1 ...8 9 10 12 13 14 ...20 Auf dem Heimweg haben wir nicht viel miteinander gesprochen. Didilind wollte unbedingt vorn den Kutscher spielen und konnte somit uns ihren Rücken zeigen und keiner von uns konnte so ihr Gesicht sehen und daraus schließen, was in ihr jetzt vorging, denn dieses Verschacherungsproblem, wie sie es heute erleben durfte, das gab es bei uns daheim im Osten nicht. Sicher war ihr auch Evelyns Vaters Verhalten nicht egal und schon lange war sie mit seinem Verhalten nicht ein kleines bisschen einverstanden. Bestimmt dachte sie auch so wie ich, was sich dieser Pinsel bloß einbildet, denn für uns sind die beiden erwachsenen Kinder nicht einer besser oder schlechter, wertvoller oder weniger wertvoll als der andere, sondern sie sich gegenseitig nur bereichern und ergänzen. Schneller, als wir es wahr haben wollten waren wir wieder in der Struth, wo es bereits zu dunkeln anfing. Unsere Wölfe haben uns freudig und ehrlicher als viele Menschen heutzutage wieder begrüßt als wollten sie uns für den Misserfolg, den wir da in der Feste Spitzensen bei Evelyns Vater erlebt haben wieder entschädigen. Besonders Evelyn schienen die Wölfe in ihr Wolfsherz geschlossen zu haben. Und was ich bei Evelyn eigentlich noch nie gesehen habe, das durfte ich heute bei ihr zum ersten Mal sehen: Nicht nur die Wölfe machten vor ihr Männchen und legten ihre Vorderpfoten auf ihre Schultern, als wollten sie sie auch vor Freude jaulend umarmen, dass sie wieder zu uns zurückkam, was auch Evelyn der Reihe nach bei den Wölfen tat, sie umarmte einen Wolf stehend nach dem andern und freute sich auch sichtlich über so viel Herzlichkeit der Tiere, als ob sie, die Wölfe auch wüssten, was da in Evelyn sicher vorgehen mag. Sicher haben die Wölfe durch ihr Verhalten auch dazu beigetragen, dass Evelyn bald wieder die Evelyn bei uns das wurde, was sie schon früher bei uns für alle war, die ‚fleißige Liebenswürdigkeit‘ in Person, die wahrlich einen besseren Vater verdient hat und keinen eigennützigen Verschacherer, der sie am liebsten meistbietend verkauft hätte.
Die nächsten drei Wochen vergingen wie immer im alten Trott und ihre Eltern haben bisher nichts von sich hören lassen. Dass Didilind ohne unser Wissen mit Evelyn in den Flecken gefahren ist und da einen Schneider aufsuchte, der für Evelyn heimlich das Hochzeitskleid, kein Alltagskleid, nähen sollte, das habe ich und die andern auch erst bei der Hochzeit erfahren. Es war eine vollkommene Überraschung für alle, die an der Feier teilgenommen haben. Auch der Schneider wusste schon, wenn die Odenser aus der Struth kommen, dann kann es schon etwas Extravagantes sein, denn die bezahlen ganz bestimmt, denen muss er um sein Geld nicht nachlaufen, denn sie haben bisher immer, so konnte man reihum hören, immer in bar bezahlt. So zeigte der Schneider den beiden Frauen, was heute so auf dem Markt modern ist, was die vornehmen Leute heute zu solchen Anlässen gerne tragen und zeigen, in was sich die Bräute so in der bekannten Welt heute gerne zu so einem Anlass zeigen. Evelyn entschied sich schweren Herzens für eine Kreation, in der die römische, die gotische und auch die wickinger Mode kreiert ist, was wahrlich im Nachhinein allen gefallen hat, besonders Frieder der auch nichts von diesem Hochzeitskleid gewusst hat aber auch ihrer Mutter und uns allen sowieso. Aber auch das Diadem, das von Frieda und mir eine große Überraschung war, denn außer Frieda und mir wusste niemand etwas von dem Diadem, das nicht nur ihren ohnehin schon hübschen Kopf noch hübscher machte, was der Braut wahrlich königlich stand, hat, abgesehen von der Taufe und Evelyns erstes Abendmahl, der ganzen Festlichkeit die Krone aufgesetzt hat und diese Hochzeit wieder ein einmaliges Erlebnis hier in dieser Ecke wurde, was sicher viele Nachahmer anspornen wird, es gerne ihr auch nachzutun, wenn auch mit einem unechten Diadem.
