Eine C22 aus dem Flugschulbestand war entbehrlich und wurde als Wasserflugzeug umgerüstet. Es musste noch eine Ausrüstungs- bzw. Zubehörliste erarbeitet werden, dann konnte das Packen und Verladen beginnen. Was benötige ich alles, fragte ich mich?
Das Moped, Marke Simson, muss auf alle Fälle mit, dann braucht das Wohnmobil nicht für jede Kleinigkeit bewegt zu werden.
Für den Wasserflieger einen Anker und Kettenvorlauf, damit der Anker hält. Ankerseil, Bojen, Treibstoffkanister, Werkzeug, Abdeckplanen.
Leere Getreidesäcke, die vorort mit Sand gefüllt werden sollten, um den Flieger am Strand gegen Sturm zu sichern. Gummirollen, damit er über den Strand geschoben werden konnte. Werkzeug, Fett zur Schmierung der Bolzen undundund….
Was man eben so braucht!
Es wurde montiert, gepackt und geladen. Ca. drei Tage vor dem Abreisetermin kam der Tag der Wahrheit, die öffentliche Waage!
Es ist jetzt erst mal an der Zeit mein Wohnmobil vorzustellen.
Hersteller Adria. Ein Alkovenmodell auf Peugeot Basisfahrzeug. Länge 5,90 Meter, 75 PS Saugdiesel (zieht keinen Hering vom Teller) großer Sanitärraum, separate Dusche, Dachbox für Gepäck, Aufbauklimaanlage, Solarpaneelen zur Stromerzeugung.
Vor der Fahrt zur Waage wurde das Mobil vollständig aufgerüstet: Diesel, Wasser, Zusatztanks mit Wasser, Bekleidung, Campingmöbeln, Lebensmitteln usw.
Nur noch den Trailer mit dem Flieger dranhängen, damit ich ein Gefühl bekomme, wie es sich mit dem neuen Trailer und seiner Beladung fahren würde und ab zur öffentlichen Waage.
„Hallo und moin, moin, bitte einmal das Wohnmobil wiegen, dazu stelle ich mich mit auf die Waage“, sagte ich und schob einen 10-Mark-Schein, die Gebühr für das Wiegen, über den Tresen.
„Jo, mok man, geid ook glig los“, antwortete der Mann in dem grauen Kittel, während er höchst interessiert den Anhänger musterte.
„Dreedusendveerhundertneegentig Kilo“, rief er mir zu.
„Klasse“, freute ich mich, „dann ist alles im grünen Bereich.“
„Sall de Anhänger ook noch woogen warrn?“, fragte er jetzt, mit einem lauernden Unterton in der Stimme, als wüsste er das Ergebnis?
„Ich weiß nicht“, antwortete ich, „ist ja eigentlich nicht viel drauf. Der Flieger wiegt mit den Schwimmern 335 Kilo, ja und dann noch das Moped und ein bisschen Zubehör.“
Ich hatte Angst vor der Wahrheit.
„Nu bis du jo hier dormit, denn loot em man ook wegen.“
„Gut, machen wir“, willigte ich ein.
„Dammi noch mol, dor mut ober wat rünner, 1,8 tunnen!“
Der Anhänger wurde auf die Schnelle noch mal umgebaut und die Ausrüstungsliste zusammengestrichen.
Immer wieder wurden ungläubige, ja zynische Fragen gestellt.
„Wo wolltest du damit noch mal hin, Norbert?“
„Nach Griechenland.“
„Und in welchem Jahr wolltest du dort eintreffen?“
Anspielungen auf den 75-PS Saugdiesel.
Man glaubte nicht, dass ich mit dem Gespann jemals in Griechenland ankommen, oder die Kassler Berge schaffen würde, vom Brenner ganz zu schweigen.
Ein 75-PS-Saugdiesel zieht nichts vom Teller!
Der Tag der Abreise war gekommen. Mit Jannis, der nach dem Kennenlernen im Herstellerwerk nach Griechenland zurückgekehrt war, hatte ich telefonisch noch verschiedene Einzelheiten besprochen. Eine Fähre von Italien nach Griechenland z.B. sollte ich noch nicht buchen, das sei vor Ort effizienter. Der beste Weg wäre in meinem Fall die Fähre von Brindisi/Italien nach Igoumenitsa/Griechenland und dann über den Katara Pass durch Thessaloniki auf die Halbinsel Kassandra nach Paliouri. So würde er, Jannis, immer fahren. Naja, dachte ich, Jannis muss es ja wissen.
Dina, meine kleine, weiße Mischlingshündin wich mir nicht mehr von der Seite. Die ständigen Aktivitäten der letzten Tage hatten ihr signalisiert, dass Außergewöhnliches bevorstand.
