Isfahan besitzt die grösste Konzentration von islamischen Bauwerken im ganzen Iran. Es ist dank seiner Parkanlagen und Grünflächen, baumbestandenen Alleen und Flanierpromenaden die herrlichste Stadt des Landes. Durch die Innenstadt fliesst der Zayande-Rud mit seinen wunderschönen alten Brücken. Ihrem fast mediterranen Charme, der mit dem Duft der Seidenstrasse und dem Morgenland verbunden ist, erliegt jeder!
Wir erreichen Isfahan erst gegen Abend. Es zieht uns sofort wieder auf die Strasse, nachdem wir unsere Zimmer bezogen und unser Gepäck abgestellt haben. Wir logieren gleich neben einer der drei antiken Brücken, die noch in der Zeit von Schah Abbas über den Fluss gebaut worden sind: Si o Se Pol, die «Dreiunddreissig-Bogen-Brücke», anno 1602 gebaut. Sie ist nunmehr eine Fussgängerbrücke und für den Autoverkehr gesperrt. An ihrem nördlichen Ende befindet gleich am Fusse der Brücke eine Plattform mit einer Tschai-Khana auf dem Wasser. Viele Leute bewundern das Glitzern des Wassers zur Sonnenuntergangszeit bei einem Tässchen Tee.
Am nächsten Morgen gehen wir zuerst zum Basar. Wir stehen auf dem Nagsch-é-Dschahan oder auch Meidun-é Schah (bzw. Meidun-é Imam ; Ayatollah Khomeini liess alles mit Schah in Imam umtaufen) und halten unseren Atem an. Dieser rechteckige Platz, 500 Meter lang und 160 Meter breit, wurde 1612 angelegt und bildet den Mittelpunkt des Basarbezirks. Wasserbecken mit Springbrunnen und Parkanlagen mit Bänken stehen heute hier, wo früher Polospiele und Ritterturniere, Löwen-, Stier- und Ringkämpfe stattgefunden haben. Imposante Fronten aus doppelstöckigen Loggienhäuser umgeben den wie ein gigantischer Innenhof einer Riesenkarawanserei aussehenden Basarplatz, wo vor langer Zeit noch vormittags Kamele und Pferde verkauft wurden und nachmittags Tischler, Holz- und Vogelhändler ihre Stände aufgeschlagen haben. Seit dem 11. Jahrhundert war der Nagsch-é-Dschahan Mittelpunkt der Metropole. Seide aus Kufa, Brokat aus Byzanz, Stoffe aus Ägypten, Edelsteine aus Bahrein, Elfenbein aus Indien, Moschus aus Tibet und Korallen aus dem Jemen wurden hier feilgeboten!
In die nördliche Häuserfront ist das Prunkportal Qaiseriye , der kaiserliche Basareingang, integriert worden. In der westlichen Front steht der Königspalast Ali Qapu mit seinem von 18 Holzsäulen gestützten Baldachin der Terrasse, von der die königlichen Zuschauer einst die Polospiele und Turniere auf dem Platz beobachten konnten. Im Süden steht die Masdschid-é Emam oder Imam-Moschee, deren Schönheit und Ausmasse atemberaubend sind. In der östlichen mit Souvenirs- und Kunsthandwerksläden gesäumten zweistöckigen Häuserfront befindet sich die niedliche kleine Scheich Lotfollah Moschee, für mich die schönste Moschee der Welt. Und ich habe wahrhaftig schon viele Moscheen gesehen, auch in Usbekistan! Die vollkommene Schönheit der Bauten Isfahans können den Bauwerken Timurs im fernen Samarkand das Wasser reichen!
Fangen wir mit dem Basar an. Es gibt hier rund sieben Kilometer überwölbte Basargassen, mit Ziegelgewölben oder Pappelbalken gedeckt, drei Tscharsus und um die 100 Sarays – einhundert Sarays ! Per Zufall landen wir gleich im Dschitsazha oder Stoffdruckerbasar. Im oberen Stock ist ein alter Mann am Stoff bedrucken. Diese Tücher namens Qalamkari sind eine Spezialität Isfahans. Die klassischen Muster, die mit Holzschablonen aufgedruckt werden, bestehen aus altiranischen, zoroastrischen Götterfiguren sowie aus Termeh , das wir in Europa «Paisley-Muster» nennen. Die Muster werden von Hand aufgestempelt, die bedruckten Tücher danach am Flussufer ausgekocht, gespült und getrocknet. Die Stoffdruckerbranche beschäftigt über tausend Männer. Ich schiebe mein geöffnetes Tagebuch auf den Tisch und frage den Stoffdrucker, ob er mir als Andenken ein Muster ins Tagebuch drucken kann. Er lächelt freundlich zurück und druckt mir König Cyrus, den Grossen, auf eine ganze Seite. Natürlich kaufen wir ihm ein paar seiner herrlichen Arbeiten ab. Dieser kleine Saray beherbergte früher Makler und Münzpräger, Geldwechsler und Goldschmiede.
