Nachdem Dulgur weggeflogen ist, konzentriert sich Robert wieder auf seine Arbeit, was wirklich nicht einfach ist. Immerhin ist bei dem Grundstück wiederum einiges geschehen, was unerklärlich ist. Abends muss er unbedingt noch mit Fred reden, doch bis dahin wird er die Zeit nutzen und seine Hausarbeiten erledigen. Sie sind zwar nicht schwer, aber umfangreich, und das braucht eben seine Zeit!
Es wird schon dunkel, als plötzlich Roberts Handy klingelt. Es ist Fred, der ihn bittet, zu ihm runterzukommen. Robert hat genug gelernt. Er räumt seine Sachen weg und fährt mit dem Fahrstuhl in den vierten Stock hinunter.
Fred erwartet ihn schon in der offenen Tür. „Robert, das ist einfach Klasse: Kaum bist du mit dabei, haben wir auch schon den ersten Hinweis.“ Er geht mit dynamischen Schritten voran ins Wohnzimmer. „Die Lagerhalle neben diesem Grundstück gehört einem gewissen Rufus Kellermann. Der Mann ist absolut unbescholten und anscheinend sehr vermögend. Er hat die Lagerhalle gebaut und an verschiedene Speditionen Lagerkapazitäten vermietet. Gleich nach deinem Hinweis haben wir eine Polizeistreife hingeschickt. Sie haben die Identität der dort beschäftigten Arbeiter eingehend geprüft. Es war aber alles in Ordnung. Mehr konnten wir momentan nicht tun, es ist alles legal!“ Fred streicht sich über sein Kinn, schaut Robert lange sinnend an und sagt dann ganz unvermittelt: „Schon wieder hat der Blitz da unten eingeschlagen!“
Robert grinst nur. „Bestimmt sind die Container getroffen worden“, sagt er cool.
„Woher weißt du das denn schon wieder?“, fragt Fred erstaunt. „Es ist doch gerade erst geschehen! Und woher weißt du überhaupt von den Containern? Aber gut, von dir bin ich es gewöhnt, dass du immer einen Schritt voraus bist. Stell dir vor, so schnell haben wir noch nie Leute von der Versicherung am Schadensort gesehen. Die müssen wohl beträchtliche Schadenszahlungen leisten. Der Bauunternehmer hat uns gemeldet, dass die Versicherer die Verträge sofort gekündigt haben. Sie werden nur noch dann Versicherungsschutz geben, wenn die Gesellschaft sich wieder von dem fraglichen Grundstück trennt.“ Fred rückt seine Krawatte zurecht. „Eigentlich geht uns das ja nichts an, das ist deren Angelegenheit, wie und wo sie sich versichern. Für uns interessant ist nur, dass das Grundstück jetzt wieder verkauft werden soll. Ich bin schon neugierig, wer der Käufer sein wird! Wer kauft denn so ein verrufenes Grundstück?“
Eine kleine Pause entsteht. Dann fährt Fred ernst fort: „Robert, wir machen uns jetzt wirklich Sorgen wegen der Blitzschläge. So viele Zufälle kann es gar nicht geben. Immer wieder betrifft es das gleiche Grundstück, und was noch gruseliger ist: Es ist keine Spur von einem Gewitter zu sehen.“
Robert nickt. Ganz klar, dass mit den Blitzen etwas nicht normal ist. Das kann keine natürliche Ursache haben, dass immer nur Menschen oder Sachen beschädigt werden, die sich auf diesem Grundstück aufhalten.
Fred holt ein Kuvert aus seiner Jackentasche und reicht es Robert. „Herr Werner schickt dir hier eine Bescheinigung. Er sagte mir, du weißt schon, um was es geht. Übrigens ... ich habe mir einen tollen Plan wegen des Grundstücks ausgedacht. Ich werde da was unternehmen ... Morgen erzähl ich dir mehr davon.“
Robert nimmt den Briefumschlag entgegen. „Ach ja, das ist die Freikarte für die öffentlichen Verkehrsmittel!“, sagt er und bedankt sich. Neugierig fügt er hinzu: „Sag mir doch, was du planst, Fred! Ich kann das doch gleich mit dir gemeinsam machen.“
„Nein, ich habe noch zu wenig Informationen“, wehrt Fred ab. „Aber morgen treffen wir uns um die gleiche Zeit wieder, okay? Dann wissen wir mehr. Komm am besten gleich zu mir runter!“
Gotcha-Terror
Am nächsten Morgen stürzen Tim und Chris auf Robert zu, kaum dass er das Schulgebäude betreten hat. „Robert, hast du schon gehört, was hier wieder los ist?“
Robert grinst. Cool, dass seine beiden Freunde ihn immer sofort informieren, wenn es irgendetwas in der Gegend gibt, das er wissen sollte. „Na los, erzählt schon!“
„In der 5 b und noch in zwei anderen Klassen spielen sie Gotcha“, sprudelt Tim hervor. „Sie schießen wie verrückt aufeinander und beschmieren auch Unbeteiligte mit diesen Farben.“
„Gotcha?“ Die Falte zwischen Roberts Augenbrauen vertieft sich. „Moment mal, was genau ist das?“ Er ist völlig ratlos und hat noch nie davon gehört.
