„Ja, da habt Ihr sicher recht“, stimmte Heinrich zu und prostete in Walters Richtung, ehe er seinen Becher ansetzte. „Wo wir gerade von ihm sprechen… Habt Ihr etwas von Richard und Markus gehört?“, wollte Judiths Vater anschließend wissen.
Der Ziehbruder des Fürsten schüttelte jedoch den Kopf. „Nein, schon seit etlichen Wochen nicht mehr. Die beiden schrieben überhaupt nur wenig im letzten Jahr und wenn, dann waren die Briefe ausschließlich für Elisabeth bestimmt.“ Er zuckte mit den Schultern. „So kann ich Euch nur das berichten, was mir die Fürstin davon eröffnet hat. Aber soweit ich es beurteilen kann, schien es Richard und Markus ausnahmslos gut zu ergehen. Es gab wohl keinerlei besondere Vorkommnisse.“
„Gott sei es gedankt“, erwiderte Heinrich. „Hoffen wir, dass die beiden bald heimkehren.“
Richards Ziehbruder nickte und leerte seinen Becher. „Ja, hoffen wir es“, sagte er dann.
Es regnete in Strömen und die ausgedörrte Erde sog gierig das niederprasselnde Wasser auf. Anna hatte sich zunächst in den hintersten Teil der Grotte zurückgezogen, dorthin wo sie und ihr Pferd ein wenig vor den herabstürzenden Wassermassen geschützt gewesen waren, doch nach kürzester Zeit waren Mädchen und Tier so durchnässt gewesen, dass Anna schließlich nach Bernadette zurückritt. Ihr Kopf war rot vor Scham, als sie das Herrenhaus betrat, doch unten, in der Großen Halle, befanden sich nicht mehr allzu viele Gäste. Einige hatten wohl den bevorstehenden Wolkenbruch gewittert und waren rechtzeitig abgereist, andere hatten sich in die für sie vorbereiteten Räumlichkeiten zurückgezogen. Anna konnte weder ihre Mutter, noch Walter irgendwo entdecken, worüber sie heilfroh war. Dafür aber trat Maria auf das Mädchen zu.
„Wo kommt Ihr denn her?“, fragte die Dienerin mit einem vorwurfsvollen Blick.
„Ich war nur kurz im Wald.“ Anna umfasste mit beiden Armen ihren zitternden Leib. Die Luft hatte sich durch den plötzlichen Regen stark abgekühlt und so war ihr eiskalt in ihrem durchnässten Gewand.
„Kurz?“, erwiderte Maria böse. „Das sieht mir aber nicht nach einem kurzen Ausflug aus.“ Sie fasste an den triefenden Stoff. „Geht nach oben und zieht Euch um. Und dann setzt Euch für eine Zeitlang unten in die Küche neben das Herdfeuer, damit Ihr Euch nicht erkältet.“
Das Mädchen ließ beschämt den Kopf hängen. „Könntest du mir nicht ein Bad richten lassen?“, fragte sie verhalten. „Mein Haar ist so verfilzt.“
Mit ein paar raschen Blicken sah die Dienerin sich nach allen Seiten um, doch niemand schien ihre Hilfe zu benötigen. „Ja, Ihr habt Recht“, stimmte sie dann nickend zu. „Ein heißes Bad ist sicher das Allerbeste. Also, zieht Euch um, ich komme Euch holen, sobald das Wasser recht ist.“
Der Raum, in dem der große, mit Pech ausgestrichene Zuber stand, befand sich auf halbem Weg in den Keller hinab. Durch eine kleine Luke, die unmittelbar zum Burghof lag, konnte das Wasser für das Bad hereingebracht werden, bevor es anschließend auf einem riesigen Ofen erwärmt wurde. Auf diese Art und Weise dauerte es zwar eine ganze Zeitlang, bis genügend Wasser für ein Bad bereit gemacht worden war, aber Elisabeth hatte schon seit jeher darauf geachtet, dass zumindest ihre Tochter regelmäßig gebadet wurde. Auch die Fürstin selbst stieg nach einem anstrengenden Tag gerne in den Keller hinab, um sich bei einem heißen Bad zu entspannen, wohingegen ihr Mann und auch ihr Sohn es vorzogen, sich in jenem Raum mit eiskaltem Brunnenwasser zu übergießen.
Anna jedoch liebte das heiße Wasser, ganz gleich wie ihre Mutter, und freute sich daher auf jedes Bad. So stand sie nun ungeduldig neben dem Trog und sah zu, wie Maria den letzten Eimer hineingoss.
