„Nun du kleiner Schleimer, dann entferne dich wieder, verrichte deine Arbeit, geh mir aus den Augen, kündige in der Stadt eine Hinrichtung an - ausgeführt durch mich.“
Karlon wusste, dass der Meister Energie brauchte, sonst würde er nicht so reagieren: „ Ja mein Herr, ich werde alles Nötige veranlassen.“
Sarbor antwortete aggressiv: „ Bist du noch nicht weg?! Verschwinde endlich!“
Der junge Magier sagte gar nichts mehr, sondern ging so schnell wie möglich aus dem Raum. Er setzte sich vor den Thronsaal an seinen Sekretär und räumte noch etwas auf. Dann verließ er den Palast. Auf dem Vorplatz war immer sehr viel Getümmel. Er stellte sich auf ein Podest aus Stein mittig des gesamten Platzes, verstärkte seine Stimme indem er sich auf seinen Hals konzentrierte und das Organ, was den Ton seiner Stimme ausmachte, verstärkte diese Stränge und auch beim Verkünden der Nachricht verstärkte er das Schwingen der Bänder: „ Einwohner Marilliens, es gibt eine Bekanntgabe: Meister Sarbor, Gebieter über den 7. Kreis der Magie, höchster Magier der Dunkelheit und unser ehrenwerter Herrscher lässt verkünden, dass sämtliche Verurteilten des heutigen Tages zur Zeit des Strafvollzugs auf diesem Platz hier erscheinen werden. Einen der Verurteilten wird er höchstpersönlich hinrichten. Das Urteil über die anderen fällen wie üblich die erwählten Richter. Der Strafvollzug findet auch wie jeden Tag zur Abendstunde um sechs statt.“
Einige jubelten, andere interessierte es nicht. Karlon hasste solche Ansagen. Er hatte sie noch nicht oft machen müssen, doch ihm kam es so vor, als müsste er das jetzt öfter machen seitdem Sarbor seinen Leibsklaven verloren hatte. Er brauchte die Energie einiger Hinrichtungen. Vor einiger Zeit sah er einen der Henkers-Magier, wie er durch eine Geheimtür in den Thronsaal kam, Sarbor setzte ihm seine Hand auf die Brust und der Henker machte ein Gesicht, als würde ihm sämtliches Blut ausgesaugt. Als Sarbor fertig war, sackte der andere Magier kurz auf die Knie und fragte nur: „Wie lange geht das noch so? Ihr wisst, dass das nicht gut für unsere Körper ist. Die anderen Henker wollen sich auch langsam weigern.“
„Wenn das so ist, dann kann ich euch auch gleich selbst hinrichten, oder nicht? Macht es oder ihr selbst werdet auf der Schlachtbank landen. Es liegt in euren Händen.“ So eiskalt wie Sarbor diesen Satz sagte, fröstelt es Karlon noch heute wenn er daran denkt.
Der weitere Arbeitstag verlief ruhig. Meister Sarbor hatte nichts mehr für ihn und bis zu der Hinrichtung gab es für ihn nichts mehr zu tun. Am Abend nach der Hinrichtung verfiel Sarbor in tiefes Gebet oder Trance und hatte vermutlich gerade Verbindung zu Almonara und vor Karlon lag noch jede Menge Schreibkram, doch er beschloss diesen morgen zu erledigen.
Sarbor hatte die Namen und Verbrechen gar nicht durchgesehen, er suchte sich den Erstbesten aus, dessen Verbrechen einigermaßen stark war. Er viel auf Nummer eins: Schande über ein jungfräuliches Mädchen gebracht, dahinter ein kleiner Vermerk, gewaltsam.
Nur die Schande über ein jungfräuliches Mädchen war ihm egal. Der Vermerk zeigte, er hatte es vergewaltigt. Damit war seine Entscheidung gefallen. Diesem Mann würde er sämtliche Lebensenergie entziehen. Die eigentliche Strafe war Entmannung, Sarbor redete es sich schön: „ So leidet er wenigstens nicht sein ganzes Leben unter dem Gespött und wird sich am Ende noch wegen Verlust seiner Manneskraft selbst töten. Die Familie des Mädchens wird es auch freuen.“
Die restliche Zeit bis um sechs grübelte er über die Erkenntnisse, die ihm Ratan und Garons Gedankenrede gebracht hatte.
Als Karlon ihn dann endlich rief, zog er seine Festrobe an, bedeutete Karlon mit einer Handbewegung, dass er fertig sei und Karlon ihn ankündigen könnte. Er wartete einige Zeit. Die Flügeltür des Hauptportals des Palasts öffnete sich und er hörte die erbärmliche Stimme von Karlon noch die letzten Worte sagen: “… der ehrenwerte Meister Sarbor!”
Er trat hinaus, Karlon wich sofort zur Seite, es war immer wieder verwundernd wie viele kamen, nur um ihn zusehen. “D iese erbärmlichen Gestalten jubeln mir zu, schwach sind sie , ein armseliges Volk habe ich.”
Mit diesen Gedanken fing er an dem Volk mit Hilfe seiner Hände Ruhe zu bedeuten und zu sprechen: “Mein Volk, es ist mal wieder an der Zeit, dass ich euch selbst zeige, dass die Gesetze unseres Landes auch von mir sehr ernst genommen und wenn nötig auch praktisch ausgeübt werden. Die Verurteilten bitte.”
