Der Professor sah ihn mit offenem Munde an.
„Du läufst mit einem solchen ungeheuren Vermögen hier einfach so herum?”
„Es ist noch nicht die wertvollste Münze. Für große Beträge gibt es noch 1000 Stella Münzen, die damit einer Milliarde Euro entsprechen.”
„Aber es kann doch nicht sein, dass dir so ein Haufen Geld gehört. Das wirst du dir vielleicht bei der schiffseigenen Bank ausgeliehen haben, um mir das zu zeigen.”
Knud sah ihn ruhig und gelassen an. Wahid begann zu schlucken, da sein Gegenüber keinen Hinweis zur Beantwortung dieser Frage lieferte.
Wahid versuchte es mit einer anderen Strategie, Licht in diese rätselhaften finanziellen Angelegenheiten zu bringen.
„In meinen Augen ist es - bei eurer Technologie - doch ziemlich primitiv, mit solchen Nominalen herumzulaufen.”
„Ja, das mag schon sein, wenn wir allein die menschliche Sichtweise berücksichtigen. Aber viele Rassen wollen etwas in der Hand haben, wenn Geschäfte gemacht werden. Edelmetalle sind eine Währung, die überall in der Föderation akzeptiert wird, da sie so selten sind. Aber es gibt natürlich auch Geldtransfers, Überweisungen und Ähnliches.”
Der Professor drehte nachdenklich die Münzen in seiner Hand.
„Du hast uns doch damals die Münzen gegeben, um uns etwas auf der Flucht zu essen kaufen zu können. Was ist daraus eigentlich geworden?”
„Mary hat sie euch wieder abgenommen, da es hier natürlich keine Krügerrand gibt. 10 Gramm Gold entsprechen hier einem Sol. Wenig später habe ich veranlasst, dass jedem von euch 150 Sol gutgeschrieben werden, die immerhin 150.000 Euro entsprechen.”
„Aber du kannst uns doch nicht solche Summen einfach schenken.”
„Ich hatte bereits erwähnt, dass ich genug Geld habe und ich mir daher keine großen Gedanken um mein finanzielles Wohlergehen machen muss.”
„Das kann einfach nicht sein. Wir kennen uns erst seit wenigen Wochen und du kannst nicht jedem von uns Geld im Gegenwert von einem relativ luxuriös eingerichteten Haus im Libanon schenken.”
Knud schmunzelte lediglich auf diese Feststellung und gab keine Antwort.
„Aber wie viel hast du denn, wenn ich fragen darf?”, bohrte Wahid weiter, der nun endgültig wissen wollte, welche finanzielle Partie sein Schwiegersohn für Mouad abgeben würde. Seine levantinische Neugierde ließ sich nicht mehr im Zaume halten. Ganz arm schien Knud zumindest nicht zu sein.
Aber Knud lachte nur. Es war ein klares, helles, befreites Lachen, ohne eine Spur Bösartigkeit oder Beleidigtseins.
„Ich weiß, Wahid, dass in der Weltregion, aus der du stammst, eine solche Information bei einer Heirat von überragender Bedeutung ist. Aber in dieser Gesellschaft ist mein Vermögen kein großes Geheimnis, da materieller Besitz hier nicht so wichtig ist. Armut ist an diesem Ort kein Thema. Zudem wird Geld hier ganz anders, vor allem nachhaltiger und sozialverträglicher eingesetzt. Dazu später mehr. Jetzt reicht es erst einmal zu wissen, dass ich ein Vermögen von ungefähr einer Billion Stella verwalte.”
„Wie bitte?” fragte Wahid entgeistert.
-
„Damit kannst du ja ganze Planeten aufkaufen.”
Knud lachte erneut.
„Nun ja, dafür reicht es vielleicht nicht ganz. Aber nun mal ernsthaft: Diese enormen Summen werden zur Vorfinanzierung neuer planetarischer Großprojekte benötigt. Daher gehört mir das Geld auch nicht in dem Sinne, wie dies bei steinreichen Humanoiden auf Terra der Fall ist. Der Großteil davon wird von mir treuhänderisch verwaltet und ist für nachhaltige Projekte einzusetzen. Aber nicht, dass du jetzt falsche Schlussfolgerungen daraus ziehst - denn wie ich schon sagte: Wegen des schnöden Mammons verbringe ich keine schlaflosen Nächte.”
Der Professor musste auch dies erst einmal verarbeiten.
„Du musst aber jetzt nicht jedem davon erzählen.”
Wahid nickte.
„Mir wird kalt, können wir nicht weitergehen?”
