Werner Siegert
Töchter aus Elysium
Kriminalroman
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Inhaltsverzeichnis
Titel Werner Siegert Töchter aus Elysium Kriminalroman Dieses ebook wurde erstellt bei
1. Absolute Ruhe
2. Höllenqualen
3. Mit Blaulicht
4. Flucht bei Nacht und Nebel
5. Die Vernehmung der Dr. Winfriede Lepper
6. Hugo
7. Ortstermin: Elysium oder Tartarus?
8. Rinaldos großer Tag
9. Elsterhorst und die Frauen
10. M o o r i e s e . . .
11. Der Taborberg
12. Elsterhorsts Albträume
13. Liebesbriefe
14. Spuren verzweifelt gesucht
15. Vernehmung Frau Dr. Berghoff
16. Ein konspiratives Treffen
17. Pendeln oder wispern lassen?
18. Pieštany
19. Drunt’ in der Wachau ....
20. Olga Hendrix
21. Velmond unter Verdacht
22. Mord oder Geiselnahme?
23. Sonderbare Heilquellen
24. Sr. Agneta
25. Liebestöter
26. Eine Leiche am See ?
27. Beweise auf der Unterhose
28. Es geht um Tod und Teufel
29. Waltet Eures Amtes!
30. Nicht schon wieder!
Notabene
Hinweis
Impressum neobooks
Hauptkommissar Maurice Elsterhorst fühlte sich müde, schlaff und krank. Sein letzter Fall hatte ihn viel Kraft gekostet und endete in einer riesigen Enttäuschung. Er hatte einen Mörder aufspüren wollen, den es offenbar gar nicht gab. Zwei von Leichen abgetrennte Hände ließen die Öffentlichkeit aufheulen; eine hatte sein treuer schwarzer Labrador Rinaldo in einem Friedhof apportiert, die andere fanden Wanderer in einem Park. Untätigkeit warf man der Polizei vor. Zu allem Überdruss hatte man Rinaldo fotografiert, als er mit der Leichenhand im Maul durch die Gräber trabte. Diese Fotos erschienen übergroß in der Boulevardpresse. Im Lokalfernsehen machte man daraus eine hämische Skandalgeschichte und hängte ihm Rücksichtslosigkeit gegen über einem kleinen Buben an, von dem er sich in der Eile und Betroffenheit das Handy ausgeborgt hatte. Im Präsidium kam das gar nicht gut an. Als dann noch die Suche nach dem Hand-ab-Mörder in einem Fiasko endete, brach er zusammen.
Währenddessen konnte sich sein Kollege Lothar Velmond ein Stückchen vom Ruhm abschneiden, und dies, weil er lediglich durch einen blöden Zufall Zeuge wurde, als das Skelett einer jungen Römerin in einem Moortümpel oberhalb von Wildbad Kreuth sichtbar wurde - die inzwischen weltberühmte „Truski“! Ganz zum Ärger der Italiener, die nun das Monopol ihres „Ötzi“ in Gefahr sahen.
Der Amtsarzt hatte Elsterhorst vier Wochen absolute Ruhe verordnet, am besten in einem Sanatorium, in dem er - abgeschottet von allen negativen Einflüssen - liebevoll umsorgt würde. Am besten incognito, um ihn von allen Tratschereien abzuschirmen, die ein leibhaftiger Kriminal-Hauptkommissar auslösen würde.
Sanatorium! Allein bei dieser Bezeichnung quälten ihn Assoziationen von sadistischen Krankenschwestern, die ihn - überdies halbnackt - zu allerlei grausamen Leibesübungen zwingen würden. Er müsse zur Wassergymnastik zusammen mit fetten, schwabbeligen AOK-Patienten plantschen, werde auf Schonkost gesetzt, serviert zu Zeiten jenseits aller Zivilisation. Ärzte, die ihren ganzen Ehrgeiz darein setzen würden, ihm eine böse, absolut neue Krankheit anzudichten und möglichst eine Operation! Um 5 Uhr Abendessen - und was für welches! Und dann noch die Trennung von Rinaldo! Scheußlich, scheußlich!
So atmete er auf, als seine Kinderfreundin Judith, die sich wegen der Etrusker-Forschungen für längere Zeit in München aufhielt, ein ganz anderes, ein alternatives Wald-Sanatorium entdeckte, angegliedert an ein ehemaliges, aufgelassenes Nonnenkloster. Dort legt man das Schwergewicht auf Phytologie, auf Naturheilmittel, auf die Kraft der Kräuter aus dem Klostergarten. Hildegard von Bingen dient auch nach dem Auszug der Nonnen als großes Vorbild. „Ganzheitlich“ und „nachhaltig“ - diese Begriffe beherrschten den einladenden Prospekt. Schon der Name „Elysium“ ließ bei Elsterhorst alle Ängste schwinden.
