Jos Cousine begrüßte uns herzlich und nahm mich spontan in die Arme.
„Du bist also Dagi, Onkel Klaus hat schon angerufen und von Dir geschwärmt. Ich bin Laura.“
Ich grüßte sie genauso herzlich und schmunzelte in mich hinein. Wenn das so weiter ging, kannte ich innerhalb eines Jahres weltweit Jos Familie.
Nach einem herrlichen Abendessen auf der Veranda und einem wunderbaren Bad saßen wir an einem gemütlichen Lagerfeuer. Und noch einmal musste ich unsere Geschichte erzählen. Jo fuchtelte immer um sich herum, und ich bemühte mich, es ohne zu lachen zu übersetzen. Es war ein Abend, wie er im Bilderbuch nicht schöner beschrieben werden konnte. Ich fühlte mich pudelwohl und wünschte, wir hätten Zeit, Australien zu durchreisen.
Doch uns erwartete eine nicht ganz leichte Aufgabe, und das stimmte mich etwas traurig.
„Keine Sorge,“ meinte Jo, als wir allein waren leichthin. „Wir werden die Aufgabe meistern. Du glaubst doch wohl nicht, dass Du zu schwach dafür bist?“
Ich lächelte zaghaft, seine Aufmunterungen waren immer wieder schön. Zumal ich seine Stimme so gern hörte. Sie ließ mich jedes Mal wohlig schaudern.
Ich schaute mich um und genoss jeden Augenblick. Diese wunderschönen Eukalyptusbäume, die bereits über weite Strecken einen herrlichen Anblick boten und auch leichten Duft versprühten. Um uns herum die Kängurus, die hier herumsprangen, wie bei uns die Tauben und Spatzen saßen. Von der Ferne hörten wir einen Dingo schreien und die Kookaburras, die alle Welt auslachten.
Ich hatte das Gefühl, zu Hause zu sein. Obwohl ich so viele tausend Kilometer von meinem Heim entfernt war. Jo saß neben mir, und erst jetzt bemerkte ich, wie er mich beobachtete. Ohne etwas zu sagen, rutschte er näher heran und legte einen Arm um meine Schulter. Sein Lächeln war nahezu liebevoll.
Laura hatte ein feines Gespür und meinte: „Ich werde mal schauen, ob ich noch einen guten Wein im Keller finde. Dann feiern wir, dass ich meinen lieben Jo mal wieder sehe und seine tolle Freundin kennen lerne.“
Noch bevor ich protestieren konnte, war sie aufgestanden und hatte das Lagerfeuer verlassen.
„Jo? Lebt Laura hier wirklich ganz allein? Oder ist ihr Mann unterwegs?“
Jo musste passen. „Das weiß ich nicht so genau. Soweit ich weiß, ist sie glücklich verheiratet. Aber diese Information ist auch schon einige Jahre alt. Aber ich gebe zu, ich habe auch keine Männersachen im Haus gesehen.“ Dann zog er mich fester an sich.
Meine Gefühle spielten mit mir Achterbahn. Ich wollte mich nicht verlieben. Aber wenn Jo weiter so mit mir umging, würde ich das gar nicht vermeiden können. Er tat mir einfach nur gut.
Um nicht völlig verrückt zu werden, löste ich mich sanft von ihm, stand auf und ging ein paar Schritte zu einem dicken Baum, dessen Namen ich nicht kannte.
Leise flüsterte ich: „Bitte hilf mir.“
Das mir bekannte Rauschen setzte ein. Der Baum sprach leise, damit man ihn am Feuer nicht hörte. „Laura ist seit ein paar Jahren verwitwet. Sie hat bisher keinen Mann mehr an sich herangelassen. Ein Mann wie Dein Jo ist nicht leicht zu finden, und sie ist genauso wählerisch wie Du. Wo ich bei Deinem Jo und Dir bin. Lass Dich fallen. Du weißt eigentlich schon, dass es unvermeidlich ist. Und Ihr seid füreinander bestimmt.“
„Lieber Baum, darüber will ich nicht nachdenken. Ich bin so oft enttäuscht worden.“
Das Rauschen wurde heftiger. „Dagi, Jo hat Dich bisher nicht enttäuscht, warum willst Du ihm nicht einfach vertrauen? Wir geben Dir doch grünes Licht.“
„Ich verspreche, zu gegebener Zeit darüber nachzudenken, ok?“
„Gut.“ Das Rauschen ließ nach.
„Wie sollen wir jetzt mit unserer Aufgabe weiter machen? Mich würde vor allem Interessieren, wie kannst Du davon erfahren haben? Über diese große Entfernung?“
Nun sprach der Baum in normaler Lautstärke mit mir. „Erstens haben wir das Telefonat von Laura und ihrem Verwandten mitbekommen und zweitens haben wir durchaus die Möglichkeit, über chemische Reaktionen auch über sehr weite Strecken und Wasser zu kommunizieren. Aber das ist wissenschaftlich noch nicht nachgewiesen. Ich gebe zu, dass die Pflanzen, mit denen geforscht wird, recht raffiniert sind, um diese Art der Kommunikation immer wieder zu verschleiern.“
Das Rauschen klang jetzt ein bisschen wie ein Kichern.