„Das ist doch das Kriegsspiel, das sie überall im Wald spielen“, erklärt Chris, sichtlich stolz auf sein Wissen. „Es sind ganze Gruppen, die sich mit Tarnkleidung durch die Büsche schleichen. Sie schießen aufeinander, und wer getroffen wird, muss tot spielen und scheidet aus. Sie schießen mit Farbkugeln, dementsprechend haben sie auch Farbkleckse auf ihrer Kleidung und ...“
„Ist dir schon aufgefallen, wie viele Schüler hier diese bescheuerte gefleckte militärische Tarnkleidung tragen?“, schaltet sich Tim aufgebracht dazwischen.
Robert bleibt ganz ruhig. „Na klar hab ich das schon gesehen. Ist ja auch echt cool. Ich habe auch schon mit dem Gedanken gespielt, mir so ein Outfit zuzulegen“, sagt er. „Aber anscheinend ist das hier so eine Art Uniform. Na, und auf Farbkleckse in den Klamotten kann ich hier in der Schule auch gut verzichten!“ Mittlerweile sind sie im ersten Stock vor ihrem Klassenzimmer angelangt. „Wir werden uns mal etwas umhören, wer diese Gruppen organisiert“, schlägt er vor, „und dann schauen wir, was wir tun können!“ Die Klingel beendet das Gespräch, der Unterricht beginnt.
Gleich nach der Schule, Robert ist kaum zu Hause angekommen, läutet das Telefon. Es ist Hauptkommissar Werner. Seine Stimme klingt sehr ernst: „Robert, kannst du so schnell wie möglich zu mir ins Büro kommen?“
„Klar“, sagt Robert und legt auf, ohne weiter nachzufragen. Nach dem Mittagessen fährt er schnell in den vierten Stock zu Fred runter und klingelt an seiner Wohnungstür, doch da ist offensichtlich niemand zu Hause. Also ab in den Bus. Zum ersten Mal zückt er seine Freikarte
Und genießt es im Bus zu fahren.
Als Robert im Polizeipräsidium ankommt, erwartet ihn der Hauptkommissar schon und bittet ihn in sein Büro. Robert hat ein komisches Gefühl, als er den Mann sieht. Mit belegter Stimme und sorgenvoller Miene rückt er mit seiner Nachricht heraus: „Robert, Fred ist im Krankenhaus. Wir wissen nicht, ob er überleben wird!“
„Wa, Wa.., was?“ Robert glaubt sich verhört zu haben. „Was ist los? Was sagen Sie da?“, stottert er verstört.
Werners Augen schauen müde aus seinem grauen Gesicht, das von wenig Schlaf zeugt. „Fred liegt auf der Intensivstation im Koma. Genau wissen wir nicht, was geschehen ist, aber er und ein Kollege wurden vom Blitz getroffen. Der Kollege hatte ein schwaches Herz und ist gestorben, Fred dagegen liegt noch im Koma.“
„Wie,....wieso vom Blitz getroffen? Wo ist das denn passiert?“, stottert Robert erschrocken.
Er kann sich gar nicht erinnern, dass hier in der Gegend ein Gewitter war.
Der Hauptkommissar lehnt sich zurück und schaut Robert traurig an. „Fred kam noch gestern Abend zu mir und erzählte mir von seiner Absicht, dass er zusammen mit einem Kollegen mit Hilfe eines Metalldetektors das unheimliche Grundstück in der Altstadt untersuchen wolle“, beginnt er. „Der Kollege war für mich genug Sicherheit – wenn Fred alleine gegangen wäre, hätte ich dem Plan gar nicht zugestimmt! Aber zu zweit, dachte ich, wäre es okay: Während der eine die Untersuchungen machte, konnte der andere auf die Umgebung achten. Ich war also einverstanden. Als dann aber nach einiger Zeit wieder so ein merkwürdiges Donnergrollen zu hören war, ahnte ich schon Furchtbares. Und so war es dann auch. Beide wurden sofort ins Vinzenzkrankenhaus eingeliefert, aber für den Kollegen von Fred kam jede Hilfe zu spät.“
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