Ob diese Gründe für einen Polizeibeamten oder einen Bundespolizisten aus Überzeugung allerdings tatsächlich einen Anreiz darstellen, kann ich nicht verbindlich sagen. Fragen Sie bitte selbst bei Gelegenheit in Ihren Bekanntenkreis nach.
Generell dürfen und sollten wir hier und heute aber festhalten, dass auch diese Beamten eine entsprechende Vorbildung im Polizeidienst vorweisen müssen, die für das weitere Bewerberauswahlverfahren zum Personenschützer entscheidend und Grundvoraussetzung ist. Auch ihnen wird auf dem Weg in den professionellen Personenschutz nichts geschenkt. Egal ob privat oder aus dem weiteren Polizeidienst: Hier sitzen wir alle im selben Boot.
Trotz all der Spezialausbildungen, die diese Berufsgruppe auf Staatskosten durchläuft, kann es auch in dieser Elite durchaus vorkommen, dass einer der Profis eben mal nicht aufpasst. Zum Beispiel derart, wie es kürzlich ein großer und bekannter Nachrichtensender berichtete:
Besagter Personenschützer überprüfte vor Besteigen eines Flugzeuges seine Dienstwaffe auf Sicherheit und schoss dabei „treffsicher“ in die Gangway. Zeugenberichten zufolge soll dieser Personenschützer auf sein Umfeld sehr nervös gewirkt haben.
Flugangst vielleicht? Man weiß es nicht.
Die zuständigen Behörden sollen jedenfalls auf Nachfrage lediglich bestätigt haben, dass es sich um einen relativ neuen Beamten in der Position des Personenschützers gehandelt habe, was die Aussagen der Flugpassagiere in Hinsicht auf die Nervosität bestätigte. Zu der behördlich vorgeschriebenen Überprüfung von Schusswaffen auf Sicherheit und vor Betreten einer Linienmaschine wurde keine weitere Stellungnahme seitens des Ministeriums oder der Polizeibehörde abgegeben. Man ließ lediglich verlauten, dass es keine einheitliche Regelung gäbe, und es Sache der Länderbehörden sei, festzulegen, wie ein polizeilicher Personenschützer eine Waffe vorschriftsmäßig zu entladen und auf Sicherheit zu überprüfen habe.
Derart schwammige Aussagen machen es mir und allen anderen verständlicherweise schwer, ein solches Vorkommnis neutral oder überhaupt zu bewerten. Meine persönliche Meinung hierzu ist, dass da, wo Menschen agieren, Fehler passieren können. Das sollte, wie im geschilderten Fall, natürlich nicht vorkommen. Dennoch: Nicht sachdienlich formulierte Äußerungen tragen auch nicht unbedingt zum Verständnis der extern interessierten Parteien bei. Und der Mann selbst hat wohl gerade Probleme genug.
Als ich von Freunden, die meine berufliche Vergangenheit kennen, auf diesen Vorfall angesprochen wurde, fiel es mir wirklich nicht leicht, hier eine Aussage zu dem Geschehen zu formulieren, die kein falsches Licht auf diesen bereits gestraften Beamten werfen würde. Ich beschränkte mich also auf Mutmaßungen und war bemüht, diese möglichst wohlwollend zu verpacken. Dabei ließ ich mich von folgendem Grundgedanken leiten:
Hat dieser Personenschützer alles richtiggemacht, was wir alle ja nicht wissen, dann wird es wohl eine entsprechende Dienstanweisung der Behörden oder der Landespolizei geben, die ein solches Vorgehen rechtfertigt und exakt diese Handlung zum Entladen einer Dienstwaffe fordert. Der Wortlaut der behördlichen Vorgabe könnte oder müsste also lauten:
1 – Polizeiliche Personenschützer, die ein Flugzeug gemeinsam mit ihrer Schutzperson besteigen wollen, haben auf Anweisung der Fluggesellschaft ihre Schusswaffen vor Betreten der Fahrgastkabine zu entladen, um die Sicherheit anderer Passagiere für den anstehenden Flug zu gewährleisten. Die jeweilige Fluggesellschaft legt fest, wem der Flugkapitän vertraut und wem nicht.
2 – Personenschützer, welche ihren Beruf bereits seit mehr als fünf Jahren ausüben, entladen die Waffe gemäß der Verwaltungsvorschrift 4 Strich 16, Handhabung in der verwaltungsrechtlichen Trennung von Munition und Waffe in Zusammenhang mit den Antiterror-Vorschriften der internationalen Airlines auf internationalem Hoheitsgebiet der entsprechenden Fluggesellschaften.