Dina war für mich nicht nur meine Hündin, sondern auch meine treue Freundin und Sozialpartnerin.
Ihr Körbchen war vor dem Beifahrersitz platziert. Während der Fahrt hatte sie ihren Platz auf dem Beifahrersitz, angeschnallt natürlich.
Der Verabschiedungsbahnhof war groß, einige wären bestimmt gerne mitgekommen.
Es war ein Hingucker, dieses Gespann.
Das Dach des Wohnmobils war bestückt mit zwei Aluboxen und einer Topbox.
Für die Bordstromversorgung sorgten zusätzlich zwei Solarpaneelen, die auf dem Dach des Wohnmobils installiert waren. Willy hatte fürs Heck eine Halterung konstruiert und angebaut, auf der ein 220-V Stromaggregat diebstahlsicher seinen Platz hatte. Aluminiumkanister für zusätzliches Trinkwasser hatten ihren Platz an der Heckleiter.
Über der Heckbox befanden sich zwei verzinkte 10-Liter-Eimer, die konnten mal nützlich sein, dachte ich mir.
Darunter war ein 30 Meter langer Gartenschlauch platziert. Die gewichtsmäßige Unbedenklichkeitsbescheinigung lag in Form eines Wägeberichtes, Gesamtgewicht, Gewicht Vorderachse und Hinterachse, in den Reisepapieren.
Der ungebremste Trailer war noch etwas überladen. Wie viel, werde ich hier nicht verraten. Auf alle Fälle war die Simson dabei, was sich später als äußerst vorteilhaft herausstellte. Der Rumpf des Fliegers war mit seinem Fahrgestell auf die Schwimmer montiert.
Das Ganze wiederum wurde auf einer von Willy konstruierten gittermäßigen Plattform befestigt, die praktisch einen relativ offenen Deckel des Trailers darstellte. Die jeweils sechs Meter langen Tragflächen hatten ihren Platz auf beiden Seiten des Rumpfes. In gepolsterten Rungen, in Fahrtrichtung untergebracht, sollten sie die fast 3000 km lange Reise schadlos überstehen.
Der Propeller musste nicht abgebaut werden, er passte mit seinem Umfang zwischen die seitlich des Fliegers stehenden Flächen.
1992 war noch die D-Mark gültige Währung und ein „Navigationsgerät“ für den Straßenverkehr war für mich ein Fremdwort. Alles ging noch nach der guten, alten Karte. Um Punkt 11:00 Uhr wurde der Motor meines fahrbaren Zuhauses angelassen und die Räder begannen, sich Richtung Griechenland zu drehen.
Feste Etappenziele waren nicht geplant, der Weg sollte das Ziel sein. Mit zivilem Brummen trieb der 75-PS Peugeot-Saugdiesel seine Besatzung dem Ziel entgegen.
Die Marschgeschwindigkeit betrug 80 bis 90 km/h. Mit gebührendem Abstand floss das Aufmerksamkeit erregende Gespann, auf der rechten Seite der Autobahn im Lkw-Strom mit.
Dass unser Gespann oft überholt wurde, störte mich überhaupt nicht, der Weg war das Ziel.
Wir waren nicht das langsamste Fahrzeug.
Brummis aus den osteuropäischen Ländern und der DDR fuhren teilweise noch langsamer. Selten gab es für mich eine Gelegenheit diese Fahrzeuge zu überholen. Kaum aus dem Windschatten heraus, war es, als hielt eine Geisterhand das Wohnmobil zurück.
Ich stellte mich auf ein entspanntes Mitgleiten ein.
Die Strecke am Harz vorbei ließen wunderbare Erinnerungen wach werden.
1973 flog der Amerikaner Mike Harker mit einem Rogallo-Drachen von der Zugspitze. Dieser Flug war in Deutschland die Geburtsstunde des Drachenfliegens oder Hängegleitens, wie diese Sportart noch genannt wird.
1976 wird in der Bundesrepublik Deutschland die Gurtpflicht auf Vordersitzen von Pkw eingeführt. Die Vereinigten Staaten feiern den 200. Jahrestag ihrer Unabhängigkeit. Mit dem Tod von Mao Zedong endet die Kulturrevolution in der VR China. Und ebenfalls 1976 schrieben Rudi und ich uns am Rammelsberg, an dessen Fuß die Stadt Goslar liegt, in die Harzer Drachenflugschule ein, um diese ursprünglichste Art des Fliegens zu erlernen.
Der Rammelsberg hat immerhin eine Höhe von 600 Metern.
Gerne erinnere ich mich an diese Zeit und an Jürgen, dem Besitzer und Leiter der Drachenflugschule. Ein außergewöhnlicher Mensch, der in kein Klischee passte.
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