Mit großen Erwartungen stieg er in sein Auto und überließ Judith gern das Steuer. Rinaldo räkelte sich wie immer auf der Rückbank. Anderthalb bis zwei Stunden würde die Fahrt in Anspruch nehmen - genügend Abstand von der Hektik der Großstadt, die manchmal so gar nichts von einer Großstadt mit Herz für ihn übrig hatte.
Die freundliche Stimme aus dem Navigationsgerät teilte den Reisenden mit, sie befänden sich einen Kilometer vor ihrem Ziel. Jedoch standen sie vor einem weißen, kunstvoll geschmiedeten Doppelflügeltor, in der Mitte jedes Flügels ein Strahlenkreuz. Am linken Pfeiler befand sich ein imposantes Messingschild
E l y s i u m
Privat-Sanatorium
Institut für Naturmedizin und Phytologie.
Dazu ein Klingelknopf und ein Hinweis auf eine Wechselsprechanlage.
Judith stieg aus und drückte auf den Knopf. Sofort meldete sich eine schnarrende Frauenstimme. Nachdem Judith den Namen des Patienten genannt hatte, öffneten sich die Torflügel wie von Geisterhand. Erst nach etwa 700 Metern Waldstraße weitete sich der Blick. Neben einem alten, ziegelroten, schlossähnlichen Haupthaus, aus dessen Mitte ein spitzer, neugotischer Kirchturm herausragte, erstreckte sich links ein weißer, moderner zweistöckiger Neubau. Vor den Gebäuden sprudelte in einem weiträumigen Brunnenbecken ein Springbrunnen aus einer Figurengruppe, aus der sich zentral erhöht eine Madonnenstatue erhob. Ein Schild verwies die Ankömmlinge auf den Parkplatz und den Patienteneingang hinter dem Haus. Der Haupteingang schien Prominenten vorbehalten.
Noch ehe irgendein Begrüßungswort verlautete, kam die schneidend-kalte Anweisung:
„Der Hund bleibt draußen!“
Der Kommando-Ton der Empfangsdame hatte gar nichts elysisches an sich. Er entsprach ihrem strengen Erscheinungsbild: kurze hennarote Haare, Herrenkostüm, scharf nachgezogene Augenbrauen, dunkelroter, fast schwarzer Lippenstift. Judith erinnerte die Frau an eine Polit-Hauptkommissarin. Sie führte Rinaldo nach draußen zum Auto. Knurrend nahm er auf der Rückbank Platz. Judith kurbelte das hintere Fenster ganz nach unten, damit ihm die frische Waldluft um die Nase wehen könnte. Dann ging sie wieder hinein. Elsterhorst hatte sich inzwischen auf eine Bank gesetzt. Er wirkte wirklich sehr erschöpft. Nun kam auch noch die Trauer um seinen Hund dazu.
„Frau ....?“
„Schwertfeger!“
„Frau Schwertfeger, ich nehme an, Sie haben Ihren Herrn Vater hier her gebracht. Das ist sehr fürsorglich von Ihnen. Ich nehme an, Sie werden, nachdem sich Ihr Herr Vater eingerichtet hat, wieder mit Ihrem Auto nach Hause fahren. Wir haben es nicht gern, wenn Patienten Fahrzeuge mitbringen!“
Elsterhorst zuckte zusammen. V a t e r ? Hatte er richtig gehört? Kann die doofe Ziege nicht hingucken? dachte er sich.
„Frau ....?“ Judith fiel es nicht schwer, den belehrenden Ton dieser Hexe nachzuahmen.
„Hendrix, ich bin Frau Olga Hendrix. Ich leite die Organisation, die Rezeption und die Patienten-Angelegenheiten!“
„Frau Hendrix, dies ist Kriminal-Hauptkommissar Maurice Elsterhorst. Wir haben telefoniert. Es sind bestimmte Vereinbarungen getroffen worden. Herr Elsterhorst ist nicht mein Vater. Wir sind ... Kollegen. Sie - oder war es die Direktorin dieses Hauses? - hatten zugesagt, dass Herr Elsterhorst sich hier optimal regenerieren kann. Akutes Erschöpfungs-Syndrom! Niemand soll etwas über seinen Beruf erfahren. Er braucht einfach Ruhe und einfühlsame Betreuung.“
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