Darauf drang er immer wilder und heftiger auf den Fürsten ein, doch diesem gelang es zunehmend besser, die Hiebe abzulenken und mit geschickten Paraden die Wucht des Angriffs am Ziel vorbei zuleiten. Je länger der Kampf dauerte, desto flüssiger und schneller bewegte er sich. Es gab selbst in Gorderley nicht viele auch nur annähernd gleichwertige Gegner für ihn und trotz der Gefahr erfüllte ihn feurige Erregung. Sein Schwert wurde zu einer Wand aus kurzen Hieben und Stichen und dann sprang er aus dem Stand in die Luft, wechselte die Richtung und schlug Galen bei der Landung mit einem Drehschlag den Parierdolch aus der Hand. Der Waffenmeister änderte sofort seine Taktik und wehrte die Angriffe des Fürsten mit dem Schwert ab, doch nun erhöhte Roman das Tempo. Er fühlte sich jetzt völlig in seinem Element. Galen wollte den Kampf? Er sollte ihn bekommen! In einer Reihe von Abwehrbewegungen bereitete er seinen nächsten Ausfall vor und verschob seine Position solange, bis Galen die Chance auf einen tief angelegten Hieb auf den rechten Schwertarm des Fürsten sah. Im gleichen Moment wechselte Roman sein Schwert in die linke Hand und sprang vor. Sie prallen gegeneinander und er packte die Hand des Waffenmeisters und presste sie zusammen Mit einem Seitschritt schwang er sich in Galens Rücken und drückte ihm die Klinge gegen die Kehle: „Lasst los!“, rief er und zog gleichzeitig den Schwertarm des Waffenmeisters nach hinten. Galen wehrte sich noch einen Augenblick, dann spürte Roman wie er sich entspannte und seine Waffe fallen ließ. Er stieß ihn von sich und behielt sein Schwert wachsam erhoben, bereit, den Kampf fortzusetzen, doch Galen lehnte sich keuchend gegen die Wand.
„Was sollte das?“, fragte Roman wütend, „das ist kein Spiel!“
Galen presste die Hand auf die Hüfte, wo das Blut seine Kleidung rot verfärbte. „Ich musste es wissen“, keuchte er, „ich wollte wissen, ob ich Euch schlagen kann.“
Roman fühlte das Blut an seinen Arm entlang rinnen. Der Wurfstern war durch die Kampfbewegungen heraus gefallen und hatte eine zackige Wunde hinterlassen. Galen hatte auf den Hals gezielt, bei einem Treffer wäre der Kampf schnell zu Ende gewesen. Roman trat einen Schritt zurück und schob das Schwert in die Scheide. „Und was hätte es Euch gebracht? Zu siegen gegen einen Mann, der Euch nicht töten darf?“
„Ich habe ja verloren.“ Galen legte den Kopf gegen die Wand und schloss die Augen. Sein Atem ging schwer und nun, wo die Spannung des Kampfes vorbei war, spürte er die Schmerzen der Verletzungen.
„Und ich habe Glück, dass Ihr noch lebt.“ Roman hielt seinen Ärger nur mühsam im Zaum.
Galens öffnete die Augen und wies mit dem Kinn auf den kleinen Tisch neben dem Kampfpodest am anderen Ende der Halle. „Dort ist alles aufgeschrieben. Dass ich Euch gefordert habe. Falls ich dabei sterbe.“
Roman trat auf ihn zu und zog ihm die Hand von der Hüftwunde. Galen ließ es geschehen. Ein tiefer glatter Schnitt, der keine inneren Organe verletzte. Daran würde der Waffenmeister nicht zu Grunde gehen in einer Stadt, wo Heilmagier ihre Kunst sogar auf Marktplätzen anpriesen. Roman schüttelte den Kopf: „Und so wolltet Ihr mich entlasten? Wenn Euer Leben Euch nichts gilt, sucht Euch einen anderen Henker. Ich habe genug Schwierigkeiten, ohne den Waffenmeister von Brandai zu erschlagen.“ Er wollte sich abwenden, aber Galen stieß sich von der Wand ab und richtete sich sich auf. „Fürst Gorderley, bitte! Könnt Ihr mich nicht verstehen?“
Roman hielt inne und musterte den Brandai, der ihn beinahe flehend ansah. Seine Wut fiel in sich zusammen. Er hätte schon nach ihrem ersten Zusammentreffen wissen müssen, dass für ein Kämpferherz wie den Waffenmeister ein unverbindlicher Übungskampf nicht ausreichte. Seit seiner Flucht aus Gorderley hatte er wahrscheinlich nie mehr sein Potential wirklich ausschöpfen müssen, für einen echten Krieger war diese Herausforderung unvermeidlich gewesen. Galen hatte ihn zwar ohne Warnung angegriffen und sich damit einen Vorteil gesichert, aber wie sonst hätte er den Fürsten in einen ungehemmten Kampf verstricken sollen? Sanft entgegnete er: „Doch, ich verstehe Euch. Ihr seid ein hervorragender Kämpfer. Beim nächsten Mal könnte es nicht so gut für mich ausgehen.“
Der Waffenmeister lachte bitter auf. „Ihr seid sehr freundlich, Fürst Gorderley. Aber ich habe meine Lektion gelernt. Wenn Ihr trotzdem noch einmal erwägt, mit mir zu fechten, würde ich es als eine Ehre betrachten. Ist Euch mein Wort genug?“ Obwohl Galen ihn geradeheraus ansah, spürte Roman seine Zerrissenheit.