Eine Veränderung im Neuhof
Draußen bei uns in der Natur begann es richtig zu herbsten. Gegen Mittag fuhr bei uns eine Kutsche vor die Terrasse, die wir sofort wieder erkannten, denn es war die standesgemäße Kutsche, die wir Luzia und Rainhard zur Hochzeit noch extra schenkten. Als erste entstieg der Kutsche Teklas Zofe Inka und half dann ihrer Herrin Tekla beim mühsamen Aussteigen. Wir alle waren natürlich überrascht was da passiert ist und schauten reihum, ob nicht noch eine kleine Eskorte in ihrem Sinne uns auch besuchen wolle, denn das was heute Tekla gemacht hat stand bisher unter ihrer Würde, bei den verkommenen Struther hergelaufenen Bösewichten einfach so vorfahren und abzusteigen, ohne vorher großspurig ihre Befehle an ihre nicht mehr vorhandene Dienerschaft zu erteilen, wer da alles Stramm zu stehen oder zu springen hat. Sogar zum Mittagessen in die Küche ließ sie sich bitten und saß zwischen unseren Tagelöhnern am Tisch, ließ sich das Essen reichen und reichte es an die oder ihre nichtadeligen Tischnachbarn weiter, fragte auch wer diese leckere Sache oder jene wie gemacht hat, lobte alles was es da zu essen gab, zeigte Mitgefühl zu Mutter Ernas hartem Schicksal da mit der Stutzer Feste und dann erzählte sie, dass sie alles das nachholen möchte, was sie in ihrem Leben, das wahrlich nicht zu kurz bisher war, jetzt noch schnell nachholen wolle, was sie versäumt hat. Bisher habe sie immer nur gehört, was sie doch durch Siegrid ihrer einzigen Tochter für vier hübsche und brave Enkelkinder doch habe und durch ihren verkehrten Stolz keines der Kinder bisher habe richtig kennen gelernt und jetzt ihre verstorbenen Urahnen sie regelrecht drängen, dass sie das alles schnellstens nachholen soll, sie kennen zu lernen, sich zu versöhnen und zu versuchen alles wieder gut zu machen, bevor auch sie zu ihren Ahnen zurückkehren muss, die es drüben in der Ewigkeit angeblich nicht leicht haben. Und dann erzählte sie, dass sie kaum noch ein Auge zu machen kann, ohne sofort von ihren Vorfahren, die aus den Wänden zu mir ins Zimmer steigen, zu diesem Schritt, den sie heute versucht zu tun, immer wieder gedrängt werde. „Egal mit wem ich darüber spreche, alle meinen, dass es höchste Zeit ist mich mit meinen Kindern bald zu versöhnen und mich von dem alten, festverwurzelten Familienzwist noch zu meinen Lebzeiten zu trennen, dem alten Familienstreit, bevor es zu spät ist, denn im Grab werde ich ihn nicht mehr los und dann muss ich das Los meiner Vorfahren drüben in der Ewigkeit auch mit ihnen teilen, das sicher nicht ein Glückliches ist. „Am liebsten würde ich“, sagte sie, „bei Jan und Siegrid einige Zeit wohnen, um alles wieder gut zu machen, was ich da durch meine Hartherzigkeit kaputtgemacht habe, vorausgesetzt, sie haben im Neuhof auch Platz für mich und meine Zofe, die ich doch beim An- und Auskleiden schon mehr und mehr brauch, aber auch zu meiner weiteren Versorgung. Frieder, der ihre Pferde auch heute ausgespannt hat, spannte sie wieder nach dem Essen ein, wünschte auch den zwei Frauen alles Gute und eine gute und erfolgreiche Fahrt in den Neuhof, wo sicher der gewünschte Friede auf sie wartet.
Natürlich waren die Neuhofer überrascht, denn über alles denkt man so oder redet man so, wenn der Tag lang ist, aber das eine Mutter, die vergessen hat und bislang nicht wissen wollte, dass sie auch eine Mutter von noch zwei patenten und mittlerweile erwachsenen Kindern ist, plötzlich auftaucht und all das Muttersein jetzt auf gleich, in vielleicht sehr kurzer Zeit nachholen will, daran hat keiner hier im Neuhof auch nur im Geringsten zu denken gewagt. Und dass Mutter Tekla sich schon vor einigen Monaten mit Luzia, Rainhard und den drei Enkelkindern da in der Trippelfelz versöhnt hat, davon wussten wir hier in unserer Ecke auch nichts, denn ich musste immer noch daran denken, wie bockbeinig und sturrgehässig sie sich gegenüber Luzia aufgeführt hat, als sie mit Rainhard vom Neuhof in die Trippelfelz umgesiedelt ist und sie keineswegs bereit war in Luzia ihre Nachfolgerin hier in diesen Gemäuern zu sehen, sondern eine Dienstmagd, die ihr Sohn Rainhard versehentlich geheiratet hat. Natürlich haben sie Mutter Tekla und ihre Zofe hereingebeten und baten sie Platz zu nehmen, ohne es zu ahnen, was Mutter Tekla wieder vorhat. Dann gab ein Wort das andere, bis es endlich so weit war und Mutter Tekla Siegrid und Jan bat hier bei