Noch nie gab es so viele Frauen, die mit Anfang dreißig geschieden waren oder eine längere Beziehung beendet hatten. Dafür gab es gute Gründe. Frauen waren grundsätzlich von dreißig bis Mitte dreißig sexuell auf dem Höhepunkt ihrer Triebe. Ihr eigenes Einkommen waren dazu Unabhängigkeit und Segen zugleich. Wurden sie von ihm enttäuscht, inszenierten sie fortan ihr Begehren, ihre Lust zu leben und dabei wenig zu geben, mit zunehmendem Kalkül. Zu oft schon hatten sie den schmerzhaften Prozess des Sich-Entliebens bereits entweder selbst erlebt oder davon gehört und gelesen, als dass sie bei ihrer neuen Partnerwahl an die heilende Kraft der ewigen Liebe glauben konnten.
Waren Frauen früher brave Hausmütterchen, die ihren Status schweigsam erduldeten, erbrachten die verzogenen Weiber von heute allenfalls Opfer dann noch auf, wenn sie die Drinks an der schummrigen Bar zahlten. So lange, wie der Typ an ihrer Seite von Nutzen war, genossen sie in vollen Zügen. Begannen sie zu leiden, beendeten sie das Verhältnis, bis das Spiel von vorn startete, den Fluch ihres vermeintlichen Heils immer noch ignorierend. Was machte es auch? Angebot und Nachfrage bildeten einen schier unerschöpflichen Markt. In den Großstadtstuben regierte die Einsamkeit. Ein Besinnen war unmöglich geworden. Auf was auch? Die Geister unserer Zeit forderten ihren Preis. Einmal gerufen, spukten sie in Köpfen und Seelen herum und ließen nicht mehr los. Der schleichende Identifikationsverlust machte Frauen kurzfristig zu berechnenden Wesen. Jede schonte sich selbst, jede schonte die Welt. Alle gingen den Weg des geringsten Widerstandes, denn war das große Glück nicht mehr zu schaffen, hielt man wenigstens für ein paar Augenblicke eine kleine Zufriedenheit in Händen. War der Fick gut, durfte ich wiederkommen.
Meine Synapsen arbeiteten unaufhörlich auf Hochtouren. Ich war mit den Folgen der Folgen der Folgen der Frauenbefreiung groß geworden, ohne zu wissen in welcher Phase ich mich gerade genau befand. Bis zum heutigen Tag wussten es die Frauen vermutlich selbst nicht. Seit mehr als fünfzig Jahren war alles aus dem Gleichgewicht geraten, ohne dass ein neues Maß für ein taugliches Miteinander gefunden worden war. Jeder schlug auf jeden ein. Männer und Frauen waren gleich schlimm und gleich verloren geworden. In der Zeit nach den Müttern des Feminismus’ war nur eins geschehen. Die Nachkommen der Revolution hatten sich das Schlimmste von den Männern abgeschaut und lebten sich genauso laut wie sinnentleert aus. Jede Beschwörung, die Waffen endlich niederzustrecken, gleich aus welchem Lager, verpuffte wie ein seichter Furz ins sündhaft teure Höschen.
„Man sucht sie sich immer selbst aus,” meinte Tom einmal zu mir, als wir uns die Frage gestellt hatten, ob eine Frau überhaupt noch in der Lage war, wenigstens ein bisschen Seelenheil für einen zu sein. Und vor allem womit?
„Sie sind alle so,” erinnerte ich meine Antwort. „In Wahrheit sind sie alle irgendwie unglücklich und strahlen doch vor Glück. Das ist ihre wahre Hinterlist.“
„Sag’ das mal meiner Mutter,“ bemerkte Tom zurück.
Die Feministinnen von einst hatten es zur Ideologie erhoben. Niemand brauchte einen Vater. Die Töchter der ersten und zweiten Welle dieser fatalen Selbstsucht, mit denen ich es seit Jahren zu tun hatte, litten ihr Leben lang unter diesem Entzug. Ihr Mehr an Freiheit hatte ihnen tatsächlich den Verlust von Sicherheit beschert, weil sie sich keinem Mann anvertrauen konnten. Ihnen hatte der Vater gefehlt, ein fürsorglicher Blick, eine verlässliche Größe. Mamas ständig wechselnde Liebhaber konnten diese Kinderwunden nicht heilen. Jetzt folgten sie, unzufrieden mit sich selbst, einem Stylingtipp nach dem anderen, frei nach dem Motto: „Du brauchst keinen Mann. Nur eine neue Frisur.“ Dazu. Noch nie fühlten sich so viele junge Frauen zum eigenen Geschlecht hingezogen wie in dieser Zeit. Oft lebten sie in einer „offenen Beziehung“ miteinander. Fragte man sie nach ihrer Kindheit, hatten sie fast ausschließlich die Scheidung ihrer Eltern hinter sich gebracht. Die Frauen, die es mit einem Mann versucht hatten, lasteten obendrein ihre eigene Unzulänglichkeit oftmals ihrem Partner an. Gerne auch öffentlich. Das Pendel der Befreiung schlug unbarmherzig zurück. Männerhass war in. Der Sündenbock war stets der Ex. Es war gleich, ob sie verheiratet gewesen waren oder eheähnlich zusammengelebt hatten, ob sie Kinder hatten oder nicht. Nie waren sie wirklich glücklich.
