Unseren letzten Tag in Schiras verbringen wir mit ausschlafen, einem langen Frühstück und in den idyllischen Parks der Stadt. Das Grabmal von Khajé Shams-ed-Din Mohammad oder ganz einfach Hafez ist aus Marmor. Karim Khan hatte es 1773 bauen lassen. Es ist mit Versen aus Hafez’ Büchern graviert. Der kleine Pavillon ist später hinzugefügt worden und voller Fayencen, die besonders fein bemalt sind. Die Bauten stehen in einem herrlichen Blumengarten mit zwei Pools und einer der malerischsten Tschai-Khana s , die ich je zu Gesicht bekommen habe. Das Teehäuschen sieht mehr wie eine Karawanserei oder Medresse aus und ist vollständig aus ockerfarbenen Ziegelsteinen gebaut. In die Nischen unter den orientalischen Bögen wurden Kissen und flache Tischchen gestellt, die mit einem handbedruckten Leinentuch abgedeckt sind.
Auch das Grabmahl für Sheikh Mohammad Shams-ed-Din, besser bekannt unter seinem Pseudonym Saadi , ist mit vielen Malereien vor allem mit Blumen und Vögeln dekoriert. Auch dieses Grab steht in einem sehr schönen kleinen Park, ruhig und romantisch zwischen Zypressen und Palmen gelegen. Um Briefe und Postkarten zu schreiben verziehen wir uns in den Eram-Rosengarten.
Heute ist Montag und am Montag ist im ersten Untergeschoss des Hallenbades im Homa Hotel Frauenabend. Das lassen Astrid und ich uns natürlich nicht entgehen. Wir hätten zwar lieber einmal unseren gut aussehenden und gut gebauten Fahrer in Badehosen gesehen, aber wir geben uns hier dezent und islamisch... Es gibt ein normales Bassin, ein Sprudelbad, eine Sauna, sogar ein Dampfbad und eine Fitnessecke mit Turngeräten. Endlich sehen wir die Iranerinnen einmal ohne Verkleidung. Alle haben schöne schwarze lange Haare. Die meisten sind recht pummelig und haben ein paar Kilos zuviel. Wenn ich immer in loser, weiter, langer Kleidung herumlaufen müsste, hätte ich meine Figur auch weniger im Griff!
Nach dem ersten Plantschen setzen wir uns für eine Tasse Tee an einen Tisch und werden natürlich von diesen netten jungen neugierigen Damen sofort angesprochen. Sie sind sehr stark geschminkt, Make-up, Lippenstift, Lidschatten, Kajal und Rouge. Wir erzählen ihnen, dass wir uns nicht schminken, wenn wir zu Hause ins Hallenbad gehen - dafür aber Lippenstift auftragen, wenn wir ausgehen. Da es 1996 im Iran noch verboten ist, geschminkt in der Öffentlichkeit aufzutauchen, tragen sie die Farben halt umso grosszügiger auf, wenn sie unter sich sind. Wir diskutieren heftig und werden von allen Seiten nach Hause eingeladen.
5Fast 600 km sind wir bis nach Kerman unterwegs. Der grösste Teil der Strecke führt durch eine flache Halbwüste. Am Anfang noch hügelig und mit grossen Feigenbaumplantagen. Am Strassenrand werden getrocknete Feigen verkauft. Wir halten an und müssen diese natürlich probieren – sie schmecken ausgezeichnet. Jede Region hat ihre eigenen Köstlichkeiten, die je nach Klima angebaut werden. In der Provinz Mazandaran im Norden zum Beispiel wird Reis angebaut, meist noch mit dem Ochsenpflug. Um das Kaspische Meer wachsen Trauben. Aus den Trauben wird - seit der Alkohol verboten ist - offiziell Essig gemacht. Mansur hat uns verraten, dass früher, als offiziell Wein gemacht wurde, die Weinbauern heimlich Essig gemacht hätten. Vor allem gibt es Zitronen, Orangen, Pfirsiche, Melonen und Kirschen. Dem Golf entlang sind es mehr Datteln und Bananen und in den sandigen Wüsten und Steppenregionen im Osten werden Datteln und Pistazien kultiviert.
Zweimal überholen wir hupend und winkend die drei Holländer, die mit einem Minibus gekommen sind und die wir in Dogubeyazit kennen gelernt haben.
Die Provinz Kerman hat nur 1,6 Millionen Einwohner, trotz ihrer Fläche von 180’000 km². Im Norden der Provinzhauptstadt gleichen Namens beginnt die berüchtigte Dasht-é-Lut , die mit der anderen, auch «Grosse Salzwüste» genannten Dasht-é-Kevir im Norden die zwei riesigen Wüsten bildet, deren harsches Terrain die Nerven der frühesten Reisenden und Karawanen auf die Folter spannte.