„Das Wort des Waffenmeisters von Brandai ist immer genug“, antwortete er ernst. Galen blieb schweigend stehen und Roman begriff erst nach einer Weile, dass der Brandai ihm das Vorrecht einräumte, die Begegnung zu beenden. „Ihr solltet Euch um Eure Wunde kümmern“, sagte er schließlich. Galen presste wortlos die Hand auf die Hüfte und humpelte schwerfällig durch die Halle zu seinen Privaträumen.
Draußen spielten die letzten Sonnenstrahlen auf den Giebeln der Häuser. Die Gassen lagen bereits in abendlicher Dämmerung und hinter den Glasfenstern leuchteten Kerzen auf. Nachdenklich schritt der Fürst durch die Straßen und tastete dabei über die Schnitte und Kratzer, die er davongetragen hatte. Nur die Wunde am Arm, die der Wurfstern gerissen hatte, war bedenklich. Sie blutete nicht mehr, aber die Haut fühlte sich heiß an und schmerzte bei der Berührung. Zurück in seinen Räumen ließ er sich warmes Wasser bringen und wusch den tiefen Schnitt sorgfältig aus. Mit einem Messer entfernte er lose Hautlappen und drückte die auseinander klaffenden Ränder mit einem Verband zusammen, wobei er unterdrückt fluchte. Die Hand blieb beweglich, unter Schmerzen zwar, aber es schienen keine wichtigen Muskeln betroffen. Wenn die Wunde ohne Entzündung verheilte, würde er keine Beeinträchtigungen zurückbehalten. Er hatte Glück gehabt. Wieder einmal.
Tagmond
Über den Gärten der Burg lag eine schwere Schwüle, die noch nichts vom nahen Herbst erahnen ließ. Die Hitze fing sich zwischen den Mauern, so dass nicht einmal im Schatten der Bäume Abkühlung zu finden war. Das sonst so geschäftige Hofleben schien wie in tiefem Schlaf versunken, die Schritte einer einzelnen Dienstmagd hallten dumpf in der Stille des Nachmittags bis sie verklangen und den sirrenden Mücken die Geräuschkulisse überließen.
Der Fürst saß am Rande eines Wasserbeckens im Schatten einer Hecke und hatte sein Schwert vor sich auf den Knien. Mit gleichmäßigen Zügen fuhr er mit einem Wetzstahl über die glänzende Klinge. Manchmal hielt er inne und drehte die Waffe hin und her, um das Licht an der Kante reflektieren zu lassen, dann setzte er seine Arbeit mit konzentrierter Sorgfalt fort und blickte auch nicht auf, als sich schnelle Schritte näherten. Prinz Melwyn stoppte ein wenig außer Atem vor dem Fürsten, mehr vor Aufregung als von der Anstrengung. Der Fürst sah schließlich doch auf und grüßte ihn mit einem leichten Beugen des Kopfes. „Prinz Melwyn.“ Für einen Elfjährigen war Melwyn groß gewachsen, beinahe mager. Wie die meisten Jungen am Hofe des Königs liebte auch er reich verzierte Kleidung. Sein weißes Hemd schmückte eine aufwändige Stickerei, die Hose war aus verschieden farbigem Leder genäht und betonte eng anliegend noch seine schlanke Figur. Die Füße steckten in hellbraunen Lederstiefeln, deren Goldnietenbesatz gerade noch so dezent war, dass sie elegant wirkten. Roman hatte schon als Knappe die schlichte und zweckmäßige Kleidung eines gordischen Kriegers getragen hatte und die verspielte Mode in Brandai sagte ihm wenig zu. Flüchtig fragte er sich, was sein eigener Schwertherr wohl zu Melwyns Kleidung gesagt hätte. Wahrscheinlich nichts, er hätte ihn solange verprügelt, bis der Stoff in Fetzen herabgefallen wäre…Der Fürst schüttelte fast unmerklich den Kopf, um die Erinnerung an Gorderley zu vertreiben.
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