ihnen bleiben zu dürfen, worüber nicht nur Jan und Siegrid sehr erstaunt waren und sie und sich gegenseitig staunend anschauten, als ob sie fragen wollte was da in sie gefahren ist, denn von dieser Seite kennen sie Mutter Tekla überhaupt nicht, aber auch alle vier Kinder, die besonders nicht wussten, ob sie sich darüber freuen oder die Entrüsteten spielen sollten, denn bisher haben sie nichts Gutes von oder über Oma Tekla gehört. Und Siegrid fragte sie allen Ernstes, ob sie sich mit Luzia und Rainhard restlos überworfen hat, was sie verneinte, denn sonst hätten sie die Kutsche und die Pferde entführen müssen, was sie keineswegs getan hat, denn Rainhard wollte, wenn wir beide hier bleiben dürfen, am Sonntag herkommen und die Kutsche wieder heimholen. Und der kleine Jan, der keineswegs mehr so klein ist fragte, worüber Oma Tekla sehr erstaunt war, wie denn der Sinneswandel bei dir zustande kam? Oma Tekla war darüber gar nicht überrascht und erzählte hier freimütig die gleiche Geschichte wie sie sie bei uns in der Struth erzählt hat und alle mit denen sie darüber sprach, auch mit unserm Gottesmann, haben mir geraten, wenn ich wieder meine Ruhe haben oder finden will, dann bleibt nur eines übrig mich mit meinen Kindern, Schwieger- und Enkelkindern zu versöhnen und das kann ich am besten wenn ich bei ihnen tagtäglich bin und mein Leben mit ihnen teile, ohne jemanden zu bevormunden, sondern in ihnen allen ein Stück von mir zu sehen. Tochter Siegrid fragte gleich weiter, wie sie sich das vorstelle, denn wir haben nur ein Gästezimmer, was so viel heißt, dass du mit deiner Zofe in einem Raum schlafen müsstest und essen würdet ihr dann bei uns und mit uns an einem Tisch und da essen auch unsere Mitarbeiter mit, was du ja bisher immer abgelehnt hast. Da sagte Mutter Tekla, dass sie so viel Arbeit ihnen nicht machen wolle und fragte gleich weiter, ob sie hier im Neuhof nicht auch eine Kochgelegenheit für sie hätten, denn meine Zofe hat mich daheim bestens bekocht, beköstigt und auch anderweitig versorgt und lauter Sachen bekam ich aufgetischt, die alle meiner Gesundheit bestens, oder sehr bekömmlich waren, was du bei mir immer wieder feststellen kannst. Siegrid und Junker Jan schauten sich sehr ernst an, denn so haben sie ihre Mutter wahrlich noch nie erleben dürfen, die doch früher eher dazu neigte, notfalls immer viel Blut fließen zu sehen. Doch zu so einer Mutter Tekla nickten sich Jan und Siegrid zu und Siegrid sagte zur Mutter, dass wir da etwas für euch haben, nicht nur eine Kochstelle, sondern es ist ein Haus, das noch kaum bewohnt war. Es hat eine geräumige Küche und drei geräumige Zimmer zum Schlafen oder zum Aufenthalt; ähnlich wie so ein Haus, wie wir es in der Struth bewohnt und wir uns darin mehr als nur sehr wohl gefühlt haben. Wenn es dir Recht ist, gehen wir gleich hinüber. Mutter Tekla glaubte zunächst über das Angebot doch ein wenig wieder die Nase rümpfen zu müssen, scheinbar scheinen ihre alten Standesdünkel doch noch nicht ganz aus ihr ausgemerzt zu sein, denn wer weiß, wer schon alles vom Gesinde da kampiert hat, die ihr alle das Wasser nicht reichen können? Wahrscheinlich waren ihre Standesdünkel doch noch nicht ganz aus ihr ausgerottet. Doch als sie das Haus oder alle Räume durchlaufen ist und nirgends irgendwie es übel roch oder etwas Schmutz entdeckte, sondern alles einen frischen Eindruck auch auf sie machte, gerade so, als ob alles kurzvorher für sie zurechtgemacht wurde gab sie der Zofe einen Wink, doch alle mitgebrachten Sachen aus der Kutsche mit herein in das Haus zu bringen. Bis auf Jan den zweiten haben alle Enkelkinder geholfen die Sachen aus der Kutsche ins Haus zu bringen. Er war es, der auf der Kutsche stand und alles Gepäck herabreichte. Als alles ausgeladen und im Haus verschwunden war, fuhr der kleine Jan, der mit seinen dreizehn Jahren gar nicht mehr so klein war, die Hochzeitskutsche in die Wagenremise, spannte die Pferde aus und brachte sie zu ihren Pferden auf die Koppel, wo sie sie sich selbst versorgen konnten, denn Grünfutter und frisches Wasser war da zur Genüge. Die Pferde auf der Koppel schienen scheinbar keine Standesdünkel zu kennen, denn sie fraßen bald friedlich, nachdem sie zuerst ihren Durst gestillt haben, nebeneinander, als ob sie das schon immer so getan hätten und nicht erst heute zusammengekommen wären.
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