Es war, als verschiebe sich sein Blickwinkel um eine Winzigkeit und plötzlich sah er nicht nur seinen Gegner brüllend auf sich zukommen, sondern er hörte gleichzeitig hunderte Schwerter aufeinander prallen, spürte die Luft erbeben, roch den dampfenden Blutgeruch des Krieges und er begriff: Dies war kein Schaukampf in der Arena. Dies war eine Schlacht, und er war ein Krieger in diesem Kampf.
Galen wischte mit seinem Schwert die Axt des Barbaren zur Seite und bohrte die Klinge in den Arm des Angreifers. Der wütende Schrei ging ihm ins Blut wie starker Wein. Mühelos wich er dem nächsten Hieb aus und traf seinerseits den Brustpanzer seines Gegners. Der Stahl durchschnitt das Leder und schabte über die Rippen.
Es war wie ein Tanz. Galen parierte, wich aus und fügte dem Barbaren eine Wunde nach der anderen zu, ohne einen einzigen Treffer hinzunehmen. Dauerte es Minuten oder Stunden, bis die Bewegungen des anderen schwächer wurden? Galens Schwert fand den Weg durch die langsame Abwehr und bohrte sich in den Hals. Keuchend riss er die Waffe wieder heraus, um erneut zuzuschlagen, aber der Barbar stand einen Sekundenbruchteil bewegungslos da und fiel dann beinahe erstaunt zu seinen Füßen nieder.
Galen blieb keine Zeit. Wieder drang ein Angreifer auf ihn ein, zu schnell für eine klare Abwehr. Er sprang zurück und musste einen weiteren Schritt vergeben, bevor er seinen festen Stand fand. Die Angriffe kamen schnell und mit ungeheurer Macht. Der Arm schmerzte ihm unter den Aufprall der Kriegsaxt des Barbaren. Noch einmal sprang er zurück, aber diesmal verließ ihn sein Glück. Die Kette spannte sich und er stürzte auf den felsigen Boden. Ehe er reagieren konnte, war sein Gegner über ihm und holte zum Schlag aus. Galen starrte in das verzerrte Gesicht und versuchte, sich abzurollen, obwohl er dem Schlag damit auch nicht mehr ausweichen konnte.
Die Schneide der Axt fiel klirrend gegen den Stein, als der Barbar zusammensackte. Galen starrte auf die bewegungslose Gestalt und benötigte einige Herzschläge lang, bis er begriff, dass er noch lebte. Er wälzte den Toten herum. Ein Pfeilschaft ragte seinem Auge. Unwillkürlich blickte Galen zu den Mauern hinauf und suchte nach seinem Retter. Ein zweiter Pfeil raste auf ihn zu und blieb federnd in der dünnen Grasnarbe neben ihm stecken. Er verstand und sprang auf, um sich dem nächsten Gegner zu stellen.
Die Schlacht dauerte den ganzen Tag. Unermüdlich rannten die Barbaren gegen die Stadtmauern an. An verschiedenen Stellen durchbrachen sie die Abwehrstellungen und erklommen mit Leitern und Wurfankern die Zinnen, doch die Gorderley leisteten erbitterten Widerstand und schlugen die Eindringlinge immer wieder zurück.
Vor der Stadt lichtete sich die Reihe der angeketteten Sklaven. Sie wateten in Blut und dampfenden Leibern und wer noch lebte, hatte keine Minute Pause, denn die Angriffslust der Barbaren unterschied nicht zwischen ihnen und den Gorderleykriegern. Galen schwang sein Schwert wie in einem Rausch. Noch immer war er ohne ernsthafte Verletzung und die endlosen Stunden des Ausdauertrainings machten sich bezahlt. Er spürte keine Müdigkeit in den Armen und blieb in einer unwirklichen Hochstimmung, die ihn von Kampf zu Kampf weiter trug.
