Wir brachten den unliebsamen Besuch in der Pathologie hinter uns. Danach trennten sich unsere Wege vorübergehend. Am nächsten Morgen wollten wir die Ergebnisse der Überprüfungen sichten und daraufhin unsere weitere Vorgehensweise besprechen. Viel hatten wir wirklich nicht in der Hand.
Die Fahrt von Fort Knox bis zu meinem Hotel in Louisville dauerte eine dreiviertel Stunde. Unterwegs konnte ich mich des Gefühls nicht erwehren, von einem dunklen Lincoln Continental verfolgt zu werden. Jedoch bog der Wagen schon bald in eine Seitenstraße, wo ich ihn aus den Augen verlor.
Das Hotel Marriot Downtown gefiel mir ausgesprochen gut, denn es bietet jede Menge Annehmlichkeiten. Eins muss man Cornelius neidlos anerkennen: Was Hotels betrifft, besitzt er einen außerordentlich guten Geschmack. Zumindest lässt er sich nicht lumpen. Er hatte für mich eine Suite reserviert. Wäre ja noch schöner, unverhofft in einer von Kakerlaken verseuchten Absteige zu landen.
Der Parkservice kümmerte sich um den Wagen und das Gepäck, während ich eincheckte. Der Kerl an der Rezeption übergab mir die Keycard und meinte diskret: »Einen angenehmen Aufenthalt in unserem Hause. Wenn Sie einen Wunsch haben, lassen Sie es uns wissen. Rufen Sie an, jederzeit.«
»Gut, ich rufe an, wenn ich eine Nutte benötige«, nickte ich ernst und beobachtete amüsiert, wie ihm das charmante Lächeln entglitt. »Locker bleiben, Mann. Das war lediglich ein Scherz. Ihr habt hoffentlich Bezahlfernsehen?«
»Natürlich, Sir. Wie bereits gesagt, wünschen wir Ihnen eine angenehme Zeit in unserem Haus«, entspannte er sich merklich.
Die Amerikaner sind ein wirklich bigottes und überaus prüdes Völkchen. Offiziell ist bei ihnen die Prostitution strafbar. Die einzige Ausnahme bildet der Bundesstaat Nevada. Was wären Las Vegas, oder Reno, ohne Prostituierte?
... Trotzdem ist es kaum zu glauben, dass ausgerechnet die Amis, als weltweite Marktführer in Sachen Pornoproduktion, die Nase vorn haben…
Bevor ich mich mit Cornelius in Verbindung setzte, wollte ich zuerst meine Klamotten ordentlich im Schrank verstauen.
»Nanu? Was ist denn das?«, betrachtete ich verwirrt eine gelbe Bade-Gummi-Ente, die zwischen meiner Kleidung zum Vorschein kam. Zuerst vermutete ich, eines meiner Kinder hätte sich einen kleinen Scherz erlaubt; nur hatten weder Agnir, noch Sascha die Gelegenheit gehabt, sich an meinem Koffer zu vergreifen. Plötzlich dämmerte es mir.
»Soll das etwa ein Witz sein?«, fauchte ich die Ente an. »Was hältst du davon, wenn ich dich jetzt sofort und auf der Stelle, zu einem Klumpen Asche verbrenne?«, drohte ich dem noch immer liebenswürdig vor sich hin lächelnden, gelben Ding. Gut, dass außer mir und dem Entchen niemand im Zimmer war. Ansonsten hätten mir Anwesende möglicherweise einen veritablen Dachschaden diagnostiziert.
Unmittelbar auf meine Drohung hin, wechselte das Quietsche-Entchen die Gestalt und gab sich als Silent Blobb zu erkennen. Das super-elastische Wesen blubberte aufgeregt und gestikulierte dabei wild in vielen Farben und Mustern.
Das Problem mit Silent Blobb ist, dass ich ihn absolut nicht verstehen kann, da er keine Stimmbänder besitzt. Dieser Umstand erklärt wohl auch weitestgehend seine Namensgebung.
Dracon, Silent Blobbs Halbdrachen-Kumpel, versteht dessen Geblubber allerdings sehr gut, weil er einst ein Stück von Silent Blobb verspeiste. Durch diesen Vorfall gingen sie eine Art Symbiose ein. Nur war Dracon leider nicht vor Ort, um für mich zu übersetzen...
»Hat dich Cornelius etwa als Anstandswauwau geschickt?«, ließ ich trotzdem nicht locker.
»Blululululululll!«, blubberte Blobb und schüttelte energisch den Kopf-ähnlichen Auswuchs, der auf seinen Schulter-ähnlichen Auswüchsen prangte. Für gewöhnlich nahm er ein annähernd menschliches Aussehen an -, soweit man das als ein solches deuten konnte.
»Herrje, ich verstehe rein gar nichts!«, brummte ich. »Wenn Cornelius dich nicht schickte, dann war es sicherlich Ambrosius Pistillum!?«, riet ich weiter.
Wieder blubberte Silent Blobb und schüttelte den… äh, Kopf.
»Bei Odin! Gibt es denn hier niemanden, der für mich dieses elende Geblubber übersetzen kann?«, verdrehte ich genervt die Augen.
Plötzlich dreht sich Silent Blobb abrupt um und flitzte schleunigst durch die Ausgangstür, einfach so... Das war doch sonst nicht seine Art!
