Andru überlegte kurz: „ Meine Identität ändern? Wie soll das funktionieren? Warum müssen die Meister dafür in meinen Geist? Anders gesehen, kann ich meine Gedanken sowieso nicht vor ihnen verbergen, oder? Ich denke, mir bleibt nichts anderes übrig. Die anderen Studenten der Universität werden mir das Leben zur Hölle machen, wenn sie erfahren, dass ich ein marillischer Sklave war.“
Er hörte zwei Stimmen gleichzeitig, welche dasselbe verlauten ließen:
„Da hast du vollkommen Recht…“ In diesem Moment mussten alle im Raum anfangen zu lächeln. Meister Larban war schon längst wieder aufgebrochen und kümmerte sich um die Bibliothek, aber Altoren, Ramir, Pymos und Andru fingen jetzt, als sie sahen, dass alle grinsten und begriffen, sogar an zu lachen.
Pymos sagte nun: „Ich werde dich nun verlassen. Ich denke, du hättest dir nach deinem kleinen Raubzug nie träumen lassen, dass ich dafür sorgen werde, dass du ein Magier wirst. Aber du wirst es schon noch verstehen.“
So ging er mit einem nachdenklichen Gesichtsausdruck zurück in den frühen Morgen.
Nun begann Meister Ramir zu sprechen: „Ich weiß nicht, ob du es mittlerweile erfahren hast, aber mein Bruder und ich haben zusammen mit Pymos von Kohenstein, die Schulbank der Universität gedrückt. In dieser Zeit als Lehrlinge an der Universität waren wir genau wie alle anderen Lehrlinge oft ungehorsam und haben viel Unsinn gebaut, dennoch ging es bei uns ein Stückchen weiter. Wir experimentierten mit wie es damals hieß, heidnischer Magie, Magie die nicht auf den Lehren der Götter beruht, sondern aus der Kraft der Natur genommen wird, aber das hat dir Pymos ja eben schon erklärt. Es gibt allerdings auch wesentlich mehr Runen in dieser Magieform, doch darin wirst du erst später unterwiesen. Nun lange Rede, kurzer Sinn wir entdeckten eine Vielzahl neuer Zauber, unter anderem die Gestaltwandlung.“
Andru war erstaunt, aber begriff zugleich, was es mit diesem ganzen geheimen Unterricht auf sich hatte. Er sollte sein gesamtes Aussehen verändern. Damit war sichergestellt, dass er nicht wiedererkannt wurde, dennoch waren seine Gedanken damit noch immer nicht sicher.
Deswegen fragte er: „Nun, dadurch wäre die Wiedererkennungswahrscheinlichkeit sehr gering, wenn ich meine Stimme ändern könnte sogar gleich bei null, aber ehrwürdige Meister, wie soll ich meine Gedanken schützen?“
„Das“ antwortete Meister Altoren „ist das geringste Problem. Wenn du es willst, werden wir es dir jetzt schon beibringen. Dann musst du uns aber versichern, dass du es dir in der Universität erneut beibringen lassen wirst. Du solltest also dafür sorgen, dass die wichtigsten Gedanken immer verschlossen bleiben und andere die jeder Lehrling hat, die auch bestimmt nicht neu für die Meister der Universität sein werden, solltest du offen lassen. Wir werden deine gesamten Erinnerungen und Gedanken an Marilien verschließen, dir neue Gedanken einpflanzen, so detailgetreu, dass niemand der Lehrmeister merken wird, dass du in Marillien aufgewachsen bist. Nun Andru, du brauchst auch einen anderen Nachnamen. Besitzt du überhaupt einen Nachnamen?“
Andru war beschämt, dass zugeben zu müssen: „Nein, ich bin auf den Straßen der größeren Teile Marilliens als Waise aufgewachsen, ich hielt mich durch kleine Gaunereien und Glücksspiel über Wasser. Alles, was man über meine Vergangenheit weiß, ist, dass einer der Schwarzmagier mich einst als kleinen Sprössling aufgenommen hat. Ich muss leider gestehen, dass mir seine Behausung, sein Heim und die ganzen Lehren des Almonaras nicht wirklich ansprachen, genauso wenig wie die der anderen Götter. Ich muss leider sagen, dass keiner der Götter für mich zu huldigen gilt. Ich diene niemandem, nur mir selbst und meinem Leben. Deswegen bin ich im Alter von 6 Jahren aus seinem Heim weggelaufen und so auf der Straße gelandet, wo ich nach ein bis zwei Tagen schon auf eine andere Truppe Kinder traf, alle zwischen 5-18 Jahren, die