Thorsten Nesch
Wir überfallen die Polizei
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Inhaltsverzeichnis
Titel Thorsten Nesch Wir überfallen die Polizei Dieses ebook wurde erstellt bei
Wir überfallen die Polizei Wir überfallen die Polizei von Thorsten Nesch
Eine Polizeiwache zu überfallen ist abwegig? Eine Polizeiwache zu überfallen ist abwegig? Stimmt. Die Lage ist anders, wenn dort große Werte lagern. Es gibt zwei verbriefte Fälle: 2006 in Guatemala und 2008 in Brasilien. Quelle: dpa
»Geld ist nicht so wichtig... »Geld ist nicht so wichtig... Darum ist es mir völlig egal, ob ich 70 oder 50 Millionen Dollar besitze.« - Arnold Schwarzenegger
Die Knockout Situation
Was für eine Gelegenheit?
In der Polizeiwache
Von Scheintoten und Scheinen
Fluchtautopiloten
Wie bestellt: Das Ordnungsamt
Vollgas!
Bitte nimm Dir kurz Zeit,
Das „Wir überfallen die Polizei“-Universum
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Wir überfallen die Polizei
von
Thorsten Nesch
Eine Polizeiwache zu überfallen ist abwegig?
Stimmt.
Die Lage ist anders, wenn dort große Werte lagern.
Es gibt zwei verbriefte Fälle:
2006 in Guatemala und 2008 in Brasilien.
Quelle: dpa
»Geld ist nicht so wichtig...
Darum ist es mir völlig egal,
ob ich 70 oder 50 Millionen Dollar besitze.«
- Arnold Schwarzenegger
Wenn jeder Mensch nur eine gewisse Menge an Adrenalin im Leben produziert, dann habe ich meinen gesamten Vorrat alleine heute verschossen. Dann schlurfe ich für den Rest meines Lebens als Zombie durch die Gegend, getrocknete Spucke an den Lippen, blöder Blick.
Wir stehen schon eine ganze Weile hier an der Theke dieser schäbigen Kneipe und haben uns gegenseitig unsere Versionen des Tages erzählt; trotzdem fehlt nicht viel, und ich würde meinen Whisky mit zwei Händen trinken, so sehr klappert das Glas zwischen meinen Zähnen.
Ob es den anderen genauso geht?
Über den zitternden Glasboden schaue ich in die Runde. Diesem Anton scheint der ganze Tag am Arsch vorbeizugehen. Der steht da, als würde er sich sein Feierabendbier gönnen.
Und der soll mein leiblicher Vater sein!
Das verschwitzte Polizeihemd hat er sich aus der Hose gerupft und bis zum Bauchnabel aufgeknöpft, so dass uns der verwitterte Totenkopf von seiner tätowierten Brust angrinst wie Keith Richard einen Zöllner. Die Polizeilederjacke liegt zusammengeknüllt auf dem Tresen.
Chris trinkt seinen Cutty Sark, dabei zwinkert er zu oft mit den Augen. So zeigt sich bei ihm die Nervosität. Seine Polizeilederjacke trägt er noch. Verstehe ich nicht. Auch wenn sie vorne offen ist, muss es da superheiß drin sein. Es sind ganz sicher über 40 Grad in diesem Bierloch, genau wie draußen, kein Unterschied. Eine Bullenhitze.
Der knarrende Deckenventilator quirlt die heiße Luft nur, Wind erzeugt er keinen. Schlaff hängen die Staubfäden von dem Fischernetz, das jemand vor vielen Jahren unter die Holzimitatdecke des fensterlosen Ladens getackert hatte. Seitdem hält es seinen Fang: Plastikfische, Plastikseesterne, eine Gummiente, leere Bierdosen, Bierdeckel, Zigarettenschachteln, einzelne Handschuhe und BHs.
Maria lehnt hinter ihrer Theke auf der Bar und raucht hektisch eine Zigarette nach der anderen. Sie zieht immer nur kurz, wartet, ohne die Hand mit der Zigarette weiter als nötig vom Mund zu entfernen, atmet aus und nimmt gleich den nächsten Zug. Jedes Mal, wenn sie an dem Filter zieht, entstehen Linienfältchen um ihre Lippen, die sternförmig auf den Mund zeigen. Ihre Augen starren zwischen uns hindurch.
