„Bleib‘ doch mal ruhig“ antwortete Hannelore Petersen „wir sind 8 Leute, da wird sich doch ein ordentlicher Preisnachlass aushandeln lassen. Ich habe mich übrigens schon einmal informiert, es gibt da eine Route ab Warnemünde und zurück, 7 Tage. Die Doppelkabine kostet 1.075 Euro. Mal 4 Paare sind das 4.300 Euro. Für dich doch ein Pappenstiel Frieder.“
„Und die Getränke und die sonstigen Kosten?“
„Habe ich mit 1.700 Euro kalkuliert, macht also insgesamt 6.000 Euro. Peter und ich beteiligen uns mit 1.000 Euro, Claudia und Nils ebenfalls. Paula und Rüdiger zahlen nichts, die studieren noch. Du musst also nur 4.000 Euro berappen. Und dann lässt du über dein Büro, also über Herbert, diskret nachfragen, ob man das Angebot kostenfrei upgraden kann.“
„Erstens habe ich weder mein Einverständnis geäußert, so eine Art von Reise überhaupt unternehmen zu wollen“ erwiderte Frieder Bergmann erregt “und zweitens werde ich einen Teufel tun, bloß weil ich eine hohe Funktion bekleide, hier irgendwelche Vorteile auszuhandeln. Denkt daran, wie es diesem Wu… ergangen ist!“
„Aber Frieder, schau doch mal, so eine Reise wäre eine gute Kombination aus Erholung an Bord und dem Kulturprogramm, ich meine die Stadtbesichtigungen“ versuchte Petra einzulenken „und stell‘ dir mal vor, wie du hoch über der See auf dem Balkon sitzt, gemütlich eine rauchst und ein Bierchen zischst. Du richtest den Blick in die Ferne und entspannst dich total. Dann kannst du in einem der vielen Restaurants fein essen, schaust dir das Schiff an und man wird dir als hohem Gast doch sicher einmal Zugang zur Brücke oder dem Maschinenraum gewähren. Vielleicht darfst du das Schiff selbst mal einen Weile steuern.“
„Ich will keine Extrawürste! Außerdem will ich nicht im Geringsten in den Ruf geraten, dass ich wegen meiner Funktion besonders behandelt werde.“
„Rüdiger“ sagte Claudia.
„Eine Vorteilsannahme ist eine strafbare Handlung. Nach § 331 StGB liegt sie dann vor, wenn ein Amtsträger für sich oder einen Dritten einen Vorteil fordert, sich versprechen lässt oder annimmt“ erklärte Rüdiger.
„Wenn Papa sich zum Beispiel den Maschinenraum ansehen dürfte ist das vollkommen unbedenklich, da er ja dem Vorteilsgeber gegenüber kein Versprechen abgibt, ihm dafür eine anders geartete Gegenleistung zu gewähren.“
„Na bitte“ sagte Peter Petersen „dann geht das doch klar.“
„Formal gesehen ja“ ergänzte Nils „aber Frieder muss mit Fingerspitzengefühl vorgehen. Dass man ihn hofieren wird steht fest. Er muss also die Balance zwischen der Annahme bestimmter Sonderleistungen und die Ablehnung überzogener Bevorzugung finden. Das wird nicht immer leicht sein und wir alle sollten auch darauf achten, dass Frieder in keine Fettnäpfchen tritt.“
„Was ich für unwahrscheinlich halte“ warf Hannelore Petersen ein „so ein Schiff bietet doch eine Menge an Möglichkeiten, etwas anzustellen. Ich glaube nicht an Wunder. Aber trotzdem freue ich mich schon mächtig auf die Hochzeitsreise mit Peter. Wobei, der ist ja auch dafür bekannt, dass er manchmal komische Sachen macht.“
Der Bustransfer hatte problemlos funktioniert, so dass die Großfamilie Bergmann pünktlich gegen 11 Uhr in Warnemünde eintraf. Bergmanns bugsierten ihr Gepäck über die Gangway bis zur Rezeption.
„Guten Tag, Frieder Bergmann und Familie“ stellte sich der Anführer vor „für uns müssten 4 Kabinen reserviert sein.“
„Einen Moment bitte. Ja, selbstverständlich, Sie haben vier nebeneinander liegende Außenkabinen mit Balkon. Ich darf Sie übrigens heute schon zum Kapitänsdinner heute Abend einladen. Kapitän Rassmussen freut sich bereits auf die Begegnung mit Ihnen. Ähm, Herr Ministerpräsident, noch eine Sache. Ihre Personenschützer“ fragte die Frau an der Rezeption noch leise.
