„Hm. Du hast tatsächlich viel mehr verbraucht als ich. Aber die Flasche ist noch etwas mehr als halb voll, das reicht dicke, um ohne Sorgen wieder aufzutauchen.“
Etwas beruhigt setzte ich mich auf einen Felsvorsprung. „Gut, dann schauen wir mal. - Meinst Du wirklich, wir finden den oberirdischen Ausgang?“
„Ich gebe zu, ich glaube es nicht so richtig. Aber das war ja auch nicht unsere Aufgabe,“ zweifelte Jo.
Nach einer weiteren Stunde vergeblicher Suche entschieden wir uns, doch noch einmal zu tauchen. Es müsste inzwischen Nachmittag sein, und ich wollte meinen Tauchgang unbedingt noch bei Tageslicht beenden.
Also verpackten wir das Schwert wasserdicht und machten uns auf den Weg aus der Höhle heraus. Jetzt, wo wir das Schwert hatten, hatte ich das Gefühl, leichter atmen zu können. Vermutlich war das reine Einbildung. Aber meine innere Ruhe stellte sich dadurch wieder ein.
Ohne Zwischenfälle gelangten wir zurück zu den Seilen. Dort banden wir, wie geplant, die Luftflaschen an die Seile und kletterten zunächst selbst hoch. Der Kletterakt war nach dem Tauchgang für mich recht anstrengend, und ich setzte mich erst einmal auf einen Felsen, um zu verschnaufen. Beruhigt stellte ich fest, dass Jo auch kräftig prustete.
Nach reichlichen Minuten zogen wir mit vereinten Kräften die Pressluftflaschen nach oben und holten die Seile ein. Erst jetzt stellten wir fest, dass es bereits anfing zu dämmern.
„Ach menno,“ jammerte ich, „ich wollte doch im Lager das Schwert betrachten.“
„Ja, das ist schade, aber wir haben ein tolles Abenteuer erlebt und wir sollten wirklich langsam Tagebuch schreiben, um alles später noch erzählen zu können. Morgen früh können wir uns das Schwert dann ganz in Ruhe anschauen.“
Wir marschierten quer über den Berg zurück. Am Zelt angekommen entledigte ich mich sofort meiner Tauchausrüstung. Schnorcheln ist ja ok, aber tauchen? Nein, das musste ich nicht unbedingt haben. Ich hoffte inständig, dass ich nicht noch einmal mit Ausrüstung tauchen musste.
Als wir uns ein bisschen von der Schlepperei erholt hatten, entfachte Jo uns ein kleines Feuerchen und bastelte uns ein leckeres Abendessen. Wie dieser Mann immer wieder Elan aufbrachte und mich mit den leckersten Kleinigkeiten versorgte und mich satt machte, war mir immer noch ein Rätsel. Und ich fragte mich allen Ernstes, ob ich irgendwann etwas finden würde, was dieser Mann nicht konnte.
Nach dem Essen überlegten wir gemeinsam, ob wir noch ein paar Tage auf der Insel bleiben wollten um zu genießen, oder ob wir doch lieber weiter nach den Schwertern suchen sollten.
„Grundsätzlich hat sicher niemand etwas dagegen, wenn wir ein paar Tage hier blieben,“ erklärte ich, und fügte dann jedoch nachdenklich hinzu: „Aber wir wollen ja auch weiter kommen und unser Ziel erreichen, oder?“
Jo setzte seinen Hundeblick auf und gab zurück: „Ja, ich würde gern auch noch etwas Urlaub hier machen, aber ich denke, dass können wir nachholen, wenn wir unsere Aufgabe erfüllt haben. Morgen früh schauen wir erst einmal, was auf dem Schwert steht, damit wir wissen, wo wir hin müssen.“
„Meinst Du wirklich, wir machen noch mal hier Urlaub?“
Das bezweifelte ich stark, es lag alles hier sehr abgeschieden.
„Ich denke, wenn wir unser Abenteuer überstanden haben, haben wir eine Zeitlang sicher anderes zu tun, als zu reisen.“
Dann wandte ich mich wieder dem Schwert zu.
„Meinst Du, das nächste Rätsel steht auch wieder in alten Runen drauf?“
Er zuckte mit den Schultern: „Das will ich hoffen, sonst müssen wir ja erst wieder nach einer Übersetzung forschen.“
In der folgenden Nacht konnte ich kaum schlafen, meine Gedanken kreisten um das Minischwert in meinem Rucksack. Ich freute mich so sehr darauf, das Schwert zu betrachten. Entsprechend müde krabbelte ich dann morgens auch aus dem Zelt. Diesmal war ich schneller als Jo. Also machte ich Feuer und kochte zunächst einmal Kaffee. Bei dem Duft kam Jo dann auch an.
