeichnungen bereits 1300 Jahre vor unserer Zeit erwähnt und im 1. Jh. n. Chr. die nördliche Hauptstadt des Nabatäerreiches. Im Jahre 106 wurde auch Bosra von den Römern eingenommen und Hauptstadt der Provinz Arabien. Die Moslems übernahmen Bosra 634, die Kreuzritter versuchten sie zweimal im 12. Jh. ohne Erfolg einzunehmen, aber die Mongolen zerstörten sie während ihrer Invasion 1261.
Bosras Hauptattraktion ist die herrliche Zitadelle mit ihrem Amphitheater, das 15’000 Menschen Platz bot. Heute schleicht eine italienische Touristengruppe herum. Im Gegensatz zu den historischen Stätten von Jordanien scheint Syriens Tourismus noch in den Kinderschuhen zu stecken. Ist es vielleicht der Diktator Assad, der abschreckt?
Entlang der Hauptstrasse schaut er von Plakatwänden herab, erhebt in päpstlicher Gebärde die Hand, als wolle er uns eine gute Reise wünschen. In jedem Laden hängt sein Porträt und in jedem Bus fährt er mit. Der gut aussehende jüngere Mann, der von anderen Plakaten herunterlächelt, ist sein Sohn Basil, der am 22. Januar 1994 an den Folgen eines Autounfalls in seinem Mercedes 600 ums Leben kam. Er hätte einmal der Nachfolger Assads werden sollen und war bei der Bevölkerung sehr beliebt.
Auch Suhail hat in seinem Geschäft ein Bild von Hafis al-Assad an der Wand hängen, jedoch hinter ihm, damit er ihn nicht immer anschauen muss. ”Es ist besser, ein Bild von Assad im Büro aufzuhängen, sonst könnte die Geheimpolizei womöglich meinen, ich mag unseren Präsidenten nicht und mir blöde Fragen stellen”, klärt er uns augenzwinkernd auf. Weiter erzählt er uns, dass in Syrien sämtliche Telefone abgehört werden. Das alles und noch viel mehr kommt nur im Flüsterton über seine Lippen und er sagt, es sei besser, wenn wir über Politik nur in seiner Wohnung reden, nicht im Restaurant oder irgendwo in der Öffentlichkeit. Sonst könne man möglicherweise von der Mukhabarat , der syrischen Geheimpolizei, wegen ”böser Äusserungen gegen den Präsidenten” verhaftet werden!
Hafis al-Assad putschte sich 1970 an die Macht. Sein Staatsstreich galt nicht als ”Revolution”, sondern als ”Korrekturbewegung”. Der neue Präsident brachte dem Land etwas, dessen es sich in seiner leidvollen Geschichte nur selten erfreut hatte: Stabilität. Zwischen der Unabhängigkeit 1946 und Assads Machtübernahme 24 Jahre später hatte es in Syrien 21 Putschs gegeben! Inzwischen herrscht der 66jährige Alawit länger als die meisten anderen Potentaten im Nahen Osten. Alle belangreichen Posten sind in den Händen von Alawiten, einer religiösen Minderheit, die etwa elfeinhalb Prozent der Bewohner Syriens ausmachen.
Syriens Stabilität fordert ihren Preis: Bis zu 60 Prozent seines Budgets gibt das Land für Armee und Sicherheitsdienste aus. Andere Sektoren kommen entsprechend zu kurz. Ausserdem konnte die nach dem Zerfall der Sowjetunion ausbleibende Unterstützung durch die Zahlungen aus den Golfstaaten nicht wettgemacht werden.
Syrien ist es nicht gelungen, sein erträumtes Ziel zu erreichen und militärisch gleich stark zu werden wie Israel, gegen das es in zwei Kriegen, 1967 und 1973, verloren hatte. Im Siebentagekrieg büsste es die Golanhöhen ein, den strategisch wichtigen Hügelzug, der jetzt einer Aussöhnung mit Israel im Wege steht.
In der Vergangenheit hat das Regime von Assad jeglichen Widerstand brutal unterdrückt. Opposition wird nicht geduldet. Als sich 1982 in der Stadt Hama militante Islamisten gegen die Regierung erhoben, liess Assad kurzerhand das Zentrum der Stadt zerstören. Bis zu 20’000 Menschen, unter ihnen viele unschuldige Zivilisten, sollen damals getötet worden sein. Seither herrscht Ruhe im Land, das im Gegensatz zu Algerien und Ägypten keinen islamischen Widerstand mehr kennt.
