Es war wie verhext gewesen.
Schnell war es zu einem Wettkampf zwischen ihnen geworden, der vor knapp vier Wochen seinen vorläufigen Höhepunkt erreicht hatte.
Seufzend ließ Cathrynn die Tür hinter sich ins Schloss fallen und tätschelte Drake, der sie überschwänglich begrüßte, fahrig den Kopf.
Die Autoschlüssel flogen auf die Kommode, während sie mit steifen Gliedern ins Wohnzimmer schlich und die Tür zum Garten öffnete, damit der Hund seinen abendlichen Auslauf bekam.
Die Feldsperre war endlich wieder aufgehoben worden.
Ihr erster Einsatz lag hinter ihr.
Natürlich war er eskaliert.
Frank und sie waren sich an die Gurgel gegangen.
Das taten sie inzwischen fast täglich.
Eine Migräne begann sich anzukündigen.
Sie war fertig – ausgelaugt.
Ihre Verfassung lag sicherlich nicht nur an ihrem neuesten Streit mit Frank, Nathan hatte eine große Mitschuld daran.
Ärger begann wieder in ihr aufzuwallen, als sie zur erleuchteten Fensterfront des Nachbarhauses blickte.
„Gregory, du bist ein blöder Wichser!“
Nathan hatte nach ihrem Streit mit Frank tatsächlich vorgeschlagen, dass sie darüber nachdenken sollte, die Hunter zu verlassen.
Mit einem harten Lachen ging sie zur Bar.
„Vergiss es, Arschloch!“, murmelte sie, als sie sich einen Whiskey eingoss.
Die Hunter waren ihr Leben, sie würde die Einheit niemals verlassen.
Sie leerte ihr Glas in einem Zug, doch der erhoffte Effekt blieb aus.
Also goss sie noch einmal nach.
Aussichtslos.
Sie schlurfte ins Badezimmer.
„Baby, du brauchst Schlaf!“, empfahl sie ihrem Spiegelbild, das ihr müde, mit schwarzen Ringen unter den Augen, entgegenstarrte.
Schlaf, das war eine grandiose Idee.
Unbewusst griff ihre Hand in den Medizinschrank und fand die Schlaftabletten.
Sie schüttete drei der kleinen weißen Pillen in ihre Hand und spülte sie mit einem Schluck Wasser hinunter.
Dann erst wurde ihr klar, was sie getan hatte.
Whiskey und Schlaftabletten.
Da waren Kopfschmerzen am Morgen vorprogrammiert.
Kurz erwog sie sich den Finger in den Hals zu stecken, um das Schlimmste zu verhindern.
Sie entschied sich stattdessen aber für einen weiteren Whiskey, bevor sie beschloss sich ins Bett zu legen.
Vielleicht würde es dann morgen nicht ganz so schlimm werden.
Mit steifen Fingern vertauschte sie ihre Arbeitskleidung mit ein paar Shorts und einem ausgeblichenen T-Shirt, bevor sie unter die Decke kroch.
Der ersehnte Schlaf kam nicht.
Nur die Bilder.
Der 26. November.
McConagheys Tod.
Eirins Leiche.
Feuer und Blut.
Unruhig wälzte Cathrynn sich hin und her.
Schließlich gab sie seufzend auf.
Zwei Stunden hatte sie sich nun gequält, verriet ihr die Digitaluhr auf dem Nachttisch.
Sie erhob sich aus dem Bett, ihr T-Shirt klebte unangenehm an ihrem Körper.
Vielleicht würde ein heißes Bad sie etwas entspannen.
Das Wasser lief gluckernd in die Wanne ein.
Der Drang nach einem weiteren Whisky wurde übermächtig.
Dann würde sie sich eben bis zur Besinnungslosigkeit besaufen.
Hauptsache, sie konnte schlafen.
Sie schlurfte zurück ins Wohnzimmer und blickte irritiert auf den Tisch.
Die Schlaftabletten standen einträchtig neben der halbvollen Whiskeyflasche.
„Nanu?“
Cathrynn hätte beschwören können, dass sie das Döschen zurück in den Medizinschrank gestellt hatte.
„Was auch immer.“
Sie öffnete das Döschen, um noch eine Tablette zu nehmen.
Fünf kullerten auf ihre Handfläche.
„Drauf geschissen!“
Ohne nachzudenken führte sie die Hand zum Mund und spülte dann großzügig mit Whiskey nach.
Sie wiederholte den Vorgang noch zweimal, bis die Flasche leer war.
