Ich denke, dass die Wissenschaftler ein paar Schritte überspringen, wobei allerdings erstaunlich ist, wie selbstsicher sie über die Lücken in ihren Modellen hinwegsehen. Nach diesem Vorspann in dem Kapitel im Atlas der Times über das All folgt die Information, auf die ich eigentlich ziele. In dem Atlas ist die Fotografie einer Galaxie zu sehen. Die ‘Cartwheel Galaxy’. Unglaublich, was die Wissenschaftler im Weltraum fotografieren konnten. Die Erklärungen der Details der Fotografie stehen darunter. Das Foto musst du dir selbst anschauen, denn wie könnte ich mit Worten sagen, wie grandios die Dinge sind, die auf dieser Fotografie zu sehen sind. Aber dies ist der Text darunter:
Die „Cartwheel-Galaxie“ ist das spektakuläre Resultat eines mittigen Treffers einer kleineren Galaxie auf den Nukleus einer großen, spiralförmigen Galaxie. Der breite Ring, der auf der Fotografie zu sehen ist, stellt eine nach außen wandernde Welle komprimierten Gases und neugeformter Sterne dar. Strahlungsbeobachtungen weisen auf eine Heckwelle aus kaltem Wasserstoffgas hin, welche die Cartwheel-Galaxie mit dem davoneilenden Angreifer verbindet, der rechts oben auf dem Bild zu sehen ist.
( The Cartwheel Galaxy is the spectacular outcome of a bulls-eye hit by a smaller Galaxy on the nucleus of a large spiral Galaxy. The bright ring in this photo is an outward travelling wave auf compressed gas and newly-formed stars. Radio observations show a wake of cold hydrogen gas linking the Cartwheel with the receding offender, currently beyond the far right of the image ).
Warum nicht erwägen, dass das Aufeinandertreffen der zwei Galaxien ein Befruchtungsvorgang war? Was spricht dagegen, dass die kleinere Galaxie Neutronenmaterial in der Gestalt eines Hurrikans brachte: eine Art Galaxie, die wie ein Pfeil zwischen die zwei Lippen (der Muschel mit den zwei Schalen) einer anderen Galaxie traf? Die Sache wurde diploid. Der Begriff diploid ist ein Begriff aus der Biologie und meint den doppelten Chromosomensatz nach der Befruchtung einer haploiden Eizelle durch eine haploide Spermazelle. Ich denke, dass die Sonnensysteme diploide Systeme sind. Als die Zusammenführung zweier haploider Systeme abgeschlossen war, war Abend des ersten Tages geworden, und Gott sah, dass es gut war, und nannte das diploide System Licht und trennte es von dark matter . Die Helium-Struktur war geworden.
Die Jahre 1971 bis ’74 in Mendocino County waren für mich ganz besondere Jahre. Nie wieder habe ich in so kurzer Zeit so tief in so viele Menschen blicken dürfen, wie in diesen Jahren unter Menschen, die nicht banden, und die sich nicht binden ließen und offen waren, in sich blicken zu lassen. Sie waren ausgestiegen aus den herkömmlichen Wegen und waren eigentlich nur die letzte Konsequenz einer Bewegung, die mit der Gründung der USA begonnen hatte, als ihre Vorfahren die „Alte Welt“ verließen, um neue Wege des gesellschaftlichen Miteinanders zu pionieren. Meine Bekannten und Freunde in Berkeley und in Mendocino County (und auch schon in den Jahren zuvor in Pennsylvania und Seattle) reichten mir in einem Schnellkurs das Erbe der Entbindung von der „Alten Welt“. Eine der ersten Hürden, die ich in Mendocino nahm, bestand darin, ohne Schuldgefühle nichts zu tun, was für einen Menschen deutscher Herkunft nicht ganz einfach ist, oder jedenfalls noch für meine Generation nicht einfach war. Aber mein Freikommen von der Vergangenheit hatte noch ganz andere Aspekte, denn zu meiner Vergangenheit gehörte, dass ich an einem Tag im Oktober 1940 geboren wurde, als Hamburgs Hafen brannte und meine Mutter auf dem Weg ins Krankenhaus einen Stahlhelm trug, weil auf dem Asphalt die Flaksplitter tanzten.