Viele Frauen in meiner Stadt hatten sich verrannt und verloren, und keine konnte sagen, wann genau das geschehen war. Neurotisch, psychotisch oder verängstigt. Alle waren auf dem Weg, doch keine kannte das Ziel. So waren sie ganz grundsätzlich, die Frauen. Problemorientiert aber so wenig zielgerichtet in ihrem Handeln. Ihr soziales Quaken verlor sich in mangelnder Umsetzung. Dazu vermisste ich eine gesunde Portion Selbsteinschätzung, die nämlich der Erkenntnis, dass die Enttäuschungen vieler Frauen ihre Erwartungen an die Männer in die Höhe schraubten, denen sie oft genug selbst nicht gerecht wurden. Gleichzeitig aber war ich mir sicher. Bei allem, was war und sein würde, blieb unbestritten, dass alle insgeheim die Sehnsucht und Hoffnung in sich trugen, offen und ehrlich von einem Menschen geliebt zu werden, so wie Frau bis tief in die letzten Winkel ihres Wesens war, in guten wie in schlechten Zeiten, und das schloss ein harmonisches Zusammenleben, in dem beide für den anderen eine Bereicherung waren, verdammt nochmal und konsequenterweise ein. Doch er war verlernt, der Verzicht und verlebt die Geduld.
Ich mochte Menschen, die eine Überzeugung hatten, die kämpfen konnten. Stattdessen hatten viele, Männer wie Frauen gleichermaßen, Gefühle zum Konsumgut degradiert, das an jeder Straßenecke zu haben war. Doch gleichgültig, wie hoch der Preis auch war. Dem verdrängten Wunsch nach wahrer Liebe konnten sie nicht entkommen. Dieses Abenteuer nicht mehr zu wagen, war der größte Verlust im Gegeneinander der Geschlechter. Um das zu erkennen, gehörte jede Frau spätestens mit dreißig per Gesetz auf den Jakobsweg geschickt. Weil Frauen wie Männer nicht mehr über ihre wahren Bedürfnisse redeten, und sie dazu die eigene Wahrhaftigkeit versoffen, verkokst oder verkauft hatten, war ihr Umgang miteinander beliebig, vor allem aber belanglos geworden. Jedes Maß an Fürsorge ertrank im Meer der Eitelkeit, der abscheulichsten Eigenart, mit der Menschen die Welt verseuchten.
Geschichte wiederholte sich. Wieder fraß eine Revolution ihre Kinder. Die Männer standen am Pranger. Seit Jahren schon wurde Galanterie mit Belästigung verwechselt. Was eine Frau fühlte, war unumstößlich. Was ein Mann empfand, war relativ. Die Frauen von heute durften sich nahezu alles erlauben. Niemand kritisierte sie. In aller Öffentlichkeit wurde immer häufiger diskutiert, dass Männer ihre Frauen sexuell nicht befriedigten. Wie lächerlich sich indes Frauen mitunter in ihrem Umgang mit männlichen Schwellkörpern gebärdeten, zierten und drucksten, war tabu. Sie wollten die Gleichberechtigung. Geschaffen hatten sie Dominanz. Nur leider nicht im Bett. Sich als unterdrückt auszugeben, war längst schon zum weiblichen Herrschaftsmittel geworden. Ich konnte mir so gar nicht vorstellen, dass die alten Kämpferinnen von einst das gewollt hatten.
Da standen sie also vor mir, aufgedonnert, die Fäuste in die Hüften gestemmt, fordernd und doch so verloren. Sie hatten einfach kein Selbstbewusstsein, obgleich sie dies paradoxerweise immer wieder neu mit allen erlaubten und unerlaubten Mitteln zur Schau stellten. Deswegen aber waren Frauen so leicht zu kränken, weil sie selbst nur allzu gut um ihr alltägliches Schauspiel wussten. Dazu waren sie innerlich von einer unumstößlichen Ungerechtigkeit der Natur getrieben. Männer konnten, je älter sie wurden, junge Frauen haben. Eine Frau dagegen musste stets blühend wirken um verführerisch zu sein. Dazu, und das stand ebenso zweifelsfrei als Naturgesetz fest, waren allein Männer in der Lage, Frauen zu beschützen. Von dem umgekehrten Fall jedenfalls hatte ich noch nie gehört. Und würde so manche vehemente Verfechterin der Emanzipation ehrlich sein, so müsste sie zugeben, wie sehr sie der Umstand ärgerte, dass viele Frauen fernab ihrer bekundeten Parolen ihrer Natur folgten, wenn sie Schutz und Sicherheit bei einem Mann suchten.
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