Also sagte er:
„Wir können uns ja reinteilen. Ich meine, dass Petra und ich 75 Prozent der Kosten übernehmen und ihr den Rest. Das wäre doch eine faire Teilung.“
„Damit bin ich nicht einverstanden“ antwortete Bergmanns Mutter „ihr schwimmt doch geradezu im Geld und Peter und ich müssen mit einer schmalen Rente auskommen. Also als ehemalige Lehrerin kann ich noch verdammt gut rechnen und ich denke, dass Frieder im Monat so um die 30.000 Euro zur Verfügung hat, stimmt‘s?“
„Brutto, Mutter.“
„Dann werden das fast 15.000 Euro Netto sein, kommt das hin?“
„Hm, vielleicht.“
„Na bitte. Dazu kommt noch die Dividende aus der Firma von Claudia und Nils. Wie viel war das denn vergangenes Jahr Claudia?“
„Sag‘ ich nicht.“
„Du willst deiner Großmutter nicht sagen, wie viel du deinem Vater überwiesen hast?“
„Genau.“
„Na gut, dann muss ich eben wieder schätzen“ meinte Hannelore Bergmann „denn ich verfolge die Entwicklung des Aktienkurses eurer Firma regelmäßig. Die Aktie stand vor zwei Wochen bei 23 Euro 47 Cent. Vor 6 Monaten noch bei 11 Euro 81. Macht so über den Daumen gepeilt 200 Prozent Kurszuwachs. Muss ich noch was sagen?“
„80 Prozent für uns“ erwiderte Frieder Bergmann schwach.
„95“ antwortete seine Mutter.
„90“ schlug Bergmann vor.
„Einverstanden“ antwortete seine Mutter schnell „wenn wir an dem Abend eine Zeche so um die 1.000 oder 2.000 Euro machen sind das immer noch 100 bis 200 Euro für Peter und mich.“
„Wie kommst du auf 1.000 bis 2.000 Euro“ fragte Petra verwundert.
„Na ich habe das Menü bereits bestellt. Es gibt Kaffee und Kuchen und dann abends vier Gänge und wir sind 8 Personen. Dazu die Getränke. Du kennst doch Frieder und Peter. Die werden wieder ordentlich bechern und Bier und Schnaps kosten dort einen Haufen Geld. Ich habe für jeden von uns 150 Euro veranschlagt und das ergibt eben 1.200 Euro. Paar Extrawünsche, Trinkgeld, sind wir schnell bei 2.000.“
Frieder Bergmann traf einige Minuten nach 13 Uhr am Standesamt ein. Seinem Fahrer gab er für den Rest des Tages frei, er solle ihn am kommenden Vormittag 10 Uhr von zu Hause abholen. Allerdings blieb einer seiner Personenschützer unauffällig bei ihm. Gut gelaunt betrat Bergmann das Gebäude und fand seine Familie bereits auf den Bänken sitzend vor.
Peter Petersen schien nervös zu sein, erhob sich und ging schnell auf Bergmann zu, so als wolle er ihm nochmals gratulieren.
„Hast du mal ne Kippe für mich“ fragte er leise.
„Klar, wir gehen noch mal raus.“
Vor dem Haus sah sich Peter Petersen verstohlen um, dann griff er in eine Tasche seines Jacketts und zog eine kleine Taschenflasche heraus, schraubte er den Verschluss ab und nahm einen großen Schluck, um die Flasche dann gleich wieder anzusetzen. Dann ließ er sich von Bergmann eine Zigarette geben und zündete diese mit zitternden Fingern an.
„Mann, bin ich aufgeregt“ sagte er zu Frieder Bergmann „mir schlottern richtig die Knie.“
„In einer halben Stunde hast du es überstanden“ tröstete ihn Bergmann „dann machen wir einen drauf, aber einen mächtigen.“
„Heute sollten wir aber mal ein bisschen vorsehen“ meinte Peter Petersen „am Hochzeitstag will ich nicht unbedingt Ärger haben.“
„Ach was, gerade an diesem Tag gibt es allen Grund, sich einen ordentlichen einzuschenken. Überlege dir, demnächst bist du mit meiner Mutter verheiratet und das wird nicht so einfach werden, du kennst sie ja. Aber da musst du jetzt durch.“
„Peter“ kam es jetzt laut aus dem Standesamt „es geht los, komm‘ endlich rein“.
Petersen und Bergmann nahmen Platz und die Standesbeamtin begann mit der Zeremonie.
Als sie kurz auf die Lebensläufe des Paares einging raunte Hannelore Bergmann Peter Petersen etwas zu, allerdings nicht leise, sondern so, dass es alle hören konnten.
