„Und was wissen Sie über den Wohnort?“
„Die letzte mir bekannte Adresse ist Duisburg, aber da wohnt er nicht. Dies habe ich schon gescheckt.“ Er reichte seinem Gegenüber eine schriftliche Notiz, die nach Einsichtnahme neben seiner Visitenkarte auf dem Schreibtisch gelegt wurde.
Gallowayy grinste spitzbübisch und fuhr mit seinen Händen durch den Kurzhaarschnitt.
„Er wohnte auf der Kardinal-Gahlen-Straße 79, aber dies war so um 1984. Wo er hingezogen ist, als er aus den Staaten zurückgekehrt ist, weiß ich nicht. Dies sollten Sie herausfinden.“
Die Fliege hatte die Spitze des Bleistifts erreicht. Gallowayy hatte noch nie eine Fliege auf so einer kleinen Fläche stehen sehen. Auch für das Tier war diese Leistung etwas besonderes, denn wie beifallsheischend drehte sie sich mehrmals um ihre Achse. Die Stimme seines Kunden riss ihn aus seinen Gedanken.
„Der kann ja auch nach München oder Frankfurt gezogen sein“, entgegnete der Deutsche.
„Schon möglich, aber nicht wahrscheinlich. Die Deutschen sind nicht so mobil wie wir Amerikaner es sind. Ihr bleibt doch in der Ecke kleben, in der Ihr geboren werdet.“ Die Stimme hörte sich an, als verkünde sie ein Gesetz aus der Verhaltensforschung.
„Wir werden sehen, aber wenn die Suche zu aufwendig wird, dann müssen wir über den Preis erneut reden.“ Und zur Unterstützung seiner Forderung machte Hartung die international verständliche Bewegung mit Daumen und Zeigefinger.
Gallowayy erhob sich und wollte sich zur Türe wenden, als er sich abrupt umdrehte.
Sein Blick fiel auf die abgenutzte Tapete um den Lichtschalter. „Ach so!“ Er griff in seine linke Hosentasche, entnahm ihr eine Rolle mit Geldscheinen, zählte drei grüne Banknoten ab und reichte sie über den Schreibtisch.
„Ihre Anzahlung. Ich melde mich dann übermorgen. Ok?“
Als sein neuer Geschäftspartner mit dem Kopf nickte, drehte er sich um und verließ den Raum.
Hartung klappte seinen Sessel in die Relaxstellung und griff nach einer Zugprobe aus der Werkstoffprüfung. Mit ihr spielte er immer, wenn er nachdenken musste. Während er den zylindrische Körper in der Hand um seine Längsachse rotieren ließ, gingen seine Gedanken auf Wanderschaft. Gallowayy hatte etwas zu verbergen, sonst hätte er nicht so viele Informationen zurück gehalten. Aber so ein Betrag von knapp siebzehn Tausend Euro war kein Anlass, ein Kapitalverbrechen zu vermuten. Vielleicht hatte der Amerikaner auch Angst, das Geschäft nicht alleine zu machen. Hartung hatte so ein Gefühl, dass in dieser Sache mehr stecken könnte. Aber so Fünf- bis sieben Hundert Euro mal eben mit zunehmen, das war leichtverdientes Geld. Er schaute auf seine Armbanduhr. Für heute war es zu spät. In der Stadtverwaltung Duisburg arbeitet um diese Zeit keiner mehr. Gleich morgen früh würde er seine Kontakte spielen lassen. Hartung griff zu einem Ordner und begann, sich Notizen zu machen.
Schermbeck
Die Kaffeetafel war bereits gedeckt, als Walter Grubendorff das Esszimmer seiner Villa betrat. Feines, blasrosa Chinesisches Porzellan war auf einer mit aufwendigen Spitzen umrahmten Decke platziert. Ein dezentes Gesteck von echten Frühlingsblumen, wurde von zwei Kerzen beleuchtet. Die wuchtigen, schweren silbernen Kerzenständer standen im Kontrast zu dem Porzellan. Der Teetisch stand in der Nähe eines großen Fensters mit Butzenscheiben. In der Glasfront führte eine Terrassentüre auf eine großangelegte Veranda. Diese wurde von einem wuchtigen Erdwall begrenzt. Die darauf wachsenden Sträucher und Bäume zeigten durch ihre Größe , wie lange dieses Anwesen schon bestand. Das große Wohnzimmer war außer der Teeecke neben einer Anrichte mit einem kleinen Schrank eingerichtet. Das dunkle Holz des geschnitzten Mobiliars stand im Kontrast zu der hellgestrichenen Glasfasertapete.