»Na toll! Das glaube ich doch nicht! Jetzt bekomme ich wegen diesem Gummiwesen auch noch jede Menge Stress! Was sollen die Leute sagen, wenn sie ihn sehen? Nichts, sie werden den gesamten Laden zusammenschreien! Na, das kann ich gerade noch gebrauchen!«, beschloss ich ihm zu folgen, um im Flur direkt in Dracon, alias Antoine Deveraux, hinein zu rempeln.
»`oppla!«, französelte er, »´ast du es eilisch?«
»Dracon? Was willst du denn hier? Sag mir nicht, du bist hier, um dir ein ›H‹ zu kaufen?!«, knirschte ich verstimmt.
»Se´r lustisch! Blobb sagte, du benötigst einen Übersetzer?«, deutete er mit dem Daumen über seine Schulter auf Silent Blobb, der sich strategisch hinter Dracons Rücken verschanzte.
»Nicht hier draußen! Ach, verdammt! Los, rein in mein Zimmer!«, brummte ich verstimmt und bugsierte die beiden Bekloppten schleunigst in meine Suite.
Ich blickte beide streng an: »Los, raus mit der Sprache! Was macht ihr beiden hier?«
Dracon zuckte mit den Achseln und zog Spielkarten aus der Gesäßtasche seiner Jeans. »Na ja, eigentlisch ´atten wir ´eute Abend unseren verabredeten Poker-Abend...«
»Ah, ja? Ernsthaft? Das ist die blödeste Ausrede, die mir jemals zu Ohren kam!«, knurrte ich angefressen.
»Wir erreischten kurz vor deinem Abflug dein ´aus. Annie sagte, du seist bereits auf dem Weg nach… Sie wusste es nischt. Blobb ließ sisch offenbar nischt von der Idee abbringen, mitzufliegen. Als wir uns trennten, ahnte isch leider noch nischts von seinem fatalen Plan. Er flutschte ungesehen in deinen Koffer, als die Zwergin dein Gepäck verstaute, erzählte Blobb jedenfalls. Schließlisch nennen wir Blobb nischt umsonst den Schlüsselmeister, eben weil er überall ´ineinkommt. Nachdem isch bemerkte, dass Blobb disch begleitet ´at, verständigten wir umge´end Cornelius, der uns zu Simon schickte… Mehr darf isch nischt verraten...«, deutete Dracon mit einer Geste an, als verschließe er seinen Mund mit einem Reißverschluss.
»Zuerst einmal, wer sind wir?«, wollte ich wissen. »Glaubst du einen totalen Volldeppen vor dir zu haben?«
»Äh, ´abe isch ›wir‹ gesagt? Daran kann isch misch gar nischt entsinnen. Wirklisch?«, fragte Dracon unschuldig und murmelte: »Merde!«, nachdem selbst Silent Blobb zustimmend nickte.
»Na, ihr seid mir schöne Geheimagenten! Ich mag mir gar nicht ausmalen, was passiert, solltet ihr jemals einer Folterung zum Opfer fallen«, grummelte ich. »Wer ist noch dabei? Link Rattus und Barbiel?«
»Link ist während unserer offiziellen Einsatzpause nach Paris in den ´eimaturlaub gefahren. Barbiel begleitete uns, bien sûr mit Ernestine. Leider konnte er niemanden finden, der kurzfristisch auf sie aufpasst, da Trixie, die sie sonst beaufsischtigt, selbst verreist ist.«
»Na, prächtig! Hat er etwa dem Socken-Monster wieder dieses alberne Hundekostüm angezogen?«, knurrte ich.
Dracon grinste. »Sûrement. Überleg mal: Ist das nischt schön? Jetzt ist unser altes Team wieder zusammen. Ganz so, wie in alten Tagen, nischt wahr?«
»Ja, klar. Hörst du mich denn nicht begeistert jubeln? Und Ambrosius ist wirklich eingeweiht? Und was soll diese alberne Geheimhaltung? Immerhin seid ihr wohl kaum mit einem normalen Jet geflogen, denn damit wärt ihr noch immer unterwegs. Folglich brachte euch Simon mit einem Teleporter oder ähnlich abgefahrenem Scheiß hierher, habe ich recht?«
»Kann sein, dass es zutrifft, was unsere Transportmethode angeht. Wir wissen allerdings, was du wieder für Dumm´eiten veranstalten würdest, solltest du genauere Kenntnis von unserem Transportmittel bekommen. Die Vergangen´eit ´at es bewiesen. Also belassen wir es dabei, oui?«, wiegelte der Drachenmensch ab. »Nun ja, völlisch uneingeweiht konnten wir Ambrosius Pistillum nischt lassen. Der Boss vermutet ohne´in, ein Dämon könnte eventuell seine Finger im Spiel ´aben. Du weißt, vor deiner Reise ´atten Cornelius und er über diesen Fall ausführlisch gesprochen, da sisch die Kompetenzen von Salomons Ring und die des Vampir-Ältestenrates überschneiden. Alors, finde disch damit ab, dass wir in dieser Mission ebenfalls mit an Bord sind. Jedoch werden wir dir nischt im Weg stehen, oder deine Ermittlungen gefährden, ´offen allerdings auf einen ehrlischen Informationsaustausch. Sollte es sisch allerdings als rischtisch erweisen, dass ein Dämon involviert ist, werden wir eingreifen müssen, um ihn zu eliminieren«, beendete Dracon seine Erklärung, die noch immer von Silent Blobbs Kopfnicken untermalt wurde.
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