Mein Erzeuger hebt sein Glas auf Stirnhöhe, räuspert sich spektakulär laut und spricht einen Toast aus, —Den hier For the Road! Danach sollten wir uns verpissen.
Ich weiß noch nicht einmal, ob Anton sich mit mir verpissen will oder wieder alleine wie nach meiner Geburt.
Persönlich kennengelernt haben wir uns erst heute Vormittag. Nach meiner Entlassung aus der Jugendhaftanstalt.
+
—So, Ralf Dreher ...
An dieser Stelle unterbrach ich Ömmes, den fülligen Vollzugsbeamten, der heute an der Ausgabestelle saß und innerlich nur noch auf seine baldige Pensionierung wartete, —Daniel, Daniel Dreher!
Ich stand in einer Art Schleuse zur Freiheit, eine Tür links, eine Türe rechts von mir: hinter einer der Knast, hinter der anderen die Freiheit. Alles war weiß gestrichen mit der billigsten Farbe, die im Baumarkt zu kriegen war, und gestrichen wurde dauernd. Meistens, nachdem jemand ausrastete. Gründe gab es genug. Unter der frischen Farbschicht konnte ich einige Dellen und Kerben erkennen.
—Hier steht Ralf, meinte Ömmes so emotionslos wie die dicke Plexiglasscheibe zwischen uns.
—Ralf Daniel heiße ich eigentlich, Ralf Daniel Dreher.
Er nagelte mit einem grünen Kugelschreiber auf das Papier, —In den Unterlagen steht nur ...
—Ja, Ralf, ich weiß, ich habe meinen Mittelnamen nie angegeben, aber heute beginnt mein neues Leben. Neues Leben, neuer Name.
Jetzt schaute er mir zum ersten Mal in die Augen, seine Routine hatte einen Knacks bekommen. Es kam wohl nicht häufig vor, dass jemand bei seiner Entlassung anders genannt werden wollte als beim Einchecken in den Club Mett.
Ömmes räusperte sich, —Daniel Dreher. Ein neuer Vorname alleine macht noch kein neues Leben.
—Mein neues Leben heißt Clarissa.
Er überlegte mit dem Kugelschreiber an seinen Lippen und zeigte dann auf mich, als hätte Sherlock Holmes seinen schwierigsten Fall gelöst, —Das Mädchen, das dich am Anfang mal besucht hat?
—Ja.
—Ich habe sie danach nicht mehr gesehen.
—Der Knast hat sie deprimiert, sagte ich.
—Der deprimiert mich auch, trotzdem komme ich jeden Tag.
—Sie werden dafür bezahlt. Clarissa nicht.
Ömmes kreuzte Kästchen in dem Formular an, er kannte die ganzen drei Seiten auswendig, auch die Abstände zwischen den Kästchen. Seine Hand mit dem Stift schob sich über das Papier, als würde sie von einem Magneten unter dem Tisch gelenkt.
—Schon komisch, wenn die Besuche aufhören, sagte er, als würde er laut denken.
—Sie wartet auf mich.
—Sicher?
Auch wenn er mich gerade nicht ansah, erkannte ich seine hochgezogenen grauen Augenbrauen.
—Sie hat mir geschrieben. Wir lieben uns! Das müssten Sie doch wissen, sie lesen doch jeden Brief.
—Na, na, na, Vorsicht!, warnte er mich mit dem Zeigefinger, —Und dann? Wie geht’s dann weiter? Hast du einen Job in Aussicht?
Er legte den Kugelschreiber weg und stempelte die Papiere.
—Ich mache meinen Realschulabschluss nach und werde Automechatroniker.
—War es vor einem Jahr nicht noch Boxtrainer?
—Boxmanager! Aber mein Schützling hat es sich anders überlegt. Nun will ich was Solides.
—Du?
—Ich bin gut mit Autos, deswegen war ich hier auch in der Schlosserei.
—Unsere Schlosserei stammt aus der Zeit, wo Autos noch das Lenkrad in der Mitte hatten.
—Man muss alles können. Von der Pike auf.
—Da hast du viel vor.
—Den Hauptgewinn.
Er kratzte sich am speckigen Nacken, —Na dann, viel Glück, das brauchst du, und halt die Ohren steif und die Finger weg von Drogen!
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