Sie versuchen es an einer Rotte der wilden schwarzen Schweine, die in den Wäldern an den Hängen des Drat’kalar leben. Sie finden genug Futter dort, aber manchmal bekommen sie Appetit auf feinere Kost. Dann fallen sie über die Felder her, die zu Füßen des Gebirges liegen, es ist wenig übrig, wenn ihr Hunger gestillt ist. Sie lassen sich leicht vertreiben, durch laute Geräusche, durch blinkende silberne Platten, wenn es nur die Weibchen mit ihren Jungen sind, aber manchmal, wenn große starke Keiler bei ihnen sind, gelingt es nicht. Es sind gefährliche Tiere mit mächtigen, fast kreisrund gebogenen Hauern, es hat schon Tote und Verwundete gegeben bei dem Versuch, sie zu vertreiben, sie greifen gern und schnell an. Und auch sie lassen sich nicht aufhalten mit den schlanken Pfeilen, die mit den leichten Bögen verschossen werden, die in fast jedem Haus der Dörfer zu finden sind, für die Jagd auf Hasen und die bunten Vögel, die nicht fliegen können und an den Feldrändern leben. Der Thain veranstaltet zweimal im Jahr Treibjagden auf sie, immer zu den Tag- und Nachtgleichen, wenn er seine Ratssitzungen abhält, sie jagen sie heraus aus den schützenden Wäldern und töten sie mit großen Sauspießen. Ihr Fleisch ist essbar, es wird dann gut geschmaust in den umliegenden Dörfern.
Tenaro und Metú sind oft mitgeritten auf diese Jagden, und der große Mek’ta hat seine eigene Art, die wilden schwarzen Schweine zu töten. Er stellt sich ihnen in den Weg, und wenn sie dann auf ihren kleinen, fast zierlichen Hufen wutentbrannt auf ihn zustürmen, dreht er sich im wirklich letzten Moment elegant auf die Seite und zieht ihnen seinen Dolch über die Kehle. Auch Tenaro hat einmal eins der schwarzen Biester so getötet, mit fünfzehn, es hat ihm einen silberverzierten gebogenen Hauer als Armreif und Schläge von Metú eingebracht. Dem hat nämlich fast das Herz gestockt, als er gesehen hat, wie sein kleiner Prinz ausrutscht und fast vor die Füße des wütenden Tieres fällt, seinen Dolch hat er trotzdem sicher ins Ziel gebracht. Der riesige Kadaver ist auf ihn gefallen, Metú hat ihn mit einer Hand zur Seite geschleudert und Tenaro auf sein Knie gerissen. Er hat ihn schon tot gesehen, schwer verwundet, aufgeschlitzt von den scharfen Hauern des Tieres. Und als er ihn angegrinst hat unter dem Schweineblut, das sein Gesicht besudelt, da hat er ihn darüber gezogen und mit der flachen Seite der Klinge seines Dolches verdroschen. Der Thain hat danebengestanden und gelacht, auch wenn Tenaro ein Sa’Rimar ist, manchmal hat er einfach Schläge verdient. Drei Tage später hat er ihm den silberbeschlagenen Hauer geschenkt, aber bitte, Sohn, tu es nicht noch einmal. Ihm hat nämlich auch fast das Herz gestockt, als er ihn hat fallen sehen. Er trägt ihn an diesem feuchten nebligen Morgen, zur Erinnerung daran, dass er sich nicht einzumischen hat in die Jagd. Metú hat es ihm angedroht, wenn er sich mit dem Dolch vor ein Schwein stellt, er zieht ihn wieder übers Knie. Er hat bitte schön nur hier am Waldrand auf Griud zu sitzen, der weiß, wie er ihn in Sicherheit bringt, wenn doch einmal eins der großen Biester durchbricht. Meinetwegen auch mit der gespannten Draq’ir’lai in der Hand, aber benutzen wird er sie nicht. Und dann rettet er Metú das Leben damit.
Griud steht entspannt am Waldrand, er knabbert an einem Busch, er lässt sich nicht stören von dem Tröten und Trommeln, dem Scheppern und Gebrüll, das aus dem Wald zu ihnen herausschallt. Doch plötzlich hebt er den Kopf, er stellt die Ohren auf, da kommt was. Und sie hören es auch schon, das leise Grunzen des Tieres, das Schnaufen, das Rascheln der Beerensträucher, die den Boden bedecken, dann auch das Trappeln der zierlichen Hufe. Ein kleiner Keiler bricht aus dem Unterholz am Waldrand, Metú stellt sich ihm in den Weg. Er ist schnell erledigt, der Mek’ta bewegt sich für einen Mann seiner Größe und Statur mit fast graziler Leichtigkeit. Aber es bricht noch ein Keiler aus dem Wald, ein riesiges Tier mit gewaltigen Hauern, und es ist schnell. Metú versucht auszuweichen, aber diesmal rutscht er aus, der Boden ist glitschig von nebelfeuchtem Laub und dem Blut des Tieres, das verendet vor ihm liegt. Und Tenaro reagiert blitzschnell. Er schießt auf den Keiler, ohne zu zielen, er hält die Draq’ir’lai einfach nur in die Richtung des riesigen Tieres und drückt ab. Ein Blutschwall ergießt sich aus dem halb geöffneten Maul, seine Vorderbeine knicken ein, es fällt, sein Schwung trägt den Körper weiter auf Metú zu. Sie liegen fast Kopf an Kopf, der riesige Keiler tritt noch einmal, zweimal mit den Hinterbeinen, dann liegt er still. Tenaro und Metú sehen sich an. Sie haben eine Waffe gefunden, die den großen Hunden der Krieger aus Beth’narn Einhalt gebietet. Und vielleicht hilft sie sogar gegen die Gefahr, die das Leben der Menschen am Kalar’terla bedroht.