„Guten Morgen, na hast Du es mal geschafft, mich zu überlisten?“, grinste er und nahm mich herzlich in seine Arme.
Ich schüttelte den Kopf. „Nein, ich konnte vor Aufregung um das Schwert nicht richtig schlafen und bin dann irgendwann aus Verzweiflung wieder aufgestanden. Ich dachte, wach sein, kann ich auch außerhalb des Zeltes.“
„Mit anderen Worten, Du bist fix und foxi und eigentlich müsstest Du jetzt schlafen.“
Sein Lächeln weckte in mir alle Lebensgeister.
„Nein, nein, den heutigen Tag überstehe ich schon.“ Ich wandte mich zum Zelt.
„Packen wir das da gleich ein? Oder fragen wir erst nach, ob wir heute abgeholt werden?“
Gemeinsam bereiteten wir uns das Frühstück zu.
„Ich denke, wir frühstücken erst einmal und danach versuchst Du unseren Fährmann zu erreichen. Dann sehen wir weiter.“
Mit diesem Vorschlag konnte ich allemal leben. Zumal ich liebend gern noch einen Tag auf der Insel geblieben wäre.
Am späten Nachmittag wurden wir abgeholt. Zwischendurch hatten wir noch genügend Zeit, alles zusammen zu packen und ein wenig zu schnorcheln. Ich konnte mich an den Farben einfach nicht satt sehen.
Vorher betrachteten wir gemeinsam das zweite Schwert. Noch einmal ließ ich den Stein auf mich wirken. Diese geschwungene Form des Griffes gab mir ein Gefühl wie aus tausendundeiner Nacht. Das passte gar nicht so richtig zum Rest des Schwertes. Und anders als bei dem ersten Schwert war in die Klinge kein Text geprägt. Nichts deutete auf ein Rätsel hin. Auch Jo betrachtete das Schwert genau. Ihm fiel jedoch etwas auf.
„Schau Dagi, der Griff wirkt orientalisch und dieser Schwung des Knopfes, auf dem der Stein sitzt, erinnert mich ein wenig an eine Düne. Was meinst Du, könnte das Erdschwert in Afrika sein?“
Ich überlegte einen Augenblick, während ich seinen Erklärungen folgte.
„Nun ja, wenn das so ist, Afrika ist groß, geht es noch etwas genauer? Und vor allem, wenn wir bereits jetzt alle Kontinente abfahren, was kommt danach. Müssen wir in manche Kontinente mehrmals? Hätten die Schwerter nicht in einer klaren Reihenfolge für uns laufen können? Eine Reise um die Welt ist spannend, aber immer wieder hin und her?“
Jo lachte und sagte sanft: „Ach Dagi, ich glaube nicht, dass Luna uns übermäßig strapazieren wollte. Eher glaube ich, dass die Art der Verteilung so geschehen ist, damit kein Unbefugter alle Schwerter zusammenfügt. Und Luna wusste ja auch selbst nicht, wo ihre Töchter alle sind. Sie wird vermutlich selbst überrascht sein, dass wir so viel hin und her reisen müssen.“
Das leuchtete natürlich ein. Trotzdem konnte ich allein mit dem Schwertgriff als Hinweis nicht viel anfangen.
„Wir sollten vom Festland aus mit Onkelchen telefonieren, vielleicht hat er eine Idee,“ fügte Jo hinzu.
Also schnorchelten wir bis zum Eintreffen unseres Touristenführers. Das Wasser war herrlich warm und der Blick ins Meer atemberaubend schön. Ich erholte mich prächtig, und die Stunden vergingen viel zu schnell.
Auf dem Festland angekommen, bezahlten wir unsere Rechnung und suchten uns eine Unterkunft mit Telefon. Von dort aus rief ich am Abend bei Onkel Klaus an. In Deutschland war es noch Vormittag und ich befürchtete, niemanden zu erreichen. Aber wir hatten Glück.
„Hallo Ihr Zwei,“ hörte ich es am anderen Ende.
„Hi, wir leben noch,“ antwortete ich. Und um keine Zeit zu verlieren, fügte ich hinzu: „Wenn wir Dir eine Email mit einem Bild schicken, kannst Du uns dann sagen, aus welchem Land genau der Griff stammt?“
Am anderen Ende dauerte es einen Moment: „Hm, Dagilein, ich muss es versuchen. Habt Ihr dieses Mal keinen Text zu entschlüsseln?“
„Leider ist es diesmal eindeutig eine Art Bilderrätsel. Und wir meinen zwar, ein Land in Afrika ist unser nächstes Ziel, aber wir wissen eben nicht mehr. Vielleicht haben wir Glück, und mit dem Land kommt dann auch eindeutig eine Region zu Tage.“
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