1 ...7 8 9 11 12 13 ...16 »Der Arbeitsvertrag«, fügt sie hinzu. »Dort stehen alle einzelnen Punkte noch einmal aufgelistet. Studieren Sie ihn zu Hause in Ruhe und wenn Sie damit einverstanden sind, können Sie ihn unterschrieben zurückbringen und auch sofort anfangen.«
Sie erhebt sich aus ihrem Bürosessel und schaut auf ihre pompöse Armbanduhr, die mindestens ein Kilo wiegt, so viele Brillis wie die hat.
»…schon wieder zu viel Zeit vertrödelt…«, nuschelt sie in sich hinein, während sie mich quasi aus ihrem Büro hinausschiebt.
»Überlegen Sie es sich, Frau Bogner«, redet sie mir ins Gewissen. »Auf Wiedersehen!«
Die Tür schlägt vor meiner Nase zu und ich stehe allein auf dem Flur. Doch der Butler ist schon im Anmarsch. Wortlos begleitet er mich zur Haustür. Als ich draußen auf dem Bürgersteig stehe, atme ich tief durch. Dann rufe ich mir per Handy ein Taxi.
Ich, Melissa Bogner soll ein muslimisches, kopftuchtragendes Kindermädchen werden? Ich lasse das kuriose Vorstellungsgespräch noch einmal vor meinem inneren Auge Revue passieren. Wer hätte vorher ahnen können, dass ich es mit einer Verrückten zu tun haben würde?! Höchstwahrscheinlich hat das Gehirn dieser Frau einen irreparablen Schaden genommen, bei ihren Endlossitzungen, in der hauseigenen Klappkaribik.
Während der Fahrt schaue ich mir den Arbeitsvertrag genau an. Immer wieder fällt mein Blick auf diese sagenhaften dreiundachtzig Euro extra, welche in einer kleingedruckten Zeile, ganz am Ende des Vertrages, erwähnt werden.
Wie dem auch sei, ich werde keine voreiligen Entscheidungen treffen. Was soll schon dabei sein, diese Stelle anzunehmen? Als gebürtige Rheinländerin, bin ich Verkleidungen grundsätzlich nicht abgeneigt. Ich war sogar mal Mitglied im Karnevalsverein. Unter Umständen erweist sich das Arbeiten in dieser Maskerade sogar als angenehm. Im Endeffekt wäre ich nämlich nicht ständig unliebsamen, wollüstigen Männerblicken (in diesen Fall denen des Hausherren) ausgesetzt, wie so oft. Wie gesagt, auf Dauer nervt das ganz schön.
»Wie soll ich bitte meinem zwanghaften und kategorischen Kombinieren von Kleidungsstücken nachkommen, ohne dabei als Amokläuferin zu enden?«
Noch während der Heimfahrt berichte ich Yasemin per SMS von dem Bewerbungsgespräch. Um die Mittagszeit empfange ich eine Rückantwort. Wir verabreden uns in unserem Stammcafé. Bis dahin habe ich noch eine knappe Stunde Zeit, deswegen mache ich es mir auf dem Sofa gemütlich und lege die Beine hoch.
Keine zwei Sekunden später klingelt das Telefon.
Es ist Sören.
»Was willst du?«, frage ich borstig.
»Mel...ich ähm…ich…«, stammelt er. »Ich vermiss’ dich. Ohne Witz. Ich dachte, du würdest dich melden.« Er klingt tatsächlich ein bisschen wehmütig. Tja, jetzt weiß er wie so was ist.
»Wieso sollte ich? Wir haben Schluss gemacht, schon vergessen?«
»Aber du fehlst mir, Hasi«, beteuert er weiter.
Ich fehle ihm? Na so was.
»Wo denn bitte schön? Etwa auf dem Beifahrersitz?«, will ich wissen und grabe derweil in meinem geistigen Repertoire nach etwas Zynischem, das ich ihn an den Kopf werfen kann: »Ich dachte, da säße längst ein neues Hasi .«
Für einen Moment herrscht Schweigen in der Leitung. Bei Sören dauert es in der Regel länger als bei Durchschnittsintelligenten, bevor es klick macht. Dann versucht er es mit einer neuen Taktik. Mit Niveau (kaum zu glauben).
»Ich wollte mal hören, wie es dir so geht, ohne mich und ohne Arbeit.«
»Fantastisch, danke der Nachfrage«, erwidere ich kühn. »Mir geht’s super. Außerdem habe ich schon eine neue Arbeitsstelle.« Das heißt, so gut wie. »Und stell dir vor, da verdiene ich sogar mehr als das Doppelte.«
Es geht ihn an und für sich nichts an, doch es bereitet mir innerlich Vergnügen ihm klarzumachen, dass ich wunderbar ohne ihn zurechtkomme und durchaus erfolgreich bin.
