Und jetzt das Schah-é Sheragh aus dem 13. Jahrhundert! Ein Komplex von unübertrefflicher Schönheit, bestehend aus einem Grab und einer Moschee um einen grossen Innenhof mit Wasserbecken und Springbrunnen. Das Mausoleum ist von Sayyed Mir Ahmad, dem König der Lampen (kein Witz!) und Bruder von Imam Reza, der im Jahre 835 in Schiras gestorben ist. Die dazugehörige Moschee wurde ursprünglich im Jahre 894 gebaut. In ihrem Hof steht das Khodakhune , ein 600-jähriger wie ein Pavillon aussehender Schrein für wertvolle Korankopien, dessen Form der würfelähnlichen Kaaba von Mekka nachempfunden wurde. Die Schiiten verstehen unter Imam die leiblichen Nachfahren Alis, dem aus ihrer Sicht einzig legitimen Erben Mohammeds. Der zwölfte Imam , meinen die Schiiten im Iran (die Ismaeliten behaupten, der Siebte), sei in die Unsichtbarkeit entrückt und werde dereinst als Führer der Menschheit wiederkehren. Im Iran sind nur zwei Imame begraben; Imam Reza, dessen Bruder hier Ruhe gefunden hat, ist der Achte und ruht in Maschad, und Khomeini in Teheran. Allah sei mit ihnen! Darum sind das die wichtigsten Pilgerorte für die Gläubigen. In Maschad ist die Anlage mit dem Mausoleum Imam Rezas nur für Muslime zugänglich, aber wir haben gehört, dass sich schon Touristen hineingeschummelt und bei etwaigen Kontrollen einfach behauptet haben, sie seien Bosnier. Diese können auch hellhäutig und blond sein, sind aber Moslems. Gute Idee! Ich weiss trotzdem nicht, ob ich den Mut hätte, in einem der zwei heiligsten und religiösesten Orte des Irans die Religionspolizei anzulügen!
Weil auch dieser Ort ein wichtiges Pilgerziel ist, müssen Astrid und ich unsere Körper wieder einmal mit einem der bereitstehenden Tschadors aus der Mottenkiste verhüllen. Das Mausoleum ist mit einer bezaubernden riesengrossen Kuppel versehen, die mit einem filigranen Muster aus hell- und dunkelblauen, goldgelben, weissen und schwarzen Farben auf Fayencen gemalt ist. Auf beiden Seiten stehen Minarette, deren Spitzen mit Gold verziert sind, und die Türme mit Fayencen in den gleichen Farben wie die Kuppel. Der Eingangsiwan ist ein Kunstwerk aus glasierten Kacheln in verschiedenen Blautönen und Gold. Koranverse sind aufgemalt und auf dem Türmchen über dem Portal sind Porträts der Herren Khomeini und Khamenei.
Im Innern der voll mit Spiegeln ausgestatteten Grabkammer sprechen uns ein paar junge Mädchen auf Englisch an:
«Was haltet ihr im Ausland von Ayatollah Khomeini?»
Zum Glück sind Astrid und ich zurückhaltend und antworten verlegen, dass wir leider nicht so viel über ihn wissen. Denn sie erklären uns nun, dass er ein sehr guter und intelligenter Mann gewesen sei. Wir wechseln schnell das Thema und fragen die Schülerinnen, wieso sie die Farbe Schwarz für ihren Tschador und den Rest ihrer Kleider gewählt haben. «Damit die Männer uns nicht nachschauen», klären sie uns auf und sagen zu Astrid, sie solle ihre Haare besser unter ihrem Kopftuch verstecken. Mit dem schwarzen Tschador seien sie den Männern gleichgestellt und hätten genau so viel Rechte wie sie. Sie könnten ihren Ehemann selbst auswählen und sich auch scheiden lassen, wenn sie möchten. Sie scheinen alle völlig überzeugt von dem, was sie von sich geben und tun uns sehr leid, dass sie der Gehirnwäsche und Propaganda ihres Führers auf den Leim gegangen sind. Wir können diese Mädchen nicht verstehen und kommen an die Grenzen unserer Toleranz. Gleichzeitig sind solche Erfahrungen auch sehr interessant.
Als wir einen Polizisten fragen, wo das nächste Café sei, begleitet er uns kurz entschlossen einen Kilometer bis zum nächsten Lokal. Später bringt uns ein junger Bursche mit seinem Auto zu unserem Hotel zurück und will nicht einmal Geld für die Fahrt. Die Perser sind sehr nett und zuvorkommend!
Heute gehen wir fürs Abendessen ins beste Haus am Platz, dem Homa Hotel, mit dem grosszügigen Garten und einem riesigen Salatbuffet. In der Eingangshalle steht mit metergrossen Buchstaben « DOWN WITH U.S.A. » an der Wand, was uns ein Schmunzeln nicht unterdrücken lässt. Es handelt sich um ein staatliches Hotel… Sogar die knauserigsten Rucksacktouristen kommen in Schiras ins teuerste Hotel der Stadt zum Essen, denn im Iran kostet es einen Pappenstiel.