Nach dem Ende der Sowjetunion geben im Nahen Osten die USA den Ton an und deren Prioritäten gilt es sich unterzuordnen. Während des Golfkrieges schloss sich Syrien der westlichen Allianz gegen Irak an und liess sich dafür von Saudi-Arabien fürstlich honorieren. 1991 wurde Hafis al-Assad mit 99,9 Prozent der Stimmen zum vierten Mal als Staatspräsident gewählt. Ohne eine politische Öffnung dürfte jedoch der Umbau der maroden Staatswirtschaft zum Scheitern verurteilt sein. Präsident Assad hat übrigens alle Beziehungen zu seinem Feind Saddam Hussein abgebrochen. Es besteht nicht einmal mehr eine Busverbindung, geschweige denn ein Grenzübergang in den Irak. Dennoch ist die Bevölkerung dem irakischen Volk sehr verbunden. Wenn Suhails Ehefrau Ekhlas ihre Eltern im Irak besuchen möchte, muss sie zuerst ein jordanisches Transitvisum einholen und kann nur von Jordanien mit einem Bus nach Irak gelangen. Aber Jordanier und Syrer wissen Politik von anderen Angelegenheiten zu trennen, sind tolerant und nicht fanatisch.
Doch zurück nach Bosra. Ausserhalb der Mauern der schwarzen gespenstigen Burg schlendern wir durch ein grosses Ruinenfeld mit riesigen Säulen, Torbögen, Moscheen, Bädern, Kirchen und Klöstern, alles aus schwarzem Basalt.
Dann fahren wir nach Der’a zu Suhails Bruder, der uns herzlich empfängt und zum Mittagessen einlädt. Nachher nehmen wir ihn, seine Frau und seinen Sohn auf eine kleine Autofahrt ins Grüne mit. Von einem Hügel bietet sich uns eine schöne Aussicht über eine tiefe Schlucht und nach Jordanien. Viele Städter kommen an Wochenenden für ein Picknick hierher. An einem kleinen See warten Tretboote und am Ufer Karussells auf einheimische Touristen.
Abends bekommt unsere Gastgeberfamilie noch mehr Besuch: Faiz und Feihah, ein syrisches Ehepaar, das lange in Schweden gewohnt, und Khaled, der fünf Jahre in Deutschland gearbeitet hat und sehr gut Deutsch spricht. Er lädt uns ein, morgen bei ihm vorbeizuschauen und mit ihm Tee zu trinken. Er kann uns helfen, Geld schwarz zu wechseln, was anscheinend eine heikle Angelegenheit und strengstens verboten ist. Der Schwarzmarktkurs ist natürlich viel höher als der offizielle.
Unsere Gastgeber verwöhnen uns von Herzen. Wir kriegen ein riesiges Frühstück bevor wir uns zu Fuss auf den Weg machen, um Khaled in der Nachbarschaft zu besuchen. Er ist mit der Polin Violet verheiratet, die er in Deutschland kennengelernt hat. Sie war dort Putzfrau und er Maler. Jetzt läuft er nur noch in Anzug und Krawatte herum, betreibt selbst ein Maler- und Tapezierergeschäft und muss sich seine Hände nicht mehr schmutzig machen.
Am Nachmittag fahren wir mit dem Bus in die Stadt. Der unwahrscheinlichste Schnickschnack baumelt am Rückspiegel aller Busse und Taxis: Plastikfrüchte, Täfelchen mit Koransuren, Glöckchen, Assadbildchen und vieles Kitschiges mehr. Das Strassenbild ist ganz anders als in Jordanien. Die meisten Autos sind mindestens zwanzig Jahre alt, wunderschöne, jedoch leider meist verbeulte Oldtimer. Da die Steuern auf Personenwagen 230 Prozent betragen, können sich nur die wenigsten ein neues Auto leisten. Uns gefallen die alten Karren ausserordentlich.
Der Basar zieht mich immer wieder magisch an! Gleich dahinter befindet sich die Omaijaden-Moschee, die als drittgrösste Moschee der Welt gilt und angeblich ab dem Jahre 705 auf dem Areal eines antiken Tempelbezirks an der Stelle einer christlichen Basilika errichtet wurde. In einem Schrein mitten im Gebetssaal ruht das Haupt von Johannes dem Täufer. Die Arkadengänge sind mit prächtigen Mosaiken verziert, die Architektur ist einfach himmlisch! Sogar die Böden sind aus Steineinlegearbeiten. Mein Begleiter muss sich ein Tuch um die Beine binden und ich bekomme einen Mantel mit Kapuze.
Danach besichtigen wir das Saladdin Mausoleum aus dem Jahre 1193, das jedoch vor rund hundert Jahren mit der finanziellen Unterstützung des deutschen Kaisers Wilhelm, der Damaskus 1898 besuchte, renoviert worden war. Saladdin ist der Held der arabischen Geschichte, weil er die Kreuzritter besiegte.
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