3 – Personenschützer der Polizeibehörde mit einer Berufserfahrung von weniger als fünf Jahren und einer Abschlussnote von höher als 3,4 an der Polizeifachschule geben zum Schutz der im Inneren der Passagiermaschine befindlichen Fluggäste bereits auf der Treppe und noch vor der Fluggastkabine einen gezielten Schuss aus ihrer Dienstwaffe in die Gangway ab. Sofern nach dieser Schussabgabe weitere Zweifel an der Sicherheit der Schusswaffe vor Übergabe an den Flugkapitän bestehen, kann gemäß Verwaltungsvorschrift 123.BCF.AKZ.3 ein weiterer, vorsichtiger Schuss in die linke Tragfläche des Flugzeugs abgegeben werden.
Bei Explosion der Linienmaschine ist davon auszugehen, dass die benötigte Sicherheit noch nicht völlig hergestellt werden konnte, was eine erneute Überprüfung der Waffe erfordert, um keine weiteren Unbeteiligten zu gefährden. Im Zweifel ist der Flugkapitän selbst heranzuziehen, sobald er das Flugzeug über eine der Notrutschen verlassen hat, und ihm ist der Lauf der Waffe auf Höhe des linken Auges vorzuzeigen. Um Verletzungen auszuschließen, hat der Personenschützer einen weiteren Schuss nur sehr langsam abzugeben. So kann der Flugkapitän eine Gefährdungsbeurteilung direkt am Projektil vornehmen. Der Flugkapitän bestimmt in diesen Fall, ob der Prozess vor Betreten der Ersatzmaschine nochmals wiederholt werden muss oder ob der Personenschützer über die Airline ein Ersatzticket für die Deutsche Bahn erhält.
Diese Verwaltungsvorschrift ist zwingend und zum Schutze der zivilen Bevölkerung von jedem staatlichen Personenschützer zu befolgen.«
Ich habe mich, was Ihnen hoffentlich nicht entgangen ist, bemüht, eine Bewertung abzugeben, die frei von Vorurteilen ist. Gleichzeitig möchte ich damit dieses Statement schließen.
Qualifikation ist alles
Nachdem ich Ihnen also im letzten Kapitel vergegenwärtigen durfte, wer in aller Regel den Beruf eines Personenschützers betreibt und wie sich die unterschiedlichen Wege dorthin vollziehen, werde ich im Folgenden näher auf die einzelnen Lehrgänge eingehen, die ein voll ausgebildeter Personenschützer in aller Regel absolviert haben sollte oder zu mindestens einen entsprechend großen Teil davon.
Für einen Personenschützer gibt es die unterschiedlichsten Arten und Formen der Aus-und Weiterbildung. Einige Lehrgänge sind Grundvoraussetzung, um in diesem Beruf zu arbeiten, andere sind ganz nett, müssen aber nicht unbedingt sein. Trotzdem gilt – besonders in Deutschland – »Qualifikation auf dem Papier«, steht über »Qualifikation in der Praxis«.
Dieses typisch deutsche Denken haben sich einige, im vorherigen Abschnitt bereits genannten Ausbildungsakademien zunutze gemacht. Mit dem Ergebnis, dass es heute eine Vielfalt von Ergänzungen zum eigentlichen Ausbildungsstatus auf dem Markt gibt.
Ich will keinesfalls behaupten, dass all dieser Lehrgänge überflüssig sind, aber viele davon sind in meinen Augen dermaßen realitätsfremd und absolut nicht praktikabel, dass sie eigentlich verboten sein sollten. Meiner Meinung nach füllen sie nur die Taschen derer, die damit den Wunschgedanken so manches Kandidaten am Leben halten, direkt im Anschluss eine entsprechend verantwortungsvolle und gut dotierte Stelle in diesem Berufsfeld zu erhaschen. Hier bezahlen unsere angehenden Nachwuchskräfte ein Schweinegeld für etwas, das sie niemals oder wirklich nur sehr begrenzt auf der Straße verwerten können.
Fragen Sie mal einen altgedienten Ausbilder der Polizei nach seiner Meinung. Ich denke, Sie werden auf eine ähnliche Resonanz stoßen: Entweder die alte Garde mit speziellem militärischen Hintergrund und der Erfahrung im Sicherheitsgewerbe von Beginn an oder die Polizei, mit passender Ausbildung, Berufserfahrung und Weiterbildung. Dazwischen findet sich einfach kaum Luft für Alternativen.
Was also sollte ein Personenschützer denn nun noch können und wissen?
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