Als am frühen Nachmittag das Licht nachließ, begannen auch die Angriffswellen schwächer zu werden. Einige Teile der Stadt brannten und aus den Breschen strömten die Barbaren zurück, teils bedrängt von den Verteidigern, teils aber auch beladen mit Beutegut. Doch der Preis war unendlich hoch gewesen. Hunderte lagen tot oder tödlich verwundet vor den Mauern. Galen gab einem leblosen Körper einen Tritt, damit er ein Stück den Hügel hinab rollte und ihm nicht im Weg lag. Wachsam blickte er sich um, aber für einen Augenblick nahte kein neuer Feind. Unter seinem feuchten Hemd blutete er aus einer tiefen Schnittwunde. Jetzt, im Moment der Ruhe spürte er den pochenden Schmerz. Das Blut durchtränkte sein schweißfeuchtes Hemd, ohne dass er etwas dagegen tun konnte. Er atmete scharf ein und unterdrückte gewohnheitsmäßig jeden Schmerzlaut während er seine anderen Verletzungen untersuchte. Einige Prellungen an den Beinen, einige Schnitte und eine ebenfalls tiefe zackige Wunde von einem Wurfstern, nichts lebensgefährliches. Aber nach der Anspannung des Tages überfiel ihn schlagartig ein Schwindelgefühl. Er taumelte und wollte sich auf sein Schwert aufstützen, als er aus den Augenwinkeln einen Schatten wahrnahm. Instinktiv warf er sich nach vorn und drehte sich noch im Fallen herum. Seine Klinge lenkte das Schlachtbeil haarscharf an seinem Oberkörper vorbei. Die Fußkette hinderte ihn am Abrollen, aber es gelang ihm dennoch, aufzuspringen. Wieder pfiff der mächtige Kopf des Schlachtbeils heran. Galen wartete bis zum letzten Augenblick, bevor auswich. Ein brennender Schmerz lohte in seiner Hüfte, als die Schneide einen blutigen Streifen zog. Der Barbar konnte seinen kraftvollen Hieb nicht schnell genug abfangen, und stolperte einen halben Schritt nach vorn. Galen sprang seitlich an ihm vorbei und zog dabei die Fußkette mit einem Ruck nach oben, so dass sich das Schlachtbeil darin verfing. Sein Gegner ließ die Waffe fallen, um nach seinem Dolch zu greifen, aber obwohl die Erschöpfung Galen langsamer reagieren ließ, blieb ihm genug Zeit für einem Hieb in die Seite des Barbaren. Die Klinge aus Gorderleystahl war auch nach diesem langen Tag scharf, wie in der ersten Minute und zerschnitt fast ohne Widerstand den dicken Fellumhang und drang zwischen Rippenbogen und Hüftknochen in den Körper ein. Er zog die Waffe hart nach oben und stieß noch einmal zu. Der Barbar heulte wie ein Tier auf und griff sich an die Seite. Dann brach sein Blick und er stürzte nieder. Galen wurde mitgerissen und der Schmerz beim Aufprall raubte ihm einige Sekunden den Atem. Als er wieder zu sich kam, lag er unter dem Körper seines toten Gegners begraben. Er unterdrückte seinen ersten Impuls, sofort hervor zu kriechen und blieb still liegen. Die Gorderley hatten jetzt genug mit dem endgültigen Abschlagen der Barbaren zu tun, also konnte er ein wenig ausruhen.
Nach und nach nahmen die Geräusche der Schlacht ab. Das gellende Kriegsgeheul verklang und mit dem Abend senkte sich Stille über den Hügel, nur unterbrochen von dem Stöhnen der Verletzten und Sterbenden.
Galen tastete nach der Hüftwunde. Sie war nicht tief und hatte schon aufgehört zu bluten. Langsam rutschte er unter dem Toten hervor und sah sich um. Das Dämmerlicht legte Schatten über das Grauen ringsum, dennoch konnte er erkennen, dass jeder Fußbreit des Hügels mit Leibern bedeckt war. Die Luft war geschwängert vom Geruch nach Blut und Brand. Erschüttert setzte er sich auf die zerwühlte Erde. Aber dann siegte sein Lebenswille: Er zerrte sich das Hemd vom Leib und riss es in Streifen, die er fest um den Oberkörper knotete, um die Brustwunde zu schützen. Mehr konnte er nicht tun, aber es war zu kalt, um einfach still zu verharren.
Galen kniete neben seinem letzten Gegner nieder und versuchte, den zottigen Fellumhang vom Leib des Toten zu ziehen. Schließlich nahm er das Schwert zu Hilfe und zerschnitt den Gürtel. Etwas klirrte auf einen Stein. Einen Moment lang war Galen zu beschäftigt damit, sich das wärmende Fell über den Kopf zu ziehen, bevor er registrierte, was zu seinen Füßen lag. Schwarzmatt war eine flache schmale Klinge aus dem Gürtel gefallen, kaum so lang, wie seine Hand, ohne Griff, aber auf einer Seite mit abgerundeter Kante. Gefahr! warnte eine Stimme in seinem Hinterkopf, als er danach griff. Sie war unwahrscheinlich scharf. Er strich über den Stahl und war nicht fähig, einen klaren Gedanken zu denken. Immer wieder berührte er das Metall so vorsichtig, als könnte es davon zerspringen. Sie würden es ihm ansehen. Sie würden ihn durchsuchen und die Klinge finden. Seine Phantasie reichte nicht aus, um sich vorzustellen, welcher Tod ihn erwartete, aber er würde lange dauern. Seine Hand ballte sich um den Griff, als er sich neben den noch warmen Körper des Barbaren legte und auf den Schlaf wartete.
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