Dann erst schwankte sie zurück ins Badezimmer.
Achtlos ließ sie ihre Kleidung zu Boden gleiten.
Ihre Hand griff noch einmal in den Medizinschrank, doch sie bemerkte es gar nicht.
Seufzend glitt sie ins heiße Wasser und schloss für einen Moment die Augen.
Ein kurzer stechender Schmerz durchzuckte sie.
Cathrynn blickte überrascht auf ihre linke Handfläche, die zu bluten begonnen hatte.
Sie konnte sich nicht erklären, woher die neben dem Schnitt liegende Rasierklinge gekommen war.
Versonnen griff sie zu der kleinen scharfen Klinge, die ihr verschmitzt zuzwinkerte.
„Du hier! Das ist ja ein Zufall!“, lallte sie, durchaus fröhlich.
Plötzlich wusste sie, was sie zu tun hatte.
Irgendwo begann das Telefon zu klingeln.
Sie konnte sich an einem Finger abzählen, wer am anderen Ende sein würde.
„Dieses Mal nicht, Nate!“, flüsterte sie.
Sie ignorierte das penetrante Klingeln, während sie gebannt die Rasierklinge zwischen ihren Fingern beobachtete, die sich langsam ihrem rechten Handgelenk näherte.
Kapitel 6
„Das unterschreibe ich nicht!“, donnerte der Geheimdienstagent kompromisslos.
Das Dokument, das der Controller ihm zur Durchsicht gereicht hatte, flog zurück auf den Schreibtisch.
Beide Männer maßen sich eine Weile schweigend, über die kurze Distanz hinweg, bevor der alte Mann hinter dem Schreibtisch tief seufzte.
„Du solltest deine Entscheidung noch einmal überdenken, mein Freund“, betonte der Controller freundlich.
Sein zerfurchtes Gesicht zeigte fast so etwas wie ein mildes Lächeln, als er den blonden Geheimdienstagenten vor seinem Schreibtisch musterte.
Der blonde Schönling lachte trocken auf, während er entschieden den Kopf schüttelte.
„Es gibt hier nichts zu überdenken! Ich werde kein Dokument unterzeichnen, dass einen Kollegen vors Erschießungskommando bringt!“, beharrte er kompromissloser als es für ihn üblich war.
Der Blonde war als ein Mann mit durchaus flexibler Loyalität bekannt, doch die wenigen Prinzipien, die er besaß, war er nicht bereit zu brechen.
„Du machst einen großen Fehler“, betonte der Controller nachsichtig, doch der Geheimdienstagent beachtete ihn nicht mehr, als er entschlossen zur Tür ging.
„Mein Fehler war es das Crucify-Protokoll für euch zu entwickeln!“, schnappte der blonde Agent kalt.
Die blauen Augen, in denen es die meiste Zeit über spitzbübisch funkelte, blickten hart zu dem Mann hinter dem Schreibtisch.
„Jetzt auszusteigen, ist die erste richtige Entscheidung seit drei Jahren!“
„Bist du dir sicher, dass dies dein letztes Wort ist?“
Mit einem ärgerlichen Schnauben fuhr der Geheimdienstagent zu dem Mann hinter dem Schreibtisch herum.
„Allerdings bin ich mir dessen sicher!“
Der Controller schenkte ihm ein undurchsichtiges Lächeln, bei diesen Worten.
„Also schön!“, gab sich der Alte geschlagen, wenngleich es in seinen gelben Augen eigentümlich funkelte.
„Ich hoffe nur, dass sich deine letzte sexuelle Eskapade nicht allzu negativ auf die Senatskandidatur deines Vaters und deine weitere Karriere auswirken wird“, rief der Controller ihm trügerisch freundlich zum Abschied nach.
Der blonde Schönling blickte den Alten an, als hätte er den Verstand verloren.
Mit einem kalten Grinsen griff der Controller zu einer Akte und hielt sie dem Geheimdienstagenten einladend entgegen.
Widerwillig trat der Blonde wieder in das Büro hinein und nahm die Akte mit steifen Fingern entgegen.
Seine perfekten Gesichtszüge verrieten bereits, dass er nichts Gutes ahnte.
Alle Farbe wich aus seinem sonnengebräunten Gesicht, als er die Fotos sah.
Sie zeigten ihn in eindeutig kompromittierender Pose mit einer attraktiven Brünetten.
„Wie du den beigefügten Dokumenten entnehmen kannst, war die Kleine, mit der du sexuell aktiv warst noch minderjährig“, wies ihn der Controller belustigt hin.
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