„Wo möchtest du denn hin, ins Quartier zurück um zu schlafen? Oder vielleicht etwas essen gehen? Die Brücke des Schiffes kann ich dir auch noch anbieten.
Aber wenn wir zu den beiden zuletzt erwähnten Orten gelangen, wirst du unweigerlich auf andere Rassen treffen. Menschen sind hier an Bord nur eine Minderheit; und ich möchte nicht ständig alle anderen nichtmenschlichen Besatzungsmitglieder bitten, einen Bogen um uns herum zu machen. Denn das habe ich bis jetzt veranlasst, damit du nicht unter der Last zu vieler Eindrücke zusammenbrichst.
Doch wenn du noch unsicher bist und meinst, diese neue Herausforderung noch nicht zu schaffen, dann kann ich dich auch gerne wieder zurück zu deiner Familie begleiten, die übrigens bis jetzt wie ein Murmeltier schläft und meiner Einschätzung nach froh ist, dem Chaos des Libanon entronnen zu sein. Um sie brauchst du dir keine Sorgen zu machen.”
Der Professor überlegte und schien sich zu sammeln.
„Du weißt, dass ich immer offen für alle neuen Eindrücke war. Ich hatte schon im Libanon dahingehend Überlegungen angestellt, dass es doch eigentlich andere Rassen im Universum geben müsste.”
Er machte wieder eine Pause und fuhr dann, für Knud doch ziemlich überraschend, fort:
„Dann lass uns was essen gehen. Könntest du mir dabei nicht den einen oder anderen deiner außerirdischen Freunde vorstellen?
Obwohl...”
„Was ist los? Wieso zögerst du? Hast du doch Angst davor, mit neuen Spezies in Kontakt zu treten?”, fragte Knud Wahid.
Der Professor hockte sich an das mit grobem Kies bedeckte Ufer des künstlichen Sees. Er blickte unverwandt auf die Wasserfälle, verfolgte mit seinen Augen, wie die Flüssigkeit in einzelne Gischtpakete zerfiel.
Minutenlang saßen sie nur so da. Keiner sprach ein Wort.
„Ich kann nicht darüber reden”, begann Wahid mit flatternder Stimme.
Knud sah ihn von der Seite an. Wahids Gesicht war eine graue Maske. Schweißperlen bildeten sich auf seiner Stirn.
Knud legte ihm einen Arm auf seine Schulter.
„Ich vermute - zumindest deute ich dies aus deinem Verhalten - dass du möglicherweise von zurückliegenden Kriegserlebnissen traumatisiert bist.”
Wahids Lippen und Kinn begannen zu zittern, er kollabierte.
„Ich kann es auch niemandem erzählen”, stieß er abgehackt hervor, „du hast so etwas hoffentlich noch nie erlebt. Aber Fatima und Elias haben den Mord an unschuldigen Zivilisten mit angesehen. Ich habe zu lange gezögert...”
Eine ganze Weile verging, bis Wahid die zurückliegenden grausamen Erlebnisse überhaupt in Worte fassen konnte. Knud hörte mit unbewegtem Gesichtsausdruck zu.
Als Wahid geendet hatte, erhob sich Knud, ging einige Schritte auf die Seeoberfläche zu, und blieb genau am Spülsaum des Gewässers stehen. Der Professor blickte zunächst frustriert und tief enttäuscht zu Knud hinüber, der ihn scheinbar nicht weiter beachtete. Dann bemerkte er jedoch, wie Knud die Hände vor sein Gesicht schlug, sich immer wieder mit seinem Hemdsärmel durch das Gesicht wischte.
Fassungslos erhob sich der Professor - und umarmte seinen Schwiegersohn.
„Warendula war nur eine von vielen entsetzlichen Katastrophen, in die ich in meinem langen Leben als Beobachter involviert war”, flüsterte Knud. „Das, was du, was ihr dort mitgemacht habt, gibt euch einen Einblick, was wir Kundschafter, manchmal sogar tagtäglich, erleben mussten. Ich habe viele Lebewesen, die mir einst wichtig waren, die ich geliebt habe, verloren. Es bleiben immer Wunden zurück. Einige schließen sich, fallen möglicherweise dem Vergessen anheim. Die meisten von ihnen jedoch vernarben, und die Erinnerungen sind weiter präsent. Man fühlt sich wie... wie verstümmelt. Und manche Verletzungen verblassen nie, man trägt dieses Wiedererleben ein Leben lang mit sich herum. Wenn ich an sie denke...” Knud flossen erneut Tränen über das Gesicht.
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