Jeden Abend vermisse ich den Alkohol mehr. Ich bin zwar keine Alkoholikerin, aber weil ich weiss, dass es sich um etwas Verbotenes handelt, bestelle ich täglich mit einem spöttischen Grinsen beim jeweiligen Kellner einen Gin-Tonic zum Apero. Worauf ich immer ein melancholisch-seufzendes « sorry, Miss! » mit einem Lächeln zurück bekomme und von meinen Begleitern ein «nicht-schon-wieder!».
4Tagesausflug nach Pasargade, Naqsh-é Rostam und Persepolis.
Pasargade ist 130 km von Schiras entfernt. Es besteht aus ein paar Ruinen auf einem trockenen Plateau mit Steppengras. Cyrus II. oder auch ”der Grosse”, der von 559 bis 530 v. Chr. lebte, wählte diesen Ort für seine Hauptstadt. Hier begann das Achämeniden-Reich. Sein Grabmahl steht fast allein auf der leeren Ebene, etwas weiter weg einige Ruinen seines Palastes. Mehr alt als schön, aber historisch sehr bedeutend.
Naqsh-é Rostam ist eine der wichtigsten Stätten im Iran mit Achämeniden- und Sassaniden-Architektur. Wir sind nur noch acht Kilometer von Persepolis entfernt. Hier haben (als einziger mit Sicherheit identifiziert) König Darius I., der von 521 bis 485 vor Christi Geburt lebte, und drei seiner Nachfolger ihre Grabstätten gewählt. Man vermutet, dass es sich bei den drei anderen um Artaxerxes I. (465 - 424 v. Chr.), Xerxes I. (485 - 465 v. Chr.), und Darius II. (425 - 405 v. Chr.) handelt. Die Gräber sind in die Felsen gehauen und wunderschöne Reliefs verzieren die senkrechte Felswand. Das schönste Basisrelief zeigt den Sieg Schapurs über die Römer, ein anderes Ardeshir I. mit dem zoroastrischen Gott Ahuramazda. Unter den Hufen ihrer Pferde liegen ihre Feinde, der spirituelle Feind Ahuramazdas, Ahriman, der böse Geist und ein reeller Feind, Artebanus V., der letzte Parther. Ein freistehendes kleines verfallenes Steingebäude war höchstwahrscheinlich ein Feuertempel der zoroastrischen Achämeniden.
Endlich kommen wir zum besten, was der Iran archäologisch zu bieten hat: Persepolis . Dieser von den Griechen gegebene Name entstand erst, als Alexander der Grosse im Jahre 331 vor Christus den ganzen Prunk zerstört hatte! Nennen wir die sehr gut erhaltenen Ruinen des massiven und grossartigen Palastkomplexes der Achämeniden daher lieber Takht-é Dschamschid . König Darius hat im Jahre 518 vor unserer Zeit mit dem Bau einer neuen Hauptstadt begonnen (nach Susa), ein wenig weiter entfernt von Pasargade , wo der Palast Cyrus des Grossen gestanden hatte. Takht-é Dschamschid war keine administrative oder kommerzielle Hauptstadt, sondern hatte nur Palastcharakter für Festivitäten und Empfänge.
Die Ruinen, vor denen wir heute stehen, sind nur ein Schatten der Grösse und Schönheit, der Pracht und des Glanzes, die diese Palastanlage einmal gehabt haben muss. Sie war etwa 450 mal 300 Meter gross und bestand aus den Palästen von Darius, Xerxes und Artaxerxes III., einem Palast der Königin, der Halle mit den Tausend Säulen, Audienzhalle, Schatzhalle und einem grossen Eingangsportal. Die riesige trockene Ebene war vor 2000 Jahren viel fruchtbarer als heute, wo die Ruinenanlage allein in einer trockenen Landschaft steht. Das beeindruckendste sind die Reliefs, mit denen die Wände und Säulen buchstäblich überzogen sind. Wie in Ägypten die Tempel der Pharaos. Um die Apadana , wo die Könige ihre Audienzen abgehalten haben, sind hunderte von Kriegern und Untergebenen, die ihren Königen Tribut zollten und mit Geschenken beladen sind, eingemeisselt. Mit extremer Feinheit wurden all die Reliefs geschaffen, keine Figur sieht wie die andere aus, der Bart ist anders, die Kappe und sowieso das Geschenk, das sie in ihren Armen halten. Zwanzig Meter hohe Säulen hielten einst das Zedernholzdach dieses Palastes. Gehörnte Löwen und Stiere aus Stein hatten alle ihren Platz, liegen jetzt aber verstreut herum. Zwei Felsengräber kleben am Felsen des Hügels, an dessen Fuss sich die archäologische Stätte befindet. Unglaublicherweise haben wir das ganze Tummelfeld für uns allein und müssen es mit keinen anderen Touristen teilen!
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