Das Akhavan Hotel ist ein kleines privates Hotel, das von zwei freundlichen und immer lachenden Brüdern geführt wird. Es gefällt mir sehr gut, auch ist der Service viel sympathischer als in einem staatlichen Hotel. Die Hochebene liegt auf 1749 m, umrahmt von Bergketten.
Da die Stadt Kerman nicht so gross ist, wollen wir sie zu Fuss erkunden und stellen es unserem Fahrer frei, uns zu begleiten oder einen Tag frei zu machen. Er wählt die zweite Variante, bleibt im Hotel und schläft oder schaut den ganzen Tag fern. Wir beginnen unseren Tag beim Gombad-é Jabaliyé , einem oktogonalen und mit einer Kuppel versehenen Gebäude, von dem man nicht weiss, wie alt es ist oder was es darstellen soll. Vielleicht ist es gar um das zweite Jahrtausend vor unserer Zeit entstanden und ein zoroastrischer Tempel. Es ist aus Stein gebaut und nicht aus Ziegeln und darum etwas ganz Spezielles.
Einmalig in der islamischen Welt ist das aus der Safawiden-Zeit erhaltene Moayedi -Eishaus. Es sieht aus wie ein gigantischer Bienenstock. In seinem hermetisch abgeschirmten Innern wurden bis zur Erfindung des Kühlschranks den ganzen Sommer über Eisblöcke und Nahrungsmittel zum Kühlen aufbewahrt. Die Masdsched-é Emam oder Imam-Moschee ist aus dem 11. Jahrhundert und von den Seldschuken.
Der Bazar-é Vakil oder Regentenbasar kann es jederzeit mit dem von Damaskus, Aleppo oder Schiras aufnehmen. Wieder so ein Seidenstrassenromantik- und Märchen-aus-tausendundeiner-Nacht-Basar wie aus dem Bilderbuch. Auch wegen seiner Lage in dieser wüstenähnlichen, ockerfarbenen Umgebung. Wir entdecken ein herrliches altes Badehaus, das Hammum-é Ebrahim Khan. Da es nur für Männer offen ist, können wir nur einen kleinen Blick in den hohen Innenraum werfen, als ein Herr auf unser Klopfen die Türe öffnet. Ein weiteres Hammam ist das aus dem 17. Jahrhundert während der Safawidenperiode erbaute Mardom Shenasi-ye Gandsch ali Khan , das in ein Museum umgewandelt wurde. Es ist wunderschön mit gebrannten Ziegeln, hohen Kuppeln und Alabastersteinen verziert, die von der Sonne aufgeheizt werden. Lebensgrosse Wachsfiguren in verschiedenen Kostümen und Posen zeigen uns, wie es hier einmal ausgesehen hat, als es noch in Gebrauch war. Abwechslungsweise war es eine Woche für Damen und die nächste Woche für Herren geöffnet.
Ein drittes Hammam , das direkt an den Basar grenzt, wird jetzt als Tschai-Khana geführt und nennt sich Chaikhuné-yé Vakil . Als Tschai- Khana -Freak schlägt mein Herz höher und ich bin sicher, dass dies das schönste traditionelle Teehaus im ganzen Morgenland ist! Natürlich setzen wir uns in eine kleine Nische in der Wand, um Tee zu trinken, etwas zu essen und an einer «Habli-Babli» zu saugen (wir Touristen nennen die Wasserpfeifen so, aber da ist natürlich nur Tabak und kein Haschisch drin). Das Lokal ist im Untergeschoss und hat nur hoch oben ganz kleine Fenster. Es ist vollkommen mit blassrosaroten, luftgetrockneten Ziegeln gebaut, während an den Wänden blaue, weisse und schwarze glasierte Ziegel zu Mosaiken angebracht worden sind. Palmen stehen in weissen Porzellantöpfen. In der Mitte befindet sich ein achteckiger Pool mit einem Springbrunnen. In den umliegenden Nischen unter typisch islamischen Torbögen liegen Kissen auf den etwas höheren Marmorböden. Im hinteren Raum sind die ersten vielleicht eineinhalb Meter der Wände mit in Blautönen bemalten Kacheln verziert, weiter oben sind die Wände, Kuppeln und Bögen mit Gips oder Stuck abgedeckt. Lämpchen und Vasen sorgen für orientalisches Dekor und eine traumhafte Atmosphäre. Wie ich dieses Plätzchen liebe!
Auch die Madrasé-yé Gandsch ’ali Khan und Madrasé-yé Ebrahim Khan aus dem 17. bzw. 19. Jh. sind in das Basarlabyrinth integriert worden. In der Freitagsmoschee ( Masdsched-é Dschamé ) müssten meine Freundin und ich wieder einen Tschador überziehen, aber wir wollen diese verschwitzten Lumpen nicht nehmen und binden unsere Kopftücher wie die wildesten Mudschaheddin oder islamischen Friedenskämpfer im Räuberstil um unser Gesicht, so dass nur noch unsere Augen zu sehen sind. Kleiner Protest. Ein bisschen Spass muss sein...
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