„So…“ Die Frau wandte sich zur Seite und griff nach einem kleinen Ölfläschchen. „Ihr könnt dann.“
Blitzschnell zog sich das Mädchen ihr Untergewand über den Kopf und stieg in den Zuber, noch ehe die Dienerin sich ihr wieder zugewandt hatte und sie vollkommen entkleidet sah. Seltsamerweise brauchte Maria in letzter Zeit immer äußerst lange, um irgendwelche Dinge zur Morgentoilette herzurichten, so dass es Anna beinahe jedes Mal gelang, unbeobachtet zumindest ihr Mieder oder Hemd überzuziehen und darüber war sie gottfroh.
„Das ist neu“, sagte die Dienerin und goss einige Tropfen Öl ins Wasser. „Eure Mutter hat es erst vor kurzem erworben. Es stammt aus dem Morgenland. Jasmin oder so ähnlich.“
Anna schloss die Augen vor Zufriedenheit. „Wie ist dein Tag verlaufen?“, fragte sie allerdings wenig später und verrieb sich das Öl auf der Haut. „Gibt es etwas Neues?“ Sie verzog spöttisch den Mund.
„Ach…“ Maria winkte ab. „Alles für die Katz’ heute. Entweder waren sie hässlich, betrunken oder verheiratet. Ich weiß auch nicht, was davon schlimmer ist.“
Anna lachte. „Hab ich da nicht etwas von Mätressen gehört heute Morgen?“, fragte sie unschuldig.
Die Dienerin warf ihr einen gespielt bösen Blick zu.
„Nun ja.“ Das Mädchen zuckte mit den Schultern. „Dann nimm doch noch mal den Soldaten von letzter Woche. Erik hieß er, nicht wahr? Oder war das der von der vorletzten? Ich verliere bei dir wirklich langsam den Überblick…“
„Na, na!“ Maria tauchte eine Hand ins Wasser und spritzte dem Mädchen einen Schwall ins Gesicht. „Nicht so frech!“
Anna fühlte sich ausgezeichnet. Nach diesem verdrießlichen Tag genoss sie das Geplauder mit ihrer Dienerin aus tiefstem Herzen. Mit einem breiten Grinsen auf dem Gesicht dachte sie daran, wie sie Maria nicht nur einmal des Nachts aus ihrem Bett geholt hatte, wenn sie krank war oder vor Angst nicht mehr einschlafen konnte. Dann war das Mädchen immer zu der kleinen Kammer neben ihrem Zimmer geschlichen, hatte gegen die Tür gehämmert und gerufen: „Maria! Maria!“ Solange, bis die Frau schließlich öffnete und mit genervtem Blick fragte: „Was gibt es, Anna?“, während sie sich lediglich halbwegs darum bemühte, ihren nackten Körper mit einem Laken zu bedecken und der Mann hinter ihr im Bett sich beherrschen musste, um seine Anwesenheit nicht durch ein Lachen aus vollem Hals zu verraten.
Im Laufe der langen Zeit, die sich Maria bereits auf Bernadette befand, waren nahezu alle Söldner, einer nach dem anderen, in ihrem Bett gelandet und sie wusste auch noch nach Jahren um die Kunstfertigkeiten eines jeden Einzelnen. Mit Anna sprach die Frau vollkommen ungehemmt über ihre Eroberungen und das führte manches Mal zu einer Auseinandersetzung mit Elgita, die das Mädchen in dieser Hinsicht gerne unbedarfter gehalten hätte.
Anderen Burgbewohnern war das Verhalten Marias gar ein Dorn im Auge. Wäre jene nicht die persönliche Dienstkraft der Tochter der Fürstin gewesen, hätten sie vermutlich wesentlich offener über sie hergezogen. So allerdings tuschelten sie lediglich hinter vorgehaltener Hand.
„Sie sind ja nur neidisch“, war allerdings das Einzige, was Maria dazu zu sagen hatte und da war vermutlich viel Wahres dran. „Sie hätten nämlich selbst gerne den einen oder anderen Soldaten in ihrem Bett.“
Im Gegensatz zu manchen Burgbewohnern schien sich allerdings Elisabeth trotz aller Härte und Strenge, die ihr nachgesagt wurden, an Marias Verhalten und ihrer Offenherzigkeit nicht zu stören, denn noch niemals hatte sie die Frau zur Zurückhaltung angewiesen, wenn gleich sie mit Sicherheit wusste, was die engste Dienerin ihrer Tochter trieb und ihr wohl auch schon von verschiedenen Seiten angetragen worden war, worüber Maria mit dem jungen Mädchen sprach.
An jenem Abend nach dem Frühlingsfest war Maria allerdings schweigsam und vermutlich ein wenig wütend, weil all ihre Bemühungen, sich einen Mann für die kommende Nacht zu angeln, erfolglos geblieben waren.
„Kommt Ihr alleine zurecht?“, fragte sie nach einer Weile und fingerte an ihrem Mieder herum, das ihr die Luft abdrückte. „Es ist unerträglich heiß hier drin und wenn Ihr es gestattet, würde ich den Raum gerne für eine Weile verlassen.“
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