Es traten mehrere nur mit Lumpen bekleidet vor, wenn man es überhaupt als Kleidung bezeichnen konnte. Daran erkannte man die Verurteilten, ihnen war das Recht auf bürgerliche Kleidung untersagt, selbst ein normales kurzärmliges Oberteil war verboten. Viele von ihnen trugen nicht viel mehr als ein Tuch um den Körper.
Es erstaunte Sarbor sehr, dass dieses Mal sogar eine Frau unter den Verbrechensträgern war. Es kam äußerst selten vor, dass Frauen illegale Taten ausführten.
Die Verurteilten waren alle an Hand- und Fußgelenken in einer Reihe aneinander gebunden und auf jeweils drei Täter kam ein Wächter. Alle Wächter waren in schlichten schwarzen Roben gekleidet und mindestens der Magie im vierten Zirkel mächtig, dennoch verzichtete man bei den Wächtern darauf, öffentlich zu zeigen, welchen Kreis der Magie sie wirklich beherrschten, um möglichen Fluchthelfern nicht Mut zu machen. Im Allgemeinen dachte jeder, dass die Wächter eine Art Elitetruppe der Schwarzmagier waren, diese gab es zwar auch, doch waren sie gewiss nicht unter den Wächtern.
Er schaute in die Reihe und fragte: “ Nun, wer von euch ist der Schänder?”
Ohne auf eine Antwort zu warten, traten zwei der Wächter an den Anfang der Reihe und befreiten den gewaltbereiten Schänder von seinen Fesseln, ein Dunkelhäutiger wie fast alle Einheimischen der Wüste, pechschwarzes Haar und einen Gesichtsausdruck der zeigte, dass ihm ganz egal war, was er getan hatte aber auch, dass er wusste, was auf ihn zukam. Er würde sterben, aber es gab einen schlimmeren Tod als diesen. Das Gesicht schon etwas faltig, ein gebrochener Mann. Wahrscheinlich wussten seine Mitverurteilten, was er getan hatte. Er sah sehr mitgenommen aus.
Sarbor redete sich dadurch nur noch mehr ein, dass er ihn befreite und ihm eigentlich etwas Gutes tat. Er dachte allerdings auch, dass jeder durch seine Hand Getötete eine Befreiung erlebt und Glück hat, auch wenn er selbst sehr große Angst vor dem Tod hat. Jedes Mal, wenn er sich im Spiegel betrachtete, erinnerte ihn eine Stelle an seinem Hals daran, wie grausam sein Meister sein konnte.
Der Verurteilte wurde zu ihm auf das Podest geschleift. Er spuckte vor Sarbors Füße und sagte: “Ich frage gar nicht erst nach letzten Worten, ich spreche sie einfach. Du bist kein Anführer, du triffst keine Entscheidungen für unser Volk, du spielst nur nach deinen Regeln und interessierst dich auch nur für dich selbst. Mein Tod ist doch nur dazu da, um dich zu stärken. Ich habe absolut keinen Respekt vor dir!”
Die letzten Worte schrie er fast, sodass alle ihn hörten. Sarbor grinste leicht, beugte sich ganz nah an ihn und widersprach ihm nicht, sondern sagte nur: “Du hast vollkommen Recht. Schade nur, dass kein Mann und keine Frau jemals von dir überzeugt werden kann. Du wirst jetzt sterben und das Volk wird darüber jubeln. Ich hoffe, du wurdest in unseren Verließen genauso behandelt, wie du aussiehst.”
Damit schnitt er ihm die Brust auf, legte seine Hand dorthin, wo er sein Herz haben sollte und fing an die Magie, die jeder Mensch in sich hatte, zu absorbieren. Normalerweise reichte bei einem gewöhnlichem Magietransfer Körperkontakt. Wenn beide Seiten einverstanden waren, war es ähnlich wie Gedankenrede. Bei gewaltsamer Entnahme von magischer Energie musste Blut im Spiel sein und bei Tötung durch kompletten Magie- und Lebensenergieentzug musste das Blut möglichst nah beim Herz austreten. Auch der Empfänger musste eine Wunde haben. Diese hatte Sarbor sich durch einen kleinen magischen Energieschub an seiner Handfläche zugefügt. Er spürte wie die warme rote Flüssigkeit in seine Hand floss und etwas den Arm hinunter. Er merkte wie die Energie des Mannes mit jeder Sekunde mehr in ihn kehrte. Das Gesicht des Mannes war vollkommen ausdruckslos, dennoch alterte er von Sekunde zu Sekunde, auch die Lebensenergie entzog Sarbor ihm, wenn auch die magische Energie zum Töten gereicht hätte. Sarbor brauchte Kraft und Zeit. Er würde den Thron niemals abgeben, es sei denn, er würde einen Erben finden, der seine Pläne verfolgen würde, dann würde er auch das Alter auf sich einwirken lassen. Dennoch spürte Sarbor auch etwas anderes, was in seinen Körper eindrang, keine Energie, weder magisch noch physisch, es war etwas, was nicht in den Organismus gehörte.
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