„Habe ich nicht nötig, sind keine dabei, ich bin Manns genug, auf mich selbst aufzupassen“ erwiderte Bergmann lässig.
„Wer das glaubt wird selig“ meinte Bergmanns Mutter „hier auf dem Schiff lauern mit Sicherheit viele Gelegenheiten, etwas anzustellen. Und wie ich Frieder kenne, wird er zielgerichtet wieder Mist bauen.“
„Mutter, bitte“ begehrte Bergmann auf „was soll schon passieren? Es wird total entspannt zugehen. Ich werde es mir mit einem Bierchen auf dem Balkon gemütlich machen und den Blick über das Meer schweifen lassen. Ich denke, dass ich so gute Inspirationen für meine weitere Arbeit erhalten werde. Dann gehen wir regelmäßig essen, die Frauen können sich in den Geschäften umsehen, wir Männer mal die Sportgelegenheiten erkunden. Wir werden uns in der Zeit hier an Bord ohne jegliche Hektik ganz wunderbar erholen. Und außerdem gibt es ja auch noch die Landgänge. Unter Langeweile werden wir also nicht leiden, da bin ich mir ganz sicher.“
„Na mal sehen was bei der ganzen Sache so rauskommt“ fuhr Hannelore Petersen fort „an eine Reise ohne Zwischenfälle glaube ich nämlich überhaupt nicht!“
„Lass‘ doch Frieder mal in Ruhe“ schaltete sich Peter Petersen ein „du verunsicherst ihn doch immer mehr. Ich glaube auch nicht, dass hier auf dem Schiff was schiefgehen kann.“
„Wir sollten diese Diskussion jetzt beenden und uns erst einmal einrichten“ schlug Petra vor „dann können wir ja einen Rundgang machen. Wir treffen uns in einer Stunde wieder hier an der Rezeption.“
Frieder Bergmann hatte nicht vermutet, dass die Kabine so großzügig geschnitten und ausgestattet war. Nach einem kleineren Eingangsbereich schloss sich zwar sofort der Wohn- und Schlafraum an, aber dieser war groß genug, um einem Doppelbett, einer Sitzecke, diversen Möbeln und Schränken und einem großen Fernseher Platz zu bieten. Gleich am Eingang befand sich das Bad. Neugierig öffnete Bergmann die Schränke im Wohnbereich und fand zu seiner großen Freude in einem Sideboard einen kleinen Kühlschrank. Einige Flaschen Bier, Mineralwasser und Schnapspullis lagen darin und er griff sich sofort eine Flasche heraus, öffnete die Balkontür und wollte die Aussicht genießen, und eine Zigarette rauchen. Petra räumte die Koffer aus und Frieder Bergmann bewegte sich vorsichtig auf die Außenverkleidung des Balkons zu. Er zuckte zusammen, denn er befand sich schätzungsweise 15 Meter über dem Wasserspiegel. Mit unsicheren Schritten ging er zu dem rechts von ihm stehenden Liegestuhl und ließ sich hineinsacken. An der Kabinenwand war eine Vorrichtung angebracht, in der sich ein Aschenbecher befand. Bergmann setzte die Bierflasche an und fummelte eine Zigarette aus der Packung, zündete diese an und rauchte bedächtig. Die Balkonverkleidung war wohl aus Sicherheitsglas gefertigt worden, denn Bergmann konnte durch diese hindurchsehen. Langsam entspannte er sich immer mehr, trank Bier und rauchte. Er sah schon vor sich, wie er in den kommenden Tagen den prächtigen Sonnenuntergang von seinem Platz aus bewundern würde. Die Idee mit der Schiffsreise war vermutlich gar nicht so schlecht gewesen, und er wollte es in diesem Urlaub nach der Radtour im vorigen Jahr ohnehin etwas ruhiger angehen lassen.
An der Rezeption stritt sich Hannelore Petersen mit der Frau hinter dem Tresen herum.
„Sie mögen sich hier ja auskennen, aber die Beschilderung ist doch eine einzige Katastrophe“ erklärte sie gerade „wie soll ich jemals wieder zu meiner Kabine zurückfinden oder den richtigen Speisesaal finden?“
„Die Beschilderung folgt einer gewissen Logik“ versuchte sich die Frau an der Rezeption zu rechtfertigen „die Decks haben alle eine Nummer. Ihre Kabine liegt auf Deck 7. Und die 84 ist die Nummer Ihrer Kabine. Alle anderen Räume sind auf übersichtlichen Tafeln zu erkennen. Außerdem befindet sich in Ihrer Kabine auch ein Decksplan des Schiffes. Da kann man eigentlich nichts falsch machen.“
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