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Das tägliche Leben wird heute durch „Informationen“ geordnet. Weltweit. Immer mehr Informationen und eine immer mehr gefestigte Ordnung. Nicht nur durch die gedruckten und elektronischen „Medien“. Informationen werden auch vermittelt durch das Elternhaus, durch die Schule, durch das Umfeld, und das nicht zu knapp. Wo kommen die Informationen her, wo werden sie erzeugt, wer bringt sie in Umlauf, welche Wege nehmen sie, wie lange dauert es, bis eine Information vom Produktionsort das Elternhaus erreicht? Wir wissen es nicht. Ist es wichtig, das zu wissen?
Der Konsum von Informationen bereitet uns anscheinend viel Spaß und vermittelt uns viel Wissen. Wissen? Der 24-Stunden-Tag reicht kaum noch aus. Wann soll überhaupt noch nachgedacht und nachgefragt werden? Nachgedacht und nachgefragt? Ist es notwendig? Da helfen uns die Mahnungen einiger weniger Rufer wie des Medienkritikers Neil Postman wenig, daß wir uns möglicherweise zu „Tode unterhalten“ oder zu „Tode informieren“ lassen könnten. Wenn es so wäre, wäre das nicht ein sorgenfreier, ein unterhaltsamer, ein fröhlicher, ein schöner Tod? Was ist dagegen einzuwenden? Aber wir leben noch. Wir leben heute. Und wir können nicht aussteigen, selbst wenn wir wollten. Von wo und wohin? In unserer Zeit haben Robinsons keinen Platz auf diesem Planeten. Aber müssen wir aussteigen, müssen wir alles hinnehmen, was uns so gebracht wird?
Das Netzwerk des Transports von „Informationen“ wird immer dichter. Die Übertragungen sind flächendeckend. Die Menge der Informationen steigt und alles wird immer unüberschaubarer. Unüberschaubar ist auch die rasende Entwicklung der Technologien der Vermittlung. Informationen werden immer schneller zum Zielort gebracht. Rund um die Uhr. Rund um die Welt. Allein die Beherrschung der sich schnell überholenden technischen Ausrüstungen verbraucht mehr Zeit als wir eigentlich zur Verfügung haben. Geraten wir so nicht in die Informationsfalle? Sind wir uns dessen bewußt? Wollen wir uns aus dieser Falle befreien? Können wir uns befreien? Wie?
Wir haben kein Rezept gefunden. Selbst wenn wir welche gefunden hätten, würden wir sie hier nicht zum Besten geben. Dies wäre, meinen wir, unverantwortlich. Aber wir bemühen uns unaufhaltsam, uns aus dieser Falle zu retten. Wir vertrauen darauf, daß unser unaufhaltsames gemeinsames Bemühen und der ständige Austausch unserer Erfahrungen uns aus der Informationsfalle führen werden. Wir bauen darauf. Deshalb berichten wir über unsere Bemühungen.
Wir wissen wenig darüber, wo jene Informationen, die uns von unterschiedlichen Instanzen wie Familie, Schule usw. vermittelt werden, ursprünglich erzeugt werden, wer sie erzeugt und warum sie immer mehr Menschen verfügbar gemacht werden. Wir wissen auch wenig über die Gesamtmenge der verfügbaren Information und welcher Teil uns davon verfügbar gemacht wird. Und wir haben wenig Mittel, die Qualität dieser Informationen zu überprüfen. Doch wird unser tägliches Leben von Informationen überflutet. Und wie es bei einer Flut so ist, wir sehen die Flut kommen, wir sehen die Wucht der Flut und doch können wir nicht wirklich fliehen. Selbst wenn uns die Flucht gelingt, wundern wir uns, wie die Flut uns doch noch mittelbar einholt. Wir kaufen sie täglich. Aber warum kaufen wir diese Flut von Informationen und verbrauchen unsere Lebenszeit?
Und was ist Information? Alles was uns über die „Medien“ geliefert wird? Gibt es Unterschiede? In der Qualität? Welche? Wo und wie lernen wir, Informationen zu unterscheiden, zu bewerten? Ist Information bloß eine Nachricht , eine Auskunft , eine Belehrung , oder etwa auch ein Baustein für Wissen oder alles zusammen? Wer gibt uns Antworten auf unsere Fragen? Die Verkäufer dieser Informationsmaschinerie tun dies nicht. Natürlich können wir zu Nachschlagewerken greifen. Helfen sie uns weiter? Was sind Nachschlagewerke? Gibt es Unterschiede zwischen ihnen? Seit wann gibt es Nachschlagewerke? Wer sind ihre Verleger? Wer trägt die Schlagworte zusammen? Werden alle möglichen Schlagwörter erfaßt? Gibt es Auslassungen? Welche? Und woher wissen die Verfasser der Nachschlagewerke, wenn sie selbst glauben, etwas zu wissen, daß ihr Wissen auch Wissen ist? Welche sind die Quellen ihres Wissens? Was ist, wenn diese Quellen vergiftet sind oder nur den Schein vermitteln, Quelle zu sein, ohne je eine Quelle gewesen zu sein? In welchem Verhältnis stehen die Macher der Nachschlagewerke zu der Informationsmaschinerie ? Wir maßen uns nicht an, auf diese Fragen Antworten auch nur zu versuchen. Aber wir meinen schon, daß wir auf Fragen wie diese Antworten suchen sollten. Gemeinsam. Wie sollen wir sonst der Gefahr entrinnen, willenloses Werkzeug, Roboter der Besitzer der Informationsmaschinerie zu werden?