Grubendorff war ein Mann von kleiner Statur, kaum größer als seine Gattin. Sein Bauch wurde von dem Gürtel seiner Hose wie ein Rettungsring umschlossen. Wenn er auf sein Übergewicht angesprochen wurde, dann erklärte er stets mit einem Lächeln: „Ich bin für mein Körpergewicht einfach zu klein gewachsen.“ Dann lachte er. In Wirklichkeit ärgerte er sich aber über die fehlende Körpergröße und seine überzähligen Pfunde. Er wusste, dass die Ursache dafür an der geringen Bewegung lag, Seine Beschäftigung hinderte ihn daran, einer Sportart nachzugehen. Nur das wöchentliche Schwimmen versagte er sich nicht. Er beugte sich zu seiner Frau Elisabeth, um ihr einen Kuss auf die linke Wange zu geben.
„Entschuldige Liss, ich musste noch ein Telefongespräch führen.“
Er schob die halbgeschlossene blaue Strickweste von der Hüfte über seinen Hintern, und zog den Stoff seiner hellen Hose über seine Knie, ehe er sich setzte. Elisabeth Grubendorff füllte eine Tasse aus Chinesischem Porzellan mit Tee, fügte einem Spritzer Zitronensaft dazu. Mit einer kleinen Zange ergriff sie einen Kandisklumpen aus einer kleinen Schale von Bleikristall und ließ den Kandis am Tassenrand in die Flüssigkeit versinken. Dann rührte sie das Getränk um, bevor sie die Tasse ihrem Ehemann reichte. Elisabeth Grubendorff trug ihre Jacke aus grünem Ikat-Gewebe. Der große Reverskragen ließ Platz für eine goldene Halskette, die aus einer Vielzahl von kleinen Elefanten bestand. Die petrolfarbige Bluse schloss den Ausschnitt, den die Jacke bot. Seine Frau legte gleichzeitig mit einer Kuchengabel etwas Konfiseriegebäck auf den Teller ihres Gatten. Nach einigen Minuten des Wartens ergriff Burger seinen Teelöffel und rührte den gelösten Kandis in den warmen Tee.
„Köstlich, meine Liebe.“
Mit dieser Bemerkung, wusste Elisabeth, war das Teegespräch eröffnet.
„Hast du den Notar erreicht?“
Walter Grubendorff wartete, bis er sein Mandelplätzchen zerkaut und heruntergeschluckt hatte.
„Hmm, köstlich. Ja, ich glaube, wenn Schulte-Barming recht hat, dann haben wir den Fisch so gut wie an der Angel. Die Gemeinde ziert sich noch, uns die Fläche zu verkaufen. Aber ich glaube nicht, dass die Konkurrenz, die >Schermbecker Boden< ein günstigeres Angebot abgeben werden, als wir. Unser Konzept ist einfach besser. Die setzen auf die Vermarktung an einzelne Bauherren, die sich dann selbst einen Bauunternehmer besorgen müssen. Wir dagegen machen alles in Eigenleistung und verkaufen die Häuser alle schlüsselfertig. Schlüsselfertiges Bauen, dies ist das Konzept der Zeit. Die Leute wollen ein Haus beziehen, und sich nicht mit den einzelnen Handwerkern herumärgern. Das bieten wir denen und verdienen durch Großaufträge durch Sammelbestellungen. Dadurch, dass wir die Häuser so anbieten, liegen wir kostenmäßig vorn. Wir werden also im Angebot günstiger sein, als die >Schermbecker Boden<. Aber du weißt ja, die Schwierigkeiten stecken immer im Detail. Es sind noch eine Reihe von Haftungsfragen zu klären. Ich glaube, wir können das neue Baugebiet erwerben. Wenn wir das Bauprojekt unter Dach und Fach haben, dann werden wir bei einem Umsatz von 80 Millionen einen Gewinn von 7 Millionen machen.“
Elisabeth Grubendorff nickte zustimmend. Die Wasserwelle ihrer Frisur unterstützte ihre vornehme Erscheinung: „Und die Finanzierung steht?“ Ihre Finger ruhten an der Tischkante. Ihr Gesicht war ausdruckslos, nur ihre Augen waren interessiert.
Bevor Grubendorff antwortete, nahm er einen weiteren Schluck aus seiner Tasse. „Ich glaube schon. Du weißt ja, wir werden die Häuser vorfinanzieren müssen, um sie dann auf dem Markt zu verkaufen. Hier in Schermbeck herrscht eine rege Nachfrage nach Bauland. Seit langer Zeit ist die Nachfrage größer als das Angebot. Die Zeitströmung schaufelt das Geld in unsere Richtung.“
„Schließt du nun die Versicherung ab?“
Walter Grubendorff verzog seine Oberlippe. Sein rechter Zeigefinger fuhr dem dezenten Streifen seiner Weste nach. Er griff nach einem Haselnussplazet, biss ein Stück davon ab, trank seine Tasse leer und hielt sie seiner Frau zum Nachfüllen hin: „Die Prämien sind unverschämt hoch. Wir müssen noch mit unseren Banken verhandeln, ob diese einen Teil des Risikos übernehmen und damit die Prämie senken. Schließlich verdienen die ja auch prächtig, bei dem Zinssatz.“
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