Der Baron winkte erneut einen Diener heran und forderte das Essen an. „Ich fürchte, es wird Euch nicht besonders schmecken, es gibt seit Tagen den gleichen Graupeneintopf“, nahm Esterhazy das Gespräch auf und machte eine ausgreifende Armbewegung: „Was sagt Ihr jetzt zu der Großen Halle?“ Stolz klang in der Frage und der Fürst erlaubte sich ein schmales Lächeln. „Sie übertrifft alle Beschreibungen.“ Er sah sich um und studierte das Gewölbe genauer. Es waren tatsächlich die schmalen hohen Säulen der Galerie, die das Dach hielten. Das Geheimnis musste in den spitzen Bögen liegen, die zugleich auch den Eindruck von Leichtigkeit erweckten, im Gegensatz zu den gewohnten schweren Rundbögen, die das untere Stockwerk trugen und die er aus seiner Heimat kannte. Inzwischen war die Nacht hereingebrochen und im flackernden Schein der Kerzen und Feuerschalen ließ sich das Gewölbe nur noch schemenhaft erkennen. Dadurch bekam die Halle mit dem hellen warmen Bodenbereich eine geradezu mystische Atmosphäre. Zu beiden Seiten der Halle befanden sich auf mittlerer Höhe zwei große offene Kamine, in denen nun Feuer entzündet wurden. Sie verströmten wohlige Wärme und vertrieben die durch die Oberfenster eindringende Nachtluft. Welch ein Überfluss, um diese Jahreszeit den großen Raum zu heizen!
„Ja, es ist ein beeindruckender Ort“, bekräftigte er noch einmal.
Ein sichtlich nervöser Diener brachte ein Tablett mit mehreren tiefen Tellern Suppe und verteilte sie auf dem Tisch. Esterhazy schob dem Fürsten einen Teller zu und reichte ihm einen Löffel. „Wollt Ihr probieren?“ Roman hatte keine großen Ansprüche an seine Mahlzeiten. Tores Kochkünste waren nicht überragend, reichten ihm aber völlig aus. Der körnige Eintopf auf seinem Teller sah zwar wenig appetitlich aus, aber entsprach durchaus den normalen Mahlzeiten seiner Heimat. Er war sich der zahlreichen Augen bewusst, die jeden Löffel verfolgten, den er zum Mund führte. „Ich habe schon schlechter gegessen“, murmelte er schließlich. Das brach die Spannung und alle begannen durcheinander zu reden. „Ich vermute, Eure Höflichkeit lässt keine andere Antwort zu, Ihr seid außerordentlich nachsichtig“, bemerkte Esterhazy und rührte mit betrübtem Ausdruck in seinem Teller. Fast hätte Roman den Kopf geschüttelt, denn er meinte genau, was er gesagt hatte, doch im gleichen Moment begriff er, dass Esterhazy ihn einfach neckte. Das war ungeheuerlich und er verschluckte sich beinahe. Aber bevor überhaupt Ärger in ihm aufsteigen konnte, legte der Baron seinen Löffel zur Seite, stützte das Kinn auf die Hand und sah ihn treuherzig an. „Ich glaube, Ihr habt hier gar nicht so viele Feinde, wie Ihr glaubt, Fürst Gorderley. Viele Männer sterben beinahe vor Neugierde, Euch aus der Nähe zu sehen. Bitte seid nicht böse, wenn wir uns manchmal im Ton vergreifen. Ihr seid die erste Legende, die wir persönlich kennenlernen.“
„Hätte ich drauf verzichten können“, grummelte neben ihm Bartholdy und zeigte damit, dass er nicht so unbeteiligt vor seinem Bierkrug saß, wie es den Anschein hatte. Esterhazy stieß dem Krieger den Ellbogen zwischen die Rippen und grinste: „Seht Ihr, was ich meine?“ Bartholdy schnaufte nur und murmelte etwas von „wieso ich das mitmache“, doch wirkte er nicht wirklich verärgert.
Roman entschied, dass er für heute genug brandaianische Lebensart genossen hatte und erhob sich. „Ich danke für Eure Gastfreundschaft, Baron Esterhazy.“
Esterhazy sprang auf und schob sich zwischen den Bänken hindurch. „War mir ein Vergnügen“, es gelang ihm, sich in der Enge zwischen den Bänken mit einer eleganten Geste zu verbeugen.
Roman verließ, von unzähligen Augen verfolgt, die Halle und ging durch die Nacht nach Hause. Der Abend war erstaunlich und in vieler Hinsicht lehrreich gewesen. Er war weniger provoziert worden, als er erwartet hatte. Die einzige ernste Situation hatte Esterhazy wirkungsvoll entschärft.
Überhaupt Esterhazy, Roman verlangsamte seinen Schritt, um sich die ganze Situation noch einmal durch den Kopf gehen zu lassen. Der Baron hatte ihm zweifellos einen großen Dienst erwiesen. Er fragte sich, welches Ziel er verfolgte. Es war Esterhazy nicht gleichgültig gewesen, als der Graf ihn der Liebdienerei bezichtigte, aber warum bot er tatsächlich dem völlig einflusslosen Fürsten seine Unterstützung an?
Roman von Gorderley runzelte die Stirn. Es war sehr leicht, den jungen Mann zu mögen. Er hatte sich von Esterhazys jungenhafter Unbekümmertkeit täuschen lassen, aber hinter der verspielten Fassade verbarg sich ein scharfer Verstand und ein starker Charakter. Womöglich stellte er auch noch andere Qualitäten unter den Scheffel. Noch einmal würde er ihn nicht unterschätzen.
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