Meine frühesten eigenen Erinnerungen setzen ein, als wir uns auf der Flucht vor der russischen Armee befanden, denn unsere Familie war 1944 von Hamburg in die Tschechei evakuiert worden, wo mein Vater im Nachschub der Klöckner Flugzeugmotoren eine Aufgabe hatte. Im Januar oder Februar 1945, als Kanonendonner wie bei einem fernen Wetterleuchten hinter dem Horizont im Osten hörbar wurde, nahm unsere Mutter uns drei Kinder bei der Hand und wir flohen ins Erzgebirge, wo die letzten Tage des Krieges an uns vorübergingen und wir bis in den Mai hinein in einer Waldmühle blieben. In Zwickau waren die Amerikaner, und die waren (ganz anders als in dem Film ‘Lore’ portraitiert) hervorragend organisiert, um mit dem Flüchtlingsproblem umzugehen. Sie schickten uns zusammen mit anderen Familien in einem plombierten Güterwagen durch russisches Besatzungsgebiet nach Hamburg zurück. Als zehn Jahre später mein Verstand zu begreifen begann, welches Erbe mir das Dritte Reich hinterlassen hatte, band mich dieses Verstehen an die jüngste Vergangenheit meiner Nation und blockierte mir den Zugang zur Gegenwart, und statt meiner Zukunft entgegenzusehen, entwickelte ich eine Passion für die Museen und für die Zeugen vergangener Zeiten, wo ich des Rätsels Lösung suchte, ohne diesem Rätsel einen Namen geben zu können.
Bis zu einem Wendepunkt in der Mitte meines Lebens schaute ich eher zurück als voraus. Dieser Wendepunkt sollte erst ein paar Jahre nach der Zeit, von der ich hier berichte, kommen, aber die fast sieben Jahre, die ich nun schon in den USA weilte, waren der Auftakt dazu. In mir war und ist eine große Dankbarkeit gegenüber den USA und ihren Menschen. ‘In God we trust’ hatte mich zwar noch nicht erreicht, aber begann, nach mir zu greifen.
Als ich gar nichts mehr in Händen hielt, eröffnete ich einen kleinen Kindergarten, der eher eine Kinder-Aufbewahrungs-Tagesstätte war, wo alleinerziehende Mütter aus Albions Umgebung ihre Vorschulkinder lassen konnten, um in den ‘Inns’ und ‘Lodges’ an der Küste für ein paar Dollar die Betten zu machen oder in der Küche zu helfen. Da Bedarf bestand, wurde mir ein Klassenzimmer in dem alten Schulhaus in Albion zur Verfügung gestellt. Das alte Schulhaus war schon seit geraumer Zeit keine Schule mehr. Es stand – und steht – in Ost/West-Ausrichtung ein wenig oberhalb der wenigen Häuser Albions. Über eine steinerne Treppe auf der Südseite des Gebäudes, wo es sich wunderbar in der Sonne sitzen ließ, gelangte man in einen Flur, von dem links und rechts je ein geräumiges Klassenzimmer abging. Das rechte Klassenzimmer war zu einem Hippie-Café umgestaltet worden, wo es selbstgemachtes Brot und den besten Kaffee der Thanksgiving-Coffee-Company in sehr großen Bechern gab. Vor den Fenstern des linken Klassenzimmers lag der Pazifische Ozean.
Dieser Raum im Westen war auf liebevolle Weise hergerichtet worden. Es gab eine Empore mit Leiter, Rutsche und Reling und genügend Platz für die Kinder, um dort oben zu spielen. Unter der Empore waren zwei Schaukeln befestigt, die solide genug waren, um mich mit einem Kind auf jedem Knie zu tragen. Spielzeug gab es zuhauf und auch einen bequemen Sessel, wo ich oft nur saß und las oder heimlich zuschaute, denn mir war daran gelegen, die Kinder selbstvergessen spielen zu lassen. Die Kinder konnten sehr lange ohne mich auskommen. Wenn es Probleme zu schlichten gab, kamen sie meistens von selbst zu mir, und wenn nicht, war immer noch Zeit, mich in die Mitte ihrer Aufmerksamkeit zu rücken, und bald schon hatten wir eine Art ‘town-meeting’ entwickelt, um Streitereien zu lösen, was jedoch nur funktionierte, wenn und solange keine Mutter im Zimmer oder auf der Treppe vor dem Haus zu sehen war.
Pro Tag wurden sechs bis zwölf Kinder „angeliefert“, von ihren Müttern postwendend mit einem Dollar zwanzig pro Nase und Tag bezahlt und um etwa 14 Uhr wieder abgeholt. Jedes Kind brachte etwas zu essen mit, und alles Essbare wurde durch die Anzahl der Kinder geteilt. Um der Gerechtigkeit willen halbierten wir manchmal sogar die paar Weintrauben, die ein Kind mitgebracht hatte, was vielleicht eine Übertreibung des ‘sharing’ war, aber wir hatten großen Spaß dabei. Toast mit Erdnussbutter und Johannisbeergelee war der Renner. Hinter dem Haus begann der Redwood-Wald. Er war mein größter Verbündeter, um aus meinen kleinen Freunden mutige Helden wie im Märchen „Narnia“ werden zu lassen. Sie waren eine tapfere Schar. Kein Wald kommt dem Redwood-Wald gleich. Die Höhe der Bäume, die Weite des Raums (Redwood-Wälder haben kein oder kaum Unterholz und die Stämme stehen wie Säulen) und das Licht und die Kombination von rötlichen und grünen Farben sind einmalig. Die französischen Kathedralen sind vielleicht des Waldes bestes Gleichnis. Und es gab Sauerklee im Wald für das Survival-Training.
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