eine Art Gemeinschaft hatten, welche mir eher zusagte, auch wenn ich mittlerweile weiß, dass es nichts anderes als eine kleine Junge Diebesgilde war. Im Alter von 17 wurde ich erwischt. Meine angeblichen Freunde verrieten mich auch noch, um ihrer Strafe zu entgehen. Ich war damit zur Sklaverei auf Lebenszeit verurteilt. Naja, Meister Sarbor fand Gefallen an meinen Diebestalenten. Ich bin nicht der einzige Dieb im Auftrag der Schwarzmagier. Es gibt dutzende, welche im Dienst der Schwarzmagier von der Straße geholt werden. Also dann, um die Geschichte meines Lebens in die Gegenwart springen zu lassen, seit 4 Jahren diente ich Sarbor, hörte einiges, was ich nicht hören sollte, lernte einiges, was ich nicht lernen sollte. Die Gedankenrede beherrsche ich, auch wenn ich sie nie eingesetzt habe, aus Furcht bestraft zu werden. Jetzt bin ich 21 und wurde vor ein paar Wochen, damit beauftragt einen Diebeszug in die Universität des Lichts zu machen. Davon wisst ihr ja sicherlich, ehrwürdige Meister…“ „Bitte lasst das ehrwürdige Meister weg und nennt uns zumindest bei diesem Unterricht, Ramir und Altoren, wenn ihr nichts dagegen habt. Fahrt fort, damit wir zum eigentlichen Unterricht fortschreiten können“, unterbrach ihn Meister Altoren.
„Sehr wohl Meister. Viel mehr gibt es auch nicht zu erzählen, aber ich denke, wenn ich meine Gedanken nach diesem Unterricht schützen kann, sollte ich euch noch etwas mitteilen. Meister Sarbor steht, wie ihr wisst, in ständigem Kontakt zu Almonara. Da ich die Gedankenrede begriffen habe, habe ich auch mitbekommen, wofür Sarbor glaubt das Artefakt besitzen zu müssen. Almonara will ihn für irgendetwas auserwählen, aber vorher müsste er die magische Kraft aller Gottheiten in sich tragen. Wenn ich es richtig verstanden habe, dann sogar, wenn es nötig ist, durch den Tod eines der Priester des Umodes. Diese Information und Gedanken möchte ich schnellstmöglich verbergen, damit die Schwarzmagier nicht wissen, dass sie nun im Besitz von euch sind, aber für mein Gewissen war es wichtig, dies zu erzählen. Eine Sache noch, welche ich noch nicht ganz begriffen habe, vielleicht könnt ihr mehr damit anfangen: Sarbor glaubt, dass erst der Rest des alten Dämons aus dem verlorenen Tals vernichtet werden muss, bevor er gänzlich Almonaras Macht in sich aufnehmen kann. Den Rest meiner Geschichte muss ich, denke ich, nicht erzählen, nach dem misslungenen Diebstahl bin ich nun hier. Wenn ich den Wunsch äußern darf, würde ich zuerst ganz gerne das Schützen meiner Gedanken erlernen, weil ich, wenn ich ehrlich sein soll, manchmal glaube, dass ich immer noch von Meister Sarbor kontrolliert werde.“
Selbstverständlich war es für einen Lehrling ungewöhnlich sofort Forderungen zu stellen, was seinen Lehrplan betrifft, dennoch war er kein normaler Lehrling. Also antwortete Altoren: „Es ist zwar nicht die Regel, dass die Lehrlinge ihren Lehrplan selbst bestimmen, aber ich denke in deinem Fall macht diese Idee durchaus Sinn.“
Trotz des Unterrichts gingen Altoren als auch Ramir noch jede Menge andere Dinge durch den Kopf, nicht nur privat. Die Geschichte von Andru war äußerst beunruhigend und ließ einiges offen. Wollte Almonara einen Krieg, wollte Sarbor einen Krieg, wollten beide einen Krieg? Welche Rolle spielte Andru jetzt wirklich? Selbst Pymos schien dies nicht zu wissen.
Wie sollte das alles einen Sinn ergeben? Wie wollten die Schwarzmagier gegen die Macht des Lichts ankommen? Allein schon die Festungen auf Kranon, dazu noch die immer fortwährende Revolution in dem Bildungssystems von Largon, welche unglaublich viele neue begabte junge Magier hervorbrachte. Das alles anzugreifen, wäre Wahnsinn.
Doch beide Magier, Altoren als auch Ramir wussten, dass es jetzt eine wichtigere Sache gab, den Unterricht von Andru. Denn bei allem, was Pymos plante, steckte ein weitaus tieferer Sinn und Plan.
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