Sie reden darüber, als sie am Abend beim Essen zusammensitzen. Im Freien, neben einer Feuergrube, über der sich der kleine Keiler an einem Spieß dreht. Die Tiere sind umso schmackhafter, je jünger sie sind, das Fleisch der riesigen Keiler, die sich schon fortgepflanzt haben, wie der, den der Bolzen der Draq’ir’lai erlegt hat, schmeckt ranzig und bitter. Der Jäger des Thain hat den Kadaver aufgeschnitten und untersucht, es hat sie vor Grauen geschüttelt dabei. Es ist eine entsetzliche Waffe. Tenaro hat nicht gezielt geschossen, er hat auf einem Pferd fast zwanzig Längen entfernt gesessen, er hat nicht erwartet zu treffen, hat das Tier nur ablenken wollen, damit Metú Zeit hat, wieder auf die Füße zu kommen. Der Bolzen ist neben der Wirbelsäule in den Körper eingedrungen, hat die dicken Rippen gebrochen, die Lunge zerrissen, das Herz zerfetzt, er ist fast auf der anderen Seite wieder ausgetreten. Die Spitze ist dreischneidig, leicht verdreht, der Bolzen muss sich um seine Mitte gedreht haben während des Fluges, er hat sich regelrecht hineingeschnitten in den Körper. Sie wagen sich nicht vorzustellen, was diese Waffe im Körper eines Menschen anrichtet. Sie ist eine Draq’ir’lai, eine Waffe ohne Ehre, und sie trägt ihren Namen zurecht.
Aber auch die riesigen Hunde aus Beth’narn sind Draq’ir’lai, die Männer der Leibgarde des Thain, die bei ihnen am Feuer sitzen, haben alle schon gesehen, was sie anrichten auf dem Schlachtfeld. Sie warten nicht auf Befehle ihrer Herren, sie greifen an auch ohne sie, und sie geraten in einen regelrechten Blutrausch dabei. Pfeile können ihnen nichts anhaben, Schwerter treffen sie kaum, sie sind zu schnell, und einer der Männer hat einen Hund gesehen, dem ein Bein abgeschlagen worden ist, er ist trotzdem gesprungen und hat einem Mann die Kehle herausgerissen. Das ist eines ihrer bevorzugten Ziele, der Hals eines Mannes, die Schwerthand, sie reißen sie ab hinter dem Gelenk, sie zerbeißen die große Sehne an der Rückseite des Fußes selbst durch die ledernen Stiefel. Die Angegriffenen sind dann wehrlos, der Krieger, zu dem der Hund gehört, hat leichtes Spiel. Und sie geben dabei nicht einen Laut von sich, sie bellen nicht, sie knurren nicht, man hört sie nicht kommen im Getümmel der Schlacht. Sie tauchen auf wie aus dem Nichts, sie töten, dann verschwinden sie wieder und suchen ihr nächstes Opfer. Aber jetzt haben sie etwas gefunden, das ihnen Einhalt gebieten wird.
Und vielleicht hilft es sogar gegen die großen Echsen mit den langen Schnauzen, die im See leben. Auch die Bewohner von Beth’kalar haben Opfer zu beklagen, sie lauern manchmal im flachen Wasser in der Nähe des Ufers, und sie sind auch an Land schnell. Und kaum zu töten, ihre Körper sind gepanzert, eine Schwertklinge zerbricht daran. Wenn man es schafft, eine Lanze in ihr geöffnetes Maul zu treiben, oder in den Spalt zwischen den Panzern an Ober- und Unterseite, dann verenden sie manchmal daran, aber es erfordert viel Mut, sich ihnen in den Weg zu stellen. Schon mancher Krieger hat mit seinem Leben bezahlt, wenn er es versucht hat. Sie greifen Boote nicht an, aber sie verbeißen sich in den gefüllten Netzen, wenn sie an Bord gezogen werden, die leichten Boote kentern dann manchmal, und was einmal im Wasser ist, entkommt ihnen nicht. Fisch ist eine teure Delikatesse in Beth’kalar, und sie wird oft genug auch mit einem Leben bezahlt. Sie zerstören die Eier, wenn sie die Gelege am Ufer finden, aber der See ist riesig. Beth’narn und Beth’kalar liegen sich an einem schmalen südlichen Ausläufer gegenüber, es dauert einen Tag und fast noch die halbe Nacht, von einer Seite auf die andere zu gelangen. Und im Norden ist der See von Wüste umgeben, wer will sich dort auf die Suche machen? Die Anwohner des Sees haben gelernt, seine Ufer zu meiden, in der Nähe der Dörfer, die am Wasser liegen, patrouillieren Wachposten, die verhindern, dass sich Pferde, Hunde oder Kinder dem Wasser nähern, und doch kassieren sie ihren Blutzoll, die grausigen Bestien. Aber vielleicht hilft auch hier Draq’ir’lai.
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