Dann entdecken wir die Teppiche. Ich liebe iranische Teppiche und habe diese Liebe wahrscheinlich von meinem Vater geerbt. Er besitzt den Rolls Royce der Teppiche, einen Habibian aus der Stadt Nain. Natürlich habe ich mir ein paar Jahre nach ihm auch einen kaufen müssen. Da ich ein bisschen weniger gearbeitet habe in meinem Leben als mein Vater, ist mein Habibian auch ein bisschen kleiner als der seinige. Aber meiner kostete trotzdem mehr als mein Auto - ist jedoch auch bedeutend schöner als mein Auto!
Im Iran sind rund zehn Millionen Menschen direkt oder indirekt mit der Herstellung von Teppichen beschäftigt. Die Knüpfware belegt hinter dem Erdöl den zweiten Platz auf der Exportliste des Landes, es ist der grösste Teppichexporteur der Welt. Da sich Normalsterbliche einen Habibian nie leisten könnten und viele teure Teppiche nach der Revolution ins Ausland gelangten, werden heutzutage iranische Qualitätsteppiche wieder eingeführt, die einmal hinausgeschmuggelt worden sind. Ein guter Teppichknüpfer macht etwa 10’000 bis 14’000 Knoten pro Tag. Auf einem Quadratmeter Durchschnittsteppich sind etwa 100’000 bis 200’000 Knoten, während auf einem Habibian bis zu eine Million Knoten auf einem einzigen Quadratmeter zu finden sind. Es sind die Könige der Teppiche. Aber ich habe ja schon einen und kann mich – wenigstens heute noch – beherrschen…
Etwas vom Schönsten im Basar sind auf Kamelknochen gemalte Bilder. Die meisten sind mit einer Lupe gemalt worden, sehr fein und filigran. Meist zeigen sie Karawanen, Karawansereien und Moscheen, denn viele Geschäfte sind offensichtlich nur für Touristen konzipiert. Wir treffen ein paar Touristengruppen an, deren Reiseleiter nervös um ihre Schäfchen schwänzeln. Die Guides werden eine Provision erhalten, wenn einer aus ihrer Gruppe etwas ersteht. Bei einem teuren Teppich kann das ganz schön was ausmachen!
Wir haben vier Tage Zeit, uns Isfahan anzuschauen und verschieben den Besuch der beiden Moscheen auf später. Es kommt Masochismus gleich, vor der Lotfollah-Moschee zu stehen und nicht hieinzugehen!
Wir schlendern durch den mit Nadelbäumen bepflanzten Lustgarten Hascht Behescht , «acht Paradiese», und kommen zum Schah Abbasi Hotel, einem Traum von einem Hotel. Eine alte Karawanserei von den Safawiden wurde in ein Fünfsternhotel umfunktioniert. Wir begnügen uns mit einem Mittagessen in diesem traumhaft romantischen Haus.
Anschliessend machen wir einen Spaziergang dem Fluss entlang. Auf den Promenaden durch die Parkanlagen kommen wir zur Pol-é Khadschu aus dem Jahre 1650, der malerischsten Brücke der Stadt. Zwischen ihren Bögen führen Treppenstufen zum Wasser wie an den Ghats von Varanasi. Die Bögen sind mit türkisblauen Ziegeln zu einem Mosaik verziert worden und in der Mitte der bezaubernden Brücke ist ein Pavillon, alles im islamisch-orientalischen Stil. Wir setzen uns in den Schatten unter einen der Torbogen und schreiben Postkarten. Nach und nach gesellen sich Leute zu uns, bis wir von etwa 20 jungen Männern umgeben sind, die uns regelrecht wie in einer Talkshow interviewen. Einer spricht sehr gut Englisch. Er übernimmt das Wort und beginnt seine Fragen jeweils mit: «Dieser Mann im blauen Hemd möchte gern wissen…» oder «dieser Gentleman fragt euch…». Natürlich nützen alle die Chance, einmal mit jungen Ausländerinnen zu sprechen. Ihre Fragen drehen sich denn auch meistens um Familie und Intimeres. Wir erklären ihnen, dass junge Liebespaare in der Schweiz meist ein paar Jahre zusammen wohnen, bevor sie sich entschliessen, zu heiraten; man wolle den Partner ja auch etwas testen. Ob er zum Beispiel im Haushalt hilft, aber auch wie er küsst und so weiter . Als Astrid ihnen erzählt, dass sie bereits seit 10 Jahren den gleichen Freund hat, mit ihm gar zusammenwohnt, aber nicht verheiratet ist, schiesst der Talkmaster den Vogel ab mit seiner Frage:
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