„Hast du etwa eine geraucht? Seit wann machst du denn so was? Heimlich? Und du hast eine Fahne, unmöglich!“
Die Standesbeamtin legte eine Pause ein und räusperte sich. Es wurde wieder still. Dann fuhr sie fort.
„… und die Tage gemeinsam in Harmonie und gegenseitiger Achtung verbringen und auch die Meinung des anderen zu achten und zu akzeptieren …“
Wieder redete Hannelore Bergmann auf Petersen ein.
„Ich habe immer noch keine Antwort von dir bekommen Peter. Seit wann rauchst du?“
„Würden Sie bitte den Rahmen dieser Zeremonie würdigen“ sagte die Standesbeamtin etwas gereizt zu Hannelore Bergmann „Sie können sich gern später gern mit Ihrem Mann ausführlich austauschen.“
„Man sollte nie etwas auf die lange Bank schieben“ erwiderte Bergmanns Mutter „ein offenes Wort zur rechten Zeit ist immer gut.“
„Wenn ich fertig bin!“
Die Frau sprach noch über den Sinn der Ehe und andere Dinge, wurde aber durch das Geflüster von Hannelore Bergmann schnell wieder aus dem Konzept gebracht. Wahrscheinlich, um die Sache abzuschließen, leierte sie jetzt die üblichen Phrasen hastig herunter, musste aber die Stimme immer mehr erheben, da Hannelore Bergmann weiterhin auf Peter Petersen einredete.
„…. frage ich Sie jetzt, ob Sie den Bund der Ehe eingehen wollen“ wollte die Standesbeamtin fast brüllend wissen.
„Geht klar“ antwortete Peter Petersen und Hannelore Bergmann nickte nur.
„Ich benötige eine Aussage von Ihnen“ wandte sich die Beamtin laut an Bergmanns Mutter.
„Wozu, nehmen Sie etwa einen Tonbandmitschnitt vor“ wollte diese wissen „das dürfte doch wohl dem Datenschutz widersprechen. Oder wenden Sie hier auch diese widerlichen Schnüffelpraktiken der NSA an? Das geht zu weit!“
„Ich will nichts weiter als eine Aussage von Ihnen, Frau Bergmann, ob Sie die Ehe mit Herrn Petersen eingehen wollen“ sagte die Frau mit zitternder Stimme „ich muss ein Protokoll anfertigen.“
„Aber was denken Sie denn warum wir heute hier sind“ erwiderte Bergmanns Mutter „ich habe am Vormittag allein 60 Euro für den Friseur ausgegeben, natürlich will ich Herrn Petersen heiraten, ansonsten wäre das ja eine sinnlose Ausgabe gewesen.“
„Das heißt ja“ fragte die Standesbeamtin hoffnungsvoll.
Hannelore Bergmann ging gar nicht darauf ein.
„Was würde denn passieren, wenn ich mich jetzt nicht äußere oder nein sage“ wollte sie wissen.
„Dann wäre diese Scheißveranstaltung endlich vorbei“ schrie die Standesbeamtin entnervt auf.
„Aber beruhigen Sie sich doch bitte“ versuchte Frieder Bergmann die Situation zu entschärfen „spielen Sie doch jetzt zur Entspannung mal eines der üblichen Musikstücke ab.“
Die Frau nickte wortlos und mit versteinertem Gesicht, dann drückte sie eine Taste am CD-Spieler.
Einen Augenblick später dröhnten harte Gitarrenriffs durch den Raum, es war ein Titel von AC/DC. Frieder Bergmann erkannte sofort, dass es sich um „Highway to hell“ handelte. Auch Peter Petersen hatte den Song sofort erkannt, denn er sprang auf und brüllte:
„Das passt ja ganz hervorragend zu diesem Tag, genau das richtige Motto für meine weitere Zukunft!“
„Reiß’ dich zusammen Peter“ fuhr ihn Hannelore Bergmann an.
„Ich finde das super“ rief Rüdiger aus „das ist mal eine Trauung, wo richtig die Post abgeht, nicht so eine langweile Sache wie sonst immer.“
Claudia sprang auf und zog Nils mit hoch, dann tanzte sie mit ihm vor der ersten Stuhlreihe. Auch Petra schnappte sich ihren Mann, Paula und Rüdiger machten auch mit und Peter Petersen grinste Hannelore Bergmann an. Diese rief der fassungslosen Standesbeamtin zu:
„Ja, ich will Herrn Petersen heiraten!“
Dann zappelte sie wild zur Musik von AC/DC mit ihrem gerade angetrauten Mann herum.
Der Standesbeamtin liefen die Tränen über das Gesicht und sie sackte auf einem Stuhl zusammen.
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