„Die Hände!“
Es dauerte einen Sekundenbruchteil, bis er die Worte in dem verzerrten Gorderley-Dialekt erkannte, aber diese Zeit ließ man ihm nicht. Ein Stockhieb knallte auf seinen linken Unterarm. Mit einem Stöhnen riss Galen die Hände hoch und streckte sie nach vorn. Jemand machte sich an seinem Nacken zu schaffen und plötzlich war der eiserne Halsring fort. Im nächsten Moment wurden die Ketten von seinen Handgelenken gelöst und dann auch von den Füßen.
„Weiter!“
Verwirrt ging er den Gang entlang. Es wurde heller und dann endete der Schatten des Torbogens und weißer Sand blendete ihn. Ein Windzug strich durch die verfilzten Haare. Galen atmete tief ein, schloss einen Herzschlag lang die Augen und sah auf.
Kein Stock prügelte ihn nieder, obwohl sich hinter ihm einige Männer bewegten.
Er stand in einer Arena. Es war ein kleiner Platz von vielleicht fünfzehn Schritten Durchmesser, umrandet von einer übermannshohen Steinmauer. Darüber zogen sich rundherum vier hölzerne Sitzreihen. Direkt gegenüber dem Tunnel, aus dem Galen nun endgültig heraustrat, unterbrach eine überdachte Loge die Ränge. Es gab keine Zuschauer außer einigen Kriegern, die sich gelangweilt auf die Balustrade vor den Sitzen stützten und hinab sahen.
„Die glauben doch nicht, dass ich hier für sie kämpfe“, dachte Galen entrüstet und blickte sich um. Es war eine Erleichterung, sich ohne das Gewicht der Ketten strecken zu können.
Ein Geräusch lenkte seine Aufmerksamkeit auf ein weiteres Tor, direkt unterhalb der Loge. Ein Mann lief heraus, sah sich kurz um und näherte sich dann Galen. Hinter ihm schloss sich die Türe.
Er trug eine Handaxt und wiegte sie locker, während er einen leichten Bogen schlug bis die Sonne in seinem Rücken stand.
„Was soll das? Ich will nicht kämpfen, ich habe nicht einmal eine Waffe “, sprach Galen ihn an. Sein Gegner schien ein Barbar aus den unwegsamen Bergen im Norden Gorderleys zu sein. Er war größer als jeder Mann, den Galen bisher gesehen hatte. Das rötliche Haar war zu einen bis zur Hüfte herab hängenden Zopf geflochten. Der unbekleidete Oberkörper wies Narben auf, aber keine Anzeichen von Hunger. Im Gegenteil, die Muskeln legten die Vermutung nahe, dass der Kämpfer körperlich kerngesund war und auf jeden Fall besser in Form als Galen.
Viel zu schnell, als dass er reagieren konnte, sprang der Barbar heran und schlug zu. Der Hieb schlitzte ihm den gesamten Oberarm bis zum Ellbogen auf, so glatt und schnell, dass Galen zuerst nicht einmal Schmerz empfand. Im nächsten Moment blitzte die Schneide der Axt wieder in der Sonne und holte Schwung für einen weiteren Schlag. Galen warf sich mit einem Wutschrei zu Boden und rollte gegen die Beine seines Gegners. Der Hieb verfehlte ihn und der Barbar wich seitwärts aus. Leichtfüßig tänzelte er um den Brandai, der taumelnd wieder auf die Füße kam.
Galens Arm hing nutzlos herab, das Blut lief ihm über die Beine und tropfte in den Sand. „Er bringt mich um“, dachte er verzweifelt, „ich kenne ihn nicht einmal, und er bringt mich um.“ Er sprang unter einem neuen Angriff fort und versuchte seinen Gegner zu umrunden, damit er ihm wenigstens den Vorteil der Sonne nahm. Der Barbar schnitt ihm den Weg ab. Mit einer weit ausholenden Bewegung ließ er die Axt an Galens Brust vorbei streifen und zerfetzte das ohnehin brüchige Hemd. Ein roter Streifen zog sich über die Haut.
Der pochende Schmerz aus dem Arm machte Galen fast blind und der Blutverlust würde ihn in wenigen Minuten so geschwächt haben, dass er seinem Gegner nicht mehr ausweichen konnte. War dies eine makabere Form von Hinrichtung?
So einfach sollten sie es nicht haben! Es lag mehr Wut als echte Kraft in dem Fausthieb mit dem er den angreifenden Barbaren empfing. Er traf ihn an der Schulter und brach sich dabei einen Fingerknöchel, aber es reichte, um den Angreifer aus dem Konzept zu bringen. Bevor der seinen Schwung abbremsen konnte, war er fast an Galen vorbei. Das war die Chance : Mit aller Kraft rammte Galen ihm den Ellbogen in die Seite und trat ihm danach von hinten in die Kniekehlen. Der Barbar fiel nach vorn. Bevor er sich abfangen konnte, warf sich Galen auf seinen Rücken und drückte den Kopf in den Sand. „Gib auf“, keuchte er, „gib auf!“
Der Körper unter ihm versuchte, sich aufzubäumen. Mit dem verletzten Arm drückte Galen die Waffenhand seines Gegners zusammen. Ihm wurde vor Anstrengung beinahe schwarz vor Augen, als er sich mit seinem ganzen Gewicht auf den Kopf des Barbaren stützte und dessen Gesicht in den Boden presste. Endlich erlahmten die Abwehrbewegungen. Galen rollte sich zur Seite und hoffte, dass es keine Finte war. Nach einigen Sekunden richtete er sich auf. Sein Gegner lebte noch und atmete schwach, aber er war nicht bei Bewusstsein. Galen wollte die Handaxt mit dem Fuß fort schieben, als er die Stimme vernahm: „Töte ihn!“
Suchend sah er sich um, aber in dem Torbogen, aus dem er gekommen war, konnte er nur schemenhaft eine Gestalt in der Dunkelheit erkennen. Er starrte auf den Barbaren herab und biss sich auf die Lippen. Kein Mann von Ehre tötete einen Wehrlosen. Angeekelt wandte er sich ab.
„Töte ihn!“
Die Stimme verriet unmissverständlich Ärger.
Auf dem Boden begann sich der Barbar wieder zu regen. Schnell hob Galen die Axt auf und trat zurück. Die Bewegung verursachte Schwindel und er wusste, dass er nicht mehr sehr lange durchhalten würde.
Etwas zischte von hinten an seinem Kopf vorbei und blieb im Sand vor ihm stecken. Ein Pfeil. Galen fuhr herum und sah im Gegenlicht einen Krieger auf den Zuschauerrängen, der mit gespanntem Bogen auf ihn zielte. Diese Warnung war eindeutig.
Langsam wandte er sich wieder der liegenden Gestalt zu. Schwarze Punkte tanzten vor seinen Augen. „Er ist wehrlos. Ich kann nicht..ich kann nicht..“ Die Axt fuhr auf den Hinterkopf des Barbaren und spaltete ihn sauber in zwei Teile.
Der Stiel entglitt Galens Händen und er starrte auf die hervor quellende Gehirnmasse. Am liebsten hätte er sich selbst erschlagen vor Scham. Als er mit schleppenden Schritten auf das Tor zuging, versuchte er die Gestalt zu erkennen, die ihm diese Tat aufgezwungen hatte, aber die Schatten verbargen die Gesichter der Männer. Er zögerte einen Augenblick, die sonnige Arena zu verlassen, dann, angewidert von sich selbst trat er in die Dunkelheit des Torbogens.
Roh wurden ihm die Arme hoch gerissen und er schrie auf, als jemand seinen verletzten Oberarm festhielt. Eisernen Schellen schlossen sich erneut um seine Handgelenke und im selben Augenblick spürte er auch den Halsring. Fast war er erleichtert, denn wenn sie ihn anketteten, würden sie ihn wohl am Leben lassen. Der Gedanke hatte kaum Zeit bewusst zu werden, bis ihn der erste Stock traf.
Gnadenlos prasselten die Schläge auf seinen Rücken, Beine und Arme bis er zu Boden stürzte. Galen fühlte, wie seine Handknochen brachen, als er versuchte, seinen Kopf zu schützen. Er hörte, wie eine Rippe splitterte, und spürte, wie die Haut mit einem widerlichen Schmatzen aufplatzte und das rohe Fleisch seines Rückens freigab. Irgendwann wurde es schwarz um ihn.
Es konnten nur wenige Minuten vergangen sein, als er wieder erwachte. „Ich bin nicht tot“, war sein erster Gedanke. Sein Gesicht lag in einer Blutlache. Galen wagte nicht, die Augen zu öffnen, aus Angst vor neuen Schlägen, aber als er eine Bewegung direkt vor seinem Kopf wahrnahm, zwang er die blutverklebten Lider auseinander. Direkt vor seinem Gesicht stand ein eisenbeschlagener Stiefel. Schnell kniff er die Augen wieder zusammen. Er wollte nicht zuschauen, wie ihm dieser Fuß ins Gesicht trat.
Aber es geschah nichts.
In fehlerlosem Brando erklang die Stimme über ihm: „Du hast gut gekämpft, deshalb lebst du überhaupt noch. Und weil man dich möglicherweise noch nicht über deinen Status aufgeklärt hat.
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