Ich taste meinen linken Brustbereich ab, denn von dort tritt der Schmerz bei Belastung auf. Ich kann aber nichts an Schwellungen oder Hämatomen feststellen und grenze somit ein, dass ich mich in diesem King Site Bett verlegt haben muss.
Oder esoterisch betrachtet!
>> Na Super, da haben die stechenden Blicke ja ihr Ziel erreicht, aber musste es denn unbedingt die Herzseite sein, Liebchen ? <<
Ich stellte für mich fest, dass ich keine Zeit für Befindlichkeiten habe und spreche zu mir:
>>Das Jammern nutzt aber nichts, denn Frankreich und Metz warten schon auf mich, also Gas geben Jung <<.
Ohne Unterhose und mit der neuen Erfahrung und Zuversicht, dass Staunässe und wund gefahrene Leisten in Zukunft der Vergangenheit angehören, schaffe ich es, dass ich um 6:30 Uhr abfahrbereit in den Startlöchern stehe. Das Fahrrad ist in Ordnung, also Schlüssel der „Kaschemme“, wie mit der Wirtin besprochen, in den Briefkasten geworfen und los geht`s.
>> Und bloß nicht umdrehen, um denen „Im Stübchen“ kein auf Wiedersehen signalisieren zu müssen. <<
Beim Aufsteigen auf das Fahrrad spüre ich >> schön << meine linke Brustseite. Stelle jedoch mit Beruhigung fest, dass ich ohne Schmerzen trampeln kann. Ich halte auf den ersten Metern schon mal Ausschau nach dem ersten warmen Getränk, aber es ist noch viel zu früh, um meine Morgendröhnung zu finden. Wie ich nach kurzer Fahrzeit bemerke, ist der Fahrtwind noch etwas „kühl lala“. Also stoppe ich und ziehe eine leichte Softschell Jacke unter leichten Schmerzen an.
Eine gute Entscheidung, denn jetzt läuft das Rad, während ich wieder der „Mosel“ entlangfahre, einwandfrei. Da es heute wieder 38° – 40°C werden soll, beschieße ich, nur dann eine Kaffeepause einzulegen, wenn ich ein geöffnetes Geschäft finde. Mir fallen zwei Nachtlager von einigen Wildcampern auf und dabei frage ich mich, ob die gestern auch zu viel Wein getrunken haben?
So früh sind kaum Leute unterwegs und das Fahren an der Mosel entlang ist hier auch sehr abwechslungsreich und schön. Da laut Straßenschilder mein nächster Ort Konz sein wird, hoffe ich, hier meinen dringend benötigten Kaffee zu bekommen. Wie ich später erfahre, nicht Ort, sondern Stadt. Denn Konz hat durch die Eingliederung mehrerer Ortschaften 1959 die Stadtrechte erhalten. Hier in Konz mündet die Saar in die Mosel. Die Römer bauten für ihre Straße von Trier nach Metz über die Saar eine Steinbrücke mit sechs Bögen und zwei Türmen. Es wurde eine römische Tempelanlage aus dem frühen 1. Jh. n. Chr. entdeckt und ausgegraben. Leider erlaubt es meine Zeit nicht, alles anzuschauen was mir ständig an interessanten Dingen während meiner Tour begegnet. Dies bedauere ich wirklich.
Hier zwischen Trier, Konz und Metz befinde ich mich auch streckenweise auf der 473 km umfassenden „Velo Route SaarLorLux“, mit folgendem Streckenverlauf :
Saarbrücken - Kleinblittersdorf - Sarreguemines - Sarralbe - Dieuze - Moyenvic - Delme - Verny - Ars-sur-Moselle - Metz - Thionville - Schengen - Remich - Dalheim - Luxembourg - Graulinster - Echternach - Igel - Trier - Konz - Mettlach - Merzig - Dillingen - Saarlouis - Völklingen – Saarbrücken.
Von Konz aus erreiche ich nach kurzer Zeit den Moselort Oberbillig. Oberbillig ist mit dem gegenüberliegenden, luxemburgischen Wasserbillig durch eine Autofähre verbunden. Will man den Ort erreichen und befindet sich wie ich auf der anderen Moselseite, so muss man eine Brücke, die über den Grenzfluss „Sauer“ oder Sure, wie er in Luxemburg genannt wird, benutzen.
Mit dem Überqueren der „Sauerbrücke“ verlasse ich Rheinland-Pfalz und befinde mich ab sofort in Luxemburg. Ich bin ganz überrascht, denn damit habe ich überhaupt nicht gerechnet. Da bin ich wohl mal wieder schlecht vorbereitet gewesen?
Aber ich erinnere mich, dass es so ja auch gewollt war. Nicht alles bis ins Detail vorbereiten, sondern aus der Situation heraus entscheiden.
Ich frage noch kurz einen Passanten, der gerade seine Brötchen beim Bäcker gekauft hatte, welcher der beiden Uferstraßen nach Metz führt? Nicht das ich erst mal die „Sauer“ entlang fahre und nach kurzer Zeit sauer bin, weil ich dem falschen Flusslauf folge.
Leider habe ich das Nachfragen bei Ortskundigen nicht immer befolgt und in Nancy wurde daraus ein „kleiner Umweg“ von ca. 50 Kilometern und 50 Kilometer mit dem Fahrrad sind mal schlappe 150 Minuten.
Apropos Bäckerbrötchen, fehlt da nicht noch etwas? Wieso habe ich nicht gleich den Herrn gefragt?
Sofort stelle ich meine Sinnesorgane und besonders meine olfaktorische Wahrnehmung auf Empfang:
>> Ja, ich rieche es, gleich bin ich am Ziel meiner morgendlichen Sucht ! <<
Ich denke an das Buch „Parfüm“ des deutschen Schriftstellers Liebeskind, welches ich seiner Zeit in einer Woche verschlungen hatte und an den Hauptdarsteller „Grenouille“, der Gerüche kilometerweit wahrnehmen konnte.
Da ich, von Latten, wenn der Wind günstig steht, durchaus in der Lage bin 30 Meter wahrzunehmen, werde ich auch um zwei Straßenecken weiter mit einer Bäckerei belohnt.
Kaffee, zwei Brötchen dazu und runter zum Moselufer auf eine Bank und erst mal gefrühstückt. Es ist noch früh und es sind kaum Luxemburger unterwegs. Die Mosel heißt hier in Luxemburg „Moselle“ und so schaue ich mir noch den Flusslauf etwas genauer an und sauge die Stimmung der Landschaft auf. Dabei ziehe ich mir die Brötchen rein.
Gut gestärkt geht es um 9:30 Uhr weiter auf einer sehr gut ausgebauten Fahrradstrecke. Ich befinde mich auf der Luxemburger Weinstraße und bewege mich entlang der Mosel in Richtung Schengen. Die Städte Schengen und Perl sind die Einfallstore, wo jene 42 Kilometer beginnen, an denen sich die beiden Nachbarländer Deutschland und Luxemburg die Mosel teilen. Auch wenn ich sehr oft auf Landstraßen fahren muss, diese sind sehr großzügig ausgebaut und dem Sicherheitsabstand der Verkehrsteilnehmer wurde gut Rechnung getragen.
Hier reiht sich wie an einer Schnur gezogen Weinanbaugebiet an Weinanbaugebiet. Der Weinbau in Luxemburg ist bis ins Mittelalter und früher dokumentiert. Er bezieht sich in Luxemburg größtenteils auf das Moselgebebiet mit den steilen Hängen und Gesteinsböden. Hier fing es wie fast überall an Mosel und Rhein mit den Römern an, die nach ihrem Siegeszug durch Gallien auch das nördliche Moseltal und Germanien eroberten. Und da Trinkwasser damals noch stark verunreinigt war, haben die Römer dem Wein zum Löschen des Durstes den Vorzug gegeben. Der Alkoholgehalt von Wein und Bier war damals nicht so hoch wie wir ihn heute kennen.
Und im Mittelalter diente ein Quantum an Wein sogar zur Desinfektion des Wassers.
Weil die Kirche Wein für ihre Messen benötigte, übernahmen sie später im Mittelalter, wie überall in Europa, den Weinanbau.
Luxuriöse Häuser prägen teilweise die Landschaft entlang der Mosel und zeugen von gewissem Wohlstand, der hier mit dem Rebensaft erzielt wird.
Mittlerweile macht mir der Schmerz mehr und mehr Sorge. Hätte ich nicht eigentlich schon längst einen Arzt konsultieren müssen? Im Moment kann ich auch nicht im Internet recherchieren. Also wenn ich gleich mit Grit telefoniere, dann lasse ich sie mal Zuhause im WWW nach einer Arztadresse sehen.
Die knapp 42 Kilometer bis Schengen sind eigentlich ziemlich schnell gefahren und unterwegs habe ich auch keine Pause mehr eingelegt. So erreiche ich Schengen gegen 11:30 Uhr.
Hier werde ich aber erst mal etwas verschnaufen und vielleicht bekomme ich noch einen Stempel. Vor dem Europadenkmal und einem Segment der Berliner Mauer am Moselufer stelle ich mein Rad ab und schaue mich etwas um. Eigentlich hatte ich nach dem historischen Gewicht des Schengener Abkommens eine gewaltige Stadt erwartet. Das Gegenteil ist der Fall. Schengen ist ein kleines Winzerdorf an der Mosel mit gerade mal 4500 Einwohnern.
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