»Aha«, sagt er nüchtern. »Ich wollte noch einige Sachen von mir abholen. Den DVD - Player und den Scanner.«
Ich hör’ wohl nicht richtig.
»Die Sachen gehören mir.« Allmählich steigt meine Angriffslust. » Du hast sie ausgesucht, aber ich hab sie bezahlt.«
»Wozu brauchst du denn bitte den Scanner, Melissa? Du hast in deinem ganzen Leben noch nie etwas gescannt. Außerdem besitzt du keine einzige DVD. Der DVD Player ist dir also vollkommen nutzlos.«
Wo er Recht hat, hat er Recht. Ist mir aber egal. Schließlich geht’s hier ums Prinzip.
»Hör zu. Ich werde demnächst so viel Kohle verdienen, dass ich mir so viele DVDs kaufen kann, wie ich will. Was sagst du dazu?« Ich höre ihn schwer atmen. Doch noch bevor er Einwände erheben kann, sage ich, nicht ohne ein wenig Sarkasmus mit einfließen zu lassen: »Und irgendwas zum Scannen werde ich mit Sicherheit auch noch finden. Damit wäre die Sache dann wohl geklärt.«
»Ach leck’ mich doch am Arsch.« Sein Standardspruch. Jetzt bin ich wirklich stinkig.
»Das Einzige, was du bei mir abholen kannst, sind deine muffigen Socken und der Rest deiner schmutzigen Wäsche«, keife ich. Ärgerlich drücke ich ihn weg und pfeffere das Mobiltelefon in meinen Sessel – ein Ungetüm mit moosgrünem Cordbezug, das ich mir mal aus einer unerklärlichen Laune heraus, in einem TV - Shop bestellt habe. Wahrscheinlich weil das Fernsehprogramm an dem Abend so grottenschlecht war. Von mir aus kann Sören den Sessel auch gleich mitnehmen. Dieses grauenhafte Teil passt sich ebenso wenig meinem Einrichtungsstil an, wie Sören sich meinem Lebensstil angepasst hat, also weg damit. Keine Minute später empfange ich eine bitterböse SMS von Sören.
SMS an Mel B.
Von Sören F.
So einfach gebbe ich nich auf!
Mach dich auf was gefast. Du wilst Krig?
bite schön, kanst du haben!
Man achte auf die Rechtschreibfehler. (Na gut, jetzt bin ich gemein. Ich habe vergessen zu erwähnen, dass er Legastheniker ist.) Trotzdem ist er erbärmlich, dieser Typ. Solche lächerlichen Drohungen ziehen bei mir nicht. Da muss ihm schon was Besseres einfallen, um mich einzuschüchtern.
Zur verabredeten Zeit sitze ich mit Yasi auf der Terrasse unseres Stammcafés. Das Wetter ist herrlich.
Wie immer schlürfen wir eine extra große Latte Macchiato, während ich Yasi haarklein von der irren Sache mit der Verkleidung als türkische Nanny, namens Semra oder Ayse erzähle. Sie kriegt sich kaum ein vor Lachen.
Als sie sich wieder beruhigt hat, zündet sie sich eine Zigarette an und nimmt einen kräftigen Zug.
»Und …? Willst du bei diesem Blödsinn etwa mitmachen?«,
»Hmm…ich muss sagen, es reizt mich«, antworte ich nachdenklich. »Immerhin ist die Bezahlung mordsmäßig. Außerdem dürfte ich dort umsonst wohnen. Ich könnte meine Wohnung aufgeben.« Ich mache eine kurze Pause, denn mir kommt gerade eine grandiose Idee.
» Du könntest solange in meine Wohnung einziehen Yasi«, rufe ich enthusiastisch. »Sozusagen als Mitbewohnerin.«
Grüblerisch bläst Yasi den Zigarettenqualm in meine Richtung. In ihren Augen erkenne ich einen Anflug von Verzückung. Ich weiß, dass sie schon seit geraumer Zeit nach einer passenden Wohnung sucht, um endlich ihrem Kinderzimmer in der elterlichen Wohnung zu entkommen.
»Meinst du wirklich…?«
»Das wäre perfekt«, antworte ich. »Wir könnten uns die Miete teilen. Du wohnst dort und hältst alles in Schuss, und ich komme an meinen freien Wochenenden nach Hause.«
»Und du hast wirklich nur jedes zweite Wochenende frei?«, hakt sie noch einmal nach. Die Idee scheint ihr mehr und mehr zu gefallen. Ich ahne welche Pläne sich in ihrem Kopf zusammenbrauen.
»Ich hätte also jeden Abend sturmfreie Bude?«
Ich nicke verführerisch.
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