Ich bedankte mich und ging wieder zu Jo und Laura.
„Danke, dass wir heute Nacht bei Dir bleiben dürfen. Hast Du eine Idee, wie wir jetzt weiter vorgehen?“
Laura schüttelte den Kopf: „Ich weiß von Klaus nur, dass Ihr zum Great Barrier Reef wollt und das es irgendwie wichtig ist, damit Jo irgendwann wieder mit uns allen sprechen kann.“
Ich schaute sie verwirrt an, Onkel Klaus hatte nichts weiter verraten? Vertraute er ihr nicht? Jo sah meinen Blick und bedeutete mir, dass er mir das erklären würde, wenn wir allein wären.
Ich nickte und fragte: „Ok, kannst Du uns sagen, wie wir am schnellsten dorthin kommen und was wir auf unserer Expedition beachten sollten?“
„Ihr nehmt am Besten das Flugzeug nach Townsville. Von dort aus solltet Ihr Euch ein Auto mieten und die Küsten rauf und runter abfahren. Ich hoffe, so findet Ihr, was Ihr sucht. Townsville liegt etwa in mittlerer Lage des Riffs.“
Wir bedankten uns bei Laura für diese Information und genossen den Rest dieses herrlichen Abends.
Wir hatten großes Glück, heftiger Regen hätte diesen Abend durchaus unmöglich machen können. Na toll, ich liebte den Sommer und war ausgerechnet im australischen Herbst auf diesem Kontinent.
Aber ich sollte schon in kürzester Zeit feststellen, dass der australische Winter es locker mit unserem Sommer aufnehmen konnte. Also machte mir auch der Herbst nichts aus.
Als wir dann allein waren und Jo sprechen konnte, erklärte er mir, dass Onkelchen lieber nicht zu viel erzählen wollte. Da die Familie so groß war, dass er nicht wusste, in welche Hände seine Informationen gerieten. Er war der Typ Mensch, der nur seinen wirklich engsten Vertrauten wirklich alles sagte. Der Mann wurde mir immer sympathischer.
Laura hatte uns in einem Zimmer untergebracht, und es war mir etwas unangenehm. Aber Jo musste vorhin doch etwas mitbekommen haben, denn er hatte sich, als ich aus dem Bad kam, bereits sein Bettzeug geschnappt und eine Campingmatte auf dem Boden ausgerollt. „
Jo ich denke, wir sind erwachsen und Du kannst neben mir hier im Bett schlafen.“ Ich lächelte, langsam wurde dieser Mann mir unheimlich. So viel Verständnis und Respekt kannte ich einfach nicht von Männern.
„Danke, ist wirklich bequemer.“ Grinste er und war auch schon wieder aufgestanden.
Das Bett musste mal Lauras Ehebett gewesen sein. Es war urgemütlich und bot viel Platz. Die Fenster des Zimmers hielten wir wegen der Moskitos verschlossen und ließen eine Klimaanlage laufen.
Es war schwül und warm. Die Vorhänge an dem Fenster waren aus schwerem Stoff, scheinbar war das der beste Schutz gegen die sommerlichen Sandstürme. Alice Springs lag ja mitten in der australischen Wüste. Eigentlich fand ich es faszinierend, wie hier trotz der Witterung so viel Grün herrschte. Die Pflanzen und Tiere lebten hier seit Jahrtausenden und hatten sich entsprechend angepasst.
In dieser Nacht schlief ich schlecht. Ich träumte davon, mit Jo in der Höhle des Great Barrier Reefs gefangen zu sein, und um uns herum waren nur Tiere, die uns als Frühstück sicher gern mochten und viel Wasser. Plötzlich hörte ich ein lautes Rumpeln und schreckte hoch, nur um festzustellen, dass ich aus dem Bett gefallen war. Mühsam und vorsichtig kletterte ich zurück ins Bett. Eigentlich hatte ich gehofft, Jo nicht zu wecken. Aber er schlief offenbar auch nicht gut. Zumindest schaute er mich verschlafen an, sagte aber nichts. Dann hob er einen Arm, um mich festzuhalten. Zum ersten Mal seit wir uns kannten, ließ ich diese Nähe zu. Er hielt mich den Rest der Nacht fest. Zumindest glaube ich das, denn als ich später am Morgen erwachte, lag ich immer noch in seinem Arm. Seine Wärme und sein ruhiger Atem taten mir gut. Ich beruhigte mich langsam. Der Traum hatte seine Wirkung nicht verfehlt. Ich hatte Angst vor dem Tag und war nervös. Doch Jos Nähe ließ diese Nervosität etwas verblassen. Es würde nicht mehr lange dauern, dann würde ich mich gegen meine Gefühle nicht mehr wehren können. Dieser Mann war einfach zu perfekt. Und das machte mir eine Heidenangst.
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