Wir alle wissen, daß „Informationen“ nicht vom Himmel fallen. Sie werden produziert und dann zu uns getragen, damit wir sie auch verbrauchen. Die Bandbreite der Träger, gemeinhin „Medien“ genannt, ist weit. So scheint es. Wir haben behauptet – wahrscheinlich ohne auch nur einen dumpfen Widerspruch provoziert zu haben –, daß Informationen durch das Elternhaus, durch die Schule, durch das Umfeld, durch gedruckte und durch elektronische „Medien“ an uns heran gebracht werden. Die Bandbreite der Medien wird immer dichter. Und diese Verdichtung soll Fortschritt bedeuten. Je dichter, um so „fortschrittlicher“. So wird es uns präsentiert und wir glauben auch daran. So sehr, daß wir uns im Alltag über diese Träger, über die Medien, wenig Gedanken machen. Wir stürzen uns auf den Inhalt der überbrachten Information, debattieren über ihn mit viel Akribie. Irgendwann ist die Luft raus. Selten haben wir die Kraft und die Ausdauer uns über den Träger, über den Weg, über den Erzeuger, über die Quelle Gedanken zu machen. Und was ist, wenn die Information einen erfundenen, einen nicht zutreffenden, einen falschen, einen gefälschten Inhalt hat? Ja, was ist, wenn es so wäre? Wären wir dann nicht etwas „glauben gemacht“ worden, was nicht ist? Und wenn es so wäre, wem nutzt das? Wem schadet das? Hat es etwas mit der Macht zu tun? Ausübung der Macht durch Manipulation ? Wer übt die Macht über uns aus?
Der immer schneller werdende Alltag läßt uns keine Zeit mehr, zunächst nach der Quelle und nach der Qualität der Quellen zu fragen, bevor wir uns mit dem Inhalt einer „Information“ befassen. Ist dies nicht überall die Praxis geworden, in der Hochschule, in den Lektoraten der Verlage und in den Redaktionen der Medien? Schließlich besorgt sich jeder seriöse Mensch, jede Einrichtung, Information von seriösen Agenturen. Und wir alle sind doch seriöse Menschen! Oder? Dann erübrigt sich das Hinterfragen. Man kann schließlich nicht jedes und alles hinterfragen! Wo kämen wir dann auch hin? Nirgendwo. Wir kämen überhaupt nicht von der Stelle weg. Nicht wahr? Bewegung ist angesagt. Fortschritt! Wer rastet, der rostet. Und welcher „moderne“ Mensch will rosten?
Also lernen wir die fortschrittliche Wertigkeit zu verinnerlichen. Es gibt seriöse Agenturen und es gibt unseriöse Agenturen. Es gibt seriöse Quellen und es gibt unseriöse Quellen. Es gibt seriöse Nachschlagewerke und es gibt andere. Es gibt seriöse wissenschaftliche Werke und es gibt andere wissenschaftliche Werke. Nach welchen Kriterien so entschieden wird? Wer so entscheidet und wer die Entscheidung propagiert? Wie sollen wir das wissen? Haben wir überhaupt Zeit, solche überflüssigen, rudimentären Fragen zu stellen? Wissen wir denn nicht, daß beispielsweise die Deutsche Presseagentur im Vergleich zu anderen nicht–deutschen Agenturen verläßlicher ist? TASS, Tanjug, Terra und wie sie alle heißen mögen.
Es gibt natürlich einige etwa gleich gute Agenturen, wie Reuters, AP, AFP. Sie tauschen ihre Informationen auch untereinander aus. Ungeprüft, versteht sich. Der Rationalisierung wegen. Schließlich müssen die Agenturen wirtschaftlich organisiert sein, genug Geld verdienen, um sich gute Mitarbeiter leisten zu können. Kurz: alle Agenturen, die zu unsgehören, sind auch seriös und glaubwürdig. Wäre es nicht so, würden sie auch nicht zu uns gehören. Bekannte Nachschlagewerke sind eben seriöser, sonst wären sie ja auch nicht bekannt. Renommierte Verlage sind, na ja, wir wissen schon. Ein viel schreibender Wissenschaftler ist eben weiser. All dies hat man zu wissen. Sonst läuft man Gefahr, kurzatmig und